
Professor Borjas, Befürworter freier Einwanderung verweisen gern auf das Vorbild Amerika. Wie stark haben die USA von der Zuwanderung profitiert?
In den USA hat es Phasen mit hoher und geringer Zuwanderung gegeben. Der Mythos des Einwanderungslandes USA, in dem man es vom Tellerwäscher zum Millionär schafft, entstand Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals wanderten handwerklich begabte Menschen in großer Zahl nach Amerika ein. Es war die Zeit der Industrialisierung, als die USA dringend qualifizierte Arbeitskräfte benötigten. 1917 waren drei Viertel der Arbeitskräfte beim Autohersteller Ford Einwanderer. Unternehmen und Immigranten profitierten gleichermaßen.
Zur Person
George Borjas, 65, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Harvard. Der aus Kuba stammende Ökonom ist Autor mehrerer Bücher und einer der weltweit renommiertesten Migrationsforscher.
War die Integration der Einwanderer ein Selbstläufer?
Die Tatsache, dass die Einwanderer auf eine hohe Arbeitskräftenachfrage der Unternehmen trafen, erleichterte die Integration. Einige Bundesstaaten setzten die Einwanderer zudem unter Druck, sich zu assimilieren. So verboten sie etwa den Einwanderern aus Deutschland, in der Öffentlichkeit Deutsch zu sprechen. Das damalige Integrationswunder beruhte auf einer historisch einmalig günstigen Konstellation. Es lässt sich kaum wiederholen.
Wie ist es danach in Amerika weitergegangen?
Weil die Zuwanderung stark anschwoll, legten die USA 1924 den Hebel um und beschränkten die Einwanderung. Einreiseerlaubnisse erhielten in dieser Zeit vorwiegend Immigranten aus Europa. Die Atempause bei der Zuwanderung förderte die Integration der bereits Eingewanderten. 1965 lockerte die Regierung das Einwanderungsregime wieder. Seither kommen die Menschen vornehmlich über den Familiennachzug nach Amerika. Eine Selektion nach Qualifikationen findet nicht statt. Viele Einwanderer sind gering qualifiziert und übernehmen einfache Jobs im Dienstleistungssektor, wo sie mit gering qualifizierten Einheimischen konkurrieren.
Was Flüchtlinge dürfen
Wer eine sogenannte Aufenthaltsgestattung bekommt, darf nach drei Monaten in Deutschland eine betriebliche Ausbildung beginnen. Wer geduldet ist, kann vom ersten Tag an eine Ausbildung machen. In beiden Fällen ist jedoch eine Erlaubnis durch die Ausländerbehörde nötig.
Gleiches gilt für Praktika oder den Bundesfreiwilligendienst beziehungsweise ein freiwilliges, soziales Jahr: Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach drei Monaten ohne Zustimmung der ZAV damit beginnen, wer den Status „geduldet“ hat, darf das ab dem ersten Tag.
Wer studiert hat und eine Aufenthaltsgestattung besitzt, darf ohne Zustimmung der ZAV nach drei Monaten eine dem Abschluss entsprechende Beschäftigung aufnehmen, wenn sie einen anerkannten oder vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzen und mindestens 47.600 Euro brutto im Jahr verdienen werden oder einen deutschen Hochschulabschluss besitzen (unabhängig vom Einkommen).
Personen mit Duldung können dasselbe bereits ab dem ersten Tag des Aufenthalts.
Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach vierjährigem Aufenthalt jede Beschäftigung ohne Zustimmung der ZAV aufnehmen.
Welchen Einfluss hat die Einwanderung auf die Demografie?
Auch Einwanderer altern. Wenn sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden, beanspruchen sie Leistungen der Rentenkasse. Das Problem ist, dass sich ihre Geburtenrate in den USA rasch derjenigen der heimischen Bevölkerung anpasst. Daher ist es fraglich, ob die Einwanderung die demografischen Probleme langfristig lösen kann.