Flüchtlinge Kommunen fordern Integrationsgesetz

Die Städte und Gemeinden sehen sich bei Flüchtlingen am Limit. Allein 100.000 neue Kita-Plätze müssen geschaffen werden. Die Kommunen dringen auf mehr Geld - und wollen die Kostenverteilung in einem umfassenden Gesetz regeln.

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Allein die Versorgung der Flüchtlingskinder belastet die Kommunen: 100.000 neue Kita-Plätze und 20.000 Erzieher werden gebraucht. Quelle: dpa

Berlin Nach der Zuwanderung von rund einer Million Menschen im vorigen Jahr sehen sich die Kommunen bald am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen. „Deutschlands Aufnahmefähigkeit für Flüchtlinge ist begrenzt“, warnte der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Roland Schäfer, am Dienstag in Berlin. Neben der Erstversorgung der Flüchtlinge müssten nun in großem Stil Wohnungen gebaut und Hunderttausende Schul- und Kita-Plätze geschaffen werden. Bewältigen lasse sich das nur in einem gemeinsamen Kraftakt von Bund, Ländern und Gemeinden. Die Städte rufen deshalb nach einem umfassenden Integrationsgesetz.

„Wenn der Flüchtlingsstrom in der bisherigen Form anhält, sind die Kommunen überfordert, wie es schon jetzt bei einer Vielzahl zunehmend der Fall ist“, sagte Schäfer. Integration werde es nicht zum Nulltarif geben. So würden etwa zusätzliche Lehrer für rund 300.000 Flüchtlingskinder sowie 100.000 neue Kita-Plätze und 20.000 Erzieher gebraucht.

Nach Erwartungen der Kommunen werden 2016 zudem rund 500.000 Flüchtlinge mit Bleiberecht Anspruch auf Hartz-IV bekommen. Zwar übernimmt der Bund dafür die Kosten, die Kommunen steuern aber 600 Millionen Euro zu ihren Unterkunftskosten bei. Schäfer forderte, die Städte und Gemeinden auch von diesen Ausgaben zu entlasten.

Ohne eine weitere Entlastung werde der Investitionsstau in vielen Gemeinden weiter wachsen, warnte der Verband. Der Rückstand bei der Sanierung von Straßen und Gebäuden summiert sich Schäfer zufolge mittlerweile auf rund 132 Milliarden Euro. Hinzu kommen die wachsenden Sozialkosten, die trotz der Rekordbeschäftigung in Deutschland im vergangenen Jahr voraussichtlich erstmals über 50 Milliarden Euro gestiegen sind. Mehr Anstrengungen forderten die Kommunen auch im Wohnungsbau. Statt 250.000 müssten jährlich mindestens 400.000 neue Wohnungen fertiggestellt werden, um die zusätzliche Nachfrage abzufangen.

Nach Vorstellungen des Verbands sollte die Kostenverteilung am besten in einem Integrationsgesetz geregelt werden. Darin sollten nach dem Grundsatz „Fördern und Fordern“ auch die Anforderungen an die Migranten geregelt werden, etwa verpflichtende Integrationskurse. Zudem brachte der Verband eine Residenzpflicht auch für anerkannte Flüchtlinge ins Gespräch, um eine gerechte Verteilung im Land zu erreichen.

Ähnliches habe es bei den Russlanddeutschen und nach dem Zweiten Weltkrieg bei den Vertriebenen gegeben. Eine Zuwanderungs-Obergrenze lehnte Schäfer ab: „Wer eine Obergrenze fordert, soll auch sagen, wie er sie durchsetzen will.“

Wie der Städte- und Gemeindebund forderte auch der Deutsche Städtetag eine bessere Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung. Damit sich die Städte stärker auf die Integration konzentrieren könnten, müssten die Asylverfahren beschleunigt und mehr Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen der Bundesländer geschaffen werden.

Zum Jahresbeginn wurde allerdings das beschleunigte Asylverfahren, das bisher für Syrer, Eritreer und einige Bevölkerungsgruppen aus dem Irak galt, wieder abgeschafft. Seither müssen Asylbewerber wieder persönlich angehört werden. Bisher wurde vielfach nach Aktenlage entschieden. Der Chef des Bundesamts für Migration (Bamf), Frank-Jürgen Weise, räumte ein, dass für jeden Fall nun mehr Zeit aufgewendet werden müsse.

Über die 4000 für dieses Jahr bewilligten neuen Stellen hinaus will er aber keine weiteren Personalforderungen stellen, um den Berg von Hunderttausenden unerledigten Asylanträgen abzubauen.

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