Flüchtlinge Nach fünf Jahren hat jeder Zweite Arbeit

Eine Studie bestätigt, dass die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten viel Zeit braucht. Nicht gebraucht wird das Ein-Euro-Job-Programm der Arbeitsministerin. Die Regierung hat andere Pläne mit dem Geld.

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Langer Atem erforderlich. Quelle: dpa

Berlin Der oft beschworene lange Atem bei der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen muss mindestens für fünf Jahre reichen. Denn dann wird voraussichtlich immerhin jeder zweite  Schutzsuchende im erwerbsfähigen Alter eine Beschäftigung gefunden haben. Darauf deutet eine neue Erhebung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hin.

Die Forscher der Bundesagentur für Arbeit (BA) haben dazu von Juni bis Ende Dezember vergangenen Jahres gut 4.800 Personen befragt, die zwischen Anfang 2013 und dem 31. Januar 2016 als Asylbewerber nach Deutschland eingereist sind. Mit steigender Aufenthaltsdauer steigt dabei auch die Erwerbstätigenquote unter den Geflüchteten. So hatten von den Anfang 2016 eingereisten 15- bis 64-Jährigen bis zum Befragungszeitraum nur sechs Prozent bereits einen Job oder wenigstens ein bezahltes Praktikum gefunden. Bei den 2014 Zugezogenen lag die Erwerbsquote bei zehn Prozent, bei den Ankömmlingen aus 2014 bei 22 Prozent. Von den 2013 eingereisten Flüchtlingen hat bereits ein knappes Drittel (31 Prozent) Arbeit gefunden.  Allerdings ist zu beachten, dass zum Befragungszeitpunkt rund die Hälfte der 2015 Zugezogenen noch im Asylverfahren steckte.

Laut der IAB-Forscher bestätigt die Befragung Ergebnisse aus der Beschäftigungsstatistik. Hier ist allerdings die Flüchtlingseigenschaft nicht direkt erfasst. Vielmehr wird die Erwerbstätigkeit der Zugewanderten aus den wichtigsten Asylherkunftsländern untersucht, die aber nicht alle wirklich als Flüchtling nach Deutschland gekommen sein müssen. Von dieser Gruppe hatten nach fünf Jahren 50 Prozent und nach 15 Jahren knapp 70 Prozent Arbeit gefunden. Die Erwerbsquote entspricht damit nach eineinhalb Jahrzehnten der von Migranten, die nicht geflüchtet, sondern aus anderen Motiven nach Deutschland gekommen sind. Außerdem decken sich die Befragungsergebnisse mit Erfahrungen aus anderen Ländern wie Schweden, das gemessen an der Einwohnerzahl noch mehr Asylbewerber aufgenommen hat als Deutschland.

Die ersten Zahlen sprächen dafür, dass die Arbeitsmarktintegration der in den zurückliegenden zwei Jahren angekommenen Flüchtlinge etwas günstiger verlaufen könnte als die von Asylbewerbern in den 1990er- und 2000er-Jahren. „Ob die weitere Integration ähnlich verlaufen wird, kann heute allerdings noch nicht beurteilt werden“, schreiben die IAB-Forscher. Hohe Investitionen in die Integration und die gute Arbeitsmarktlage ließen einen positiven Verlauf erwarten. Auf der anderen Seite sei aber die Zahl der Flüchtlinge höher als in der Vergangenheit – und damit auch die Konkurrenz um die relativ seltenen Jobs für Geringqualifizierte. „Gesichert ist, dass die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Integration von anderen Migranten“, heißt es in der Studie weiter.


465.000 arbeitsuchende Flüchtlinge

Nach der BA-Beschäftigungsstatistik ist die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von Anfang 2015 bis Ende 2016 allein durch den Zuzug von Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern um 687.000 Personen gestiegen. Die Zahl der Beschäftigten aus diesen Ländern legte im gleichen Zeitraum um 80.000 zu; das heißt nur knapp jeder Achte hat Arbeit gefunden. Einen sozialversicherungspflichtigen Job hatten neun Prozent der in den zwei Jahren eingereisten Flüchtlinge.

Wie auch von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) erwartet, schlägt sich die Fluchtmigration zunächst vor allem in der Arbeitslosenstatistik nieder. Bei der BA waren im März gut 177.000 Geflüchtete arbeitslos gemeldet. Als arbeitsuchend waren gut 465.000 Flüchtlinge registriert. Die Differenz erklärt sich dadurch, dass viele der Schutzsuchenden noch an Integrationskursen oder Fördermaßnahmen teilnehmen und deshalb noch nicht in die Arbeitslosenstatistik eingehen.

Nicht erfüllt haben sich die Erwartungen an das Ein-Euro-Job-Programm für Flüchtlinge. Im Sommer 2016 hatte das Bundeskabinett entschieden, bis Ende 2020 jährlich 100.000 Arbeitsgelegenheiten zu schaffen, und dafür gut eine Milliarde Euro reserviert. Das Programm richtet sich vor allem an Asylbewerber, die noch mitten im Verfahren stecken und nicht regulär arbeiten dürfen. Sie sollten gegen ein kleines Entgelt einfache Tätigkeiten etwa in Flüchtlingsunterkünften übernehmen.

Nach Auskunft des Arbeitsministeriums sind bis zum 27. März aber nur 24.632 Plätze beantragt und 21.021 bewilligt worden. Die geringe Nachfrage führt das Ministerium neben der nötigen Anlaufzeit für jedes neue Programm darauf zurück, dass das Flüchtlingsamt BAMF die Asylverfahren heute deutlich schneller abschließt als noch Mitte 2016. Anerkannte  Flüchtlinge stünden also rascher dem regulären Arbeitsmarkt zur Verfügung. Deshalb sei die Notwendigkeit nicht mehr so groß, Arbeitsgelegenheiten zur Überbrückung der Wartezeit zu schaffen.

Die Bundesregierung wird ab dem kommenden Jahr deshalb 240 Millionen Euro, die ursprünglich für das Ein-Euro-Job-Programm eingeplant waren, den Jobcentern zur Verfügung stellen. Diese könnten das Geld besser nutzen, um Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive zu einer Stelle zu verhelfen, heißt es aus dem Nahles-Ressort. Für Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge stünden trotzdem weiterhin bis zu 60 Millionen Euro jährlich zur Verfügung.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, spricht dagegen von einem „Scheitern mit Ansage“ des Programms. Experten hätten die Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge von Anfang an als arbeitsmarktfern, nutzlos und bürokratisch kritisiert. Schon bei  der Gesetzgebung sei zudem klar gewesen, dass eine Beschleunigung der Asylverfahren Zwischenlösungen für nicht anerkannte Asylbewerber überflüssig machen würde.

„Arbeitsministerin Nahles hätte das Geld von vornherein besser in Sprachkurse, Qualifizierungen und betriebliche Maßnahmen für Asylbewerber und Flüchtlinge investieren sollen. Das ist auch jetzt Gebot der Stunde“, sagte Pothmer. Sie bezweifelt die Darstellung des Ministeriums, dass das Geld, das nun in die Jobcenter fließen soll, tatsächlich der Flüchtlingsintegration zugutekommt. Vielmehr würden mit den Mitteln Haushaltslöcher der chronisch klammen Jobcenter gestopft.        

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