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Flüchtlinge in Deutschland Bildungsforscher: Teilqualifikationen sollen fit machen

Bildung ist der Schlüssel - um jeden Preis? Der Vorschlag, für gering qualifizierte Flüchtlinge eine Art Teilausbildung im Schnelldurchlauf einzuführen, ist umstritten. Vizekanzler Gabriel sieht Deutschland bei der Flüchtlingsaufnahme derweil am Rande seiner Kapazitäten.

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Flüchtlinge machen eine Ausbildung Quelle: dpa

Für eine reibungslose Integration brauchen Flüchtlingskinder und jugendliche Asylsuchende nach Expertenansicht so rasch wie möglich Zugang zu Kindergärten, Schulen und Lehrstellen. Dafür seien in Deutschland schnelle praktische Lösungen gefragt. So sollten für junge erwachsene Flüchtlinge „ein- bis zweijährige teilqualifizierende Berufsausbildungen“ stark ausgebaut werden.

„Wir können nicht alle Flüchtlinge zu Mechatronikern ausbilden, aber für teilqualifizierte Landschaftsgärtner oder Helfer in der Alten- und Krankenpflege könnte es am deutschen Arbeitsmarkt viel Potenzial geben“, sagte der Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, Ludger Wößmann, am Donnerstag vor einer Fachtagung in Berlin. Bei jungen Erwachsenen müsse der Aufenthaltsstatus zügig geklärt werden, damit Sprachkurse schnell und flächendeckend ansetzen können. Ein großer Teil der jungen Flüchtlinge komme gering qualifiziert hierher.

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack lehnte den Vorschlag umgehend ab: „Was beim Mindestlohn nicht gelungen ist, versuchen arbeitgebernahe Bildungsforscher nun bei der Ausbildung durchzusetzen: Wichtige soziale Standards sollen geschliffen werden, um Flüchtlinge als billige Arbeitskräfte auszubeuten. Flüchtlinge dürfen keine Auszubildenden zweiter Klasse werden.“ Die Folgen wären fatal. „Unterhalb einer vollwertigen Ausbildung gäbe es dann noch einen parallelen Markt mit Häppchen-Ausbildungen, die die Menschen auf schlechte Arbeit in prekären Verhältnissen vorbereiten.“

Gerade für Kinder und Jugendliche sei gute Bildung und Ausbildung „Anker und Hoffnung für eine Zukunft zugleich“, heißt es in einem Antrag der Grünen-Bundestagsfraktion an die schwarz-rote Bundesregierung. Der Bund solle „die Länder und Kommunen dabei unterstützen, allen Kindern und Jugendlichen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, schnellstmöglich einen guten Kita- beziehungsweise Schulplatz (...) zur Verfügung zu stellen“.

Zudem müsse die Regierung der Forderung des Bundesrates und der Wirtschaft nach Rechtssicherheit für Auszubildende und Betriebe Rechnung tragen. „Es soll sichergestellt werden, dass Betriebe und Auszubildende durch Beratung und ausbildungsbegleitende Angebote und Strukturen so unterstützt werden, dass junge Menschen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus eine echte Zugangschance zur dualen Ausbildung im Betrieb erhalten“, verlangen die Grünen.

Derweil sieht Vizekanzler Sigmar Gabriel Deutschland in der Flüchtlingskrise am Rande seiner Kapazitäten. "Wir nähern uns in Deutschland mit rasanter Geschwindigkeit den Grenzen unserer Möglichkeiten", sagte Gabriel zu "Spiegel Online". "Wir schaffen in diesem Jahr die Aufnahme der enormen Zahl der Flüchtlinge nur mit großer Mühe." Viele Orte in Deutschland seien bereits überfordert. "Natürlich kennt das Asylrecht keine Obergrenze, aber bei der Belastbarkeit der Städte und Gemeinden gibt es faktische Grenzen", ergänzte der SPD-Vorsitzende.

Er plädierte zugleich für eine offene Debatte über die Probleme und Ängste in der Bevölkerung. "Es darf kein Klima geben, in dem jeder, der sich Sorgen macht, gleich als ausländerfeindlich oder rechtsradikal gilt", mahnte der Wirtschaftsminister. Von den Flüchtlingen forderte er die Verinnerlichung bestimmter Prinzipien. "Wir müssen klar machen, dass es bei uns Dinge gibt, die nicht zur Disposition stehen: das Grundgesetz, die Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, die Gleichberechtigung."

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere sagte am Donnerstagabend im ZDF: "Bis zum Sommer waren die Flüchtlinge dankbar, bei uns zu sein.". Jetzt gebe es viele von ihnen, die glaubten, "sie können sich selbst irgendwohin zuweisen". "Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi. Sie haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte Kilometer durch Deutschland zu fahren. Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt, sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt. Sie prügeln in Asylbewerbereinrichtungen." Noch handele es sich um eine Minderheit. Doch müsse gelten: Wer nach Deutschland komme, müsse sich dahin verteilen lassen, wo er hingebracht werde, und die Rechtsordnung anerkennen, sagte der CDU-Politiker.

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