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Fleischskandal Eigene Spitzenbeamte gegen Aigner

Die von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner(CSU) vorgeschlagene strengere Kennzeichnungspflicht bei Lebensmitteln stößt in der Führungsebene des Ministeriums selbst auf Kritik.

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Pferdefleisch ist in aller Munde
Die einen finden es lecker, die anderen ekelt schon der Gedanke an den Verzehr – seitdem auch in deutschen Supermärkten in Tiefkühl-Lasagne Pferdefleisch entdeckt wurde, diskutieren die Menschen wieder über den Verzehr dieser Tiere. Ein Überblick über das Konsum und Angebot von Pferdefleisch in Deutschland. Quelle: dpa
11.499 Pferde wurden 2012 in Deutschland geschlachtet – knapp drei Prozent weniger als im Vorjahr. Im Schnitt wog ein Tier 264 Kilogramm. Damit produzierten die Schlachter insgesamt 3000 Tonnen Pferdefleisch. Quelle: dpa
Zum Vergleich: Im selben Jahr verarbeiteten die Schlachter 58 Millionen Schweine – eine Gesamtmenge von 5,4 Millionen Tonnen. Quelle: dpa
800 Gramm Pferdefleisch aß jeder Deutsche 1950 – Rekord. Derzeit liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch bei unter 100 Gramm, der Konsum geht stetig zurück. Quelle: dpa
Der Rückgang hat vor allem aus zwei Gründen: Die Tiere sind den meisten Deutschen sympathisch. Im Jahr 732 hatte Papst Gregor III. den Verzehr des Fleischs verboten, da es „unrein und verabscheuungswürdig“ sei. Quelle: dpa
100 Pferdemetzgereien gibt es hierzulande noch. Die ersten eröffneten bereits 1840 in der Region München. Kurz zuvor hatten die Deutschen wieder begonnen, die Tiere zu essen. Insbesondere weil das Fleisch billig war und für den Verzehr vor allem alte und kranke Pferde geschlachtet wurden. So erlangte es seinen Ruf als Arme-Leute-Essen. Quelle: dpa
Heute verlangt der Metzger für ein Kilo Rossbraten knapp zehn Euro, ein Kilo Rinderbraten kostet mindestens das Doppelte. Europas Spitzenreiter beim Pferdekonsum sind die Italiener. Von ihnen verspeist jeder jährlich knapp 900 Gramm. Quelle: dpa

Wie die WirtschaftsWoche aus dem Ministerium erfuhr, hat es bei einem fast dreistündigen Gespräch zwischen der Ministerin und ihren Abteilungsleitern Bernhard Kühnle ("Lebensmittelsicherheit") und Theodor Seegers ("Agrarmärkte") am vergangenen Dienstag eine heftige Auseinandersetzung gegeben. Die Spitzenbeamten erklärten in dem Gespräch mit Aigner, das Betrugsproblem sei durch noch mehr Kennzeichnung nicht in den Griff zu bekommen, aber der bürokratische Aufwand für mittelständische Verarbeitungsunternehmen steige weiter. Die beiden Abteilungsleiter plädierten dagegen für verstärkte Kontrollen. Dies aber ist Sache der Bundesländer. Aigner habe dagegen auf die schärfere Kennzeichnungspflicht bestanden und von ihren Spitzenbeamten lautstark gefordert: "Ich will was haben!"

Mit ihrer Forderung nach mehr Kontrollen stehen Kühnle und Seegers nicht allein. Auch der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure hält eine schärfere Kennzeichnungspflicht für wirkungslos. "Bei krimineller Energie wie der Pferdefleisch-Untermischung hilft keine Kennzeichnung, sondern nur Kontrolle", sagte Verbandschef Martin Müller der WirtschaftsWoche. Doch in Deutschland fehlten 1200 bis 1500 Lebensmittelkontrolleure. Müller spricht von einer "dramatischen Unterbesetzung". Die 2400 Fachleute könnten deswegen keine ausreichende Überwachung garantieren.

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