Flüchtlingsamt-Chefin Jutta Cordt "Es gibt kein Ende"

Jutta Cordt ist die neue Präsidentin des Flüchtlingsamtes BAMF. Sie soll die Reformen ihres Vorgängers bewahren, aber auch Wunden heilen, die er geschlagen hat.

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Jutta-Cordt Quelle: Foto: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Irgendwo, irgendwann, am Ende eines Flurs, der zuläuft wie ein langer, enger Tunnel, ist da plötzlich eine Tür. Sie geht auf und offenbart einen Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart dieses Amtes aufeinanderprallen wie nirgendwo sonst: Man tritt in einen Saal, dessen turnhallenhafte Ausmaße noch den Überwältigungsgeist und das böse Pathos seiner Erbauer spüren lassen. Ganz versteckt in einer Ecke befindet sich im Parkett eine kleine Aussparung, unter der noch der ursprüngliche Marmorboden zu sehen ist. Darin eingelassen ist ein Hakenkreuz. Dies hier war einst eine SS-Kaserne.

Und dann dieser Kontrast: Dutzende Meter Nullachtfuffzehn-Schreibtische stehen im Raum, Kante an Kante, davor blaue Bürostühle in Reih und Glied und das Leuchten ebenso vieler PC-Bildschirme, an denen Menschen still ihrer Arbeit nachgehen. Und still heißt in diesem Fall: still. Das Innenleben dieses mächtigen Saals ist ein Provisorium, ganz offensichtlich ein Ausweichquartier und gleichzeitig so ordentlich und ernsthaft-emsig, wie man es von einer deutschen Behörde erwartet.

Wenn es das denn wäre – eine normale Behörde. Und nicht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das BAMF. Dieses BAMF in Nürnberg war das bürokratische Sinnbild des Flüchtlingschaos 2015. Der Ort der totalen Überforderung. Eine Verwaltungsmaschinerie, die im Angesicht von rund einer Million Asylbewerbern nicht einfach nur ins Stocken geriet, sondern implodierte. Und die nun versucht, aus einem Ausnahmezustand wieder Alltag werden zu lassen, aus Chaos Kontrolle.

Wo Flüchtlinge in Deutschland wohnen
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Und zwar mit ihr: Jutta Cordt, 53 Jahre, zuvor mehr als zehn Jahre Topmanagerin bei der Bundesagentur für Arbeit. Sie ist die Frau, die die verlorene Ehre der deutschen Bürokratie retten soll. Was sie dafür mitbringt, ahnt man schon, wenn man ihrem zügigen Schritt über die Fluchten folgt und ihre Antwort auf die Frage hört, ob noch die Unternehmensberater im Haus sind.

Ja. Is’ auch gut so.

Sie schiebt dem Satz nichts mehr hinterher. Aber ihr Ton klingt so, als denke sie sich schon noch mehr dabei. Nämlich: Ein bisschen Feuer hat noch keinem geschadet. Jutta Cordt hat aus ihrer Ruhrpott-Heimat Herne jedenfalls eine charmante Kompromisslosigkeit ins Fränkische gerettet.

Jutta Cordt ist die neue Chefin des Flüchtlingsamtes BAMF und übernimmt von Frank-Jürgen Weise. Der hat als Krisenmanager in Nürnberg viel erreicht. Aber es bleiben mehr als genug Baustellen.
von Max Haerder

Man kann trotzdem gut verstehen, dass Cordt nicht einfach unumwunden Ja sagte, als ihr langjähriger Vorgesetzter Frank-Jürgen Weise sie im Herbst 2015 fragte, ob sie sich auf das Amt der Präsidentin bewerben wolle – ob sie sich vorstellen könne weiterzuführen, was er begonnen hat. Weise, eigentlich Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), hatte zu dem Zeitpunkt gerade selbst erst als Krisenmanager im BAMF übernommen. Auf Wunsch der Bundeskanzlerin – und mit der stillschweigenden Übereinkunft, zu tun, was getan werden musste.

Als Weise vor einigen Wochen in einem Festakt verabschiedet wurde, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière in seine Richtung, er habe „sich und andere nicht geschont“. Viele dieser anderen waren von Weises Gebaren gelinde gesagt nicht begeistert. Dass er seine BA als Musterbeispiel einer effizienten, geölten Verwaltung pries, gegen die das BAMF aussah wie eine Rostlaube, hat Spuren hinterlassen. Das weiß auch Cordt. Es gehört zweierlei zu Weises Nachlass: eine gewaltige Reformanstrengung und eine Stimmungshypothek.

Per Fingerabdruck sind inzwischen die meisten Flüchtlinge in Deutschland erfasst. Doch nicht alle Behörden sind schon in der Lage, die Daten miteinander zu vergleichen und auszutauschen.

WirtschaftsWoche: Frau Cordt, in diesem Haus kursiert das Wort von der „BA-isierung“ des BAMF. Sie wissen, dass das nicht als Lob gemeint ist?

Jutta Cordt: Keine Sorge, das weiß ich. Deshalb habe ich den Begriff bei meinem ersten Auftritt vor den Führungskräften selber aufgenommen. Ich halte nichts davon, Dinge zu verschweigen, Probleme und Konflikte schon gar nicht.

Wie haben die Kollegen denn reagiert? Der Ausdruck war ja eine Reaktion – nämlich darauf, schlechtgemacht worden zu sein.

Ja, diese Eindrücke gab es. Aber ich persönlich habe keine Widerstände erlebt. Am Anfang habe ich viel Zeit darauf verwendet, durch das Haus zu gehen und so viele Mitarbeiter wie möglich persönlich kennenzulernen. Ich bin hier richtig getingelt. Und nirgendwo habe ich Zurückhaltung oder gar Antipathie gespürt. Dafür bin ich sehr dankbar.

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