Flüchtlingsdebatte in der Union Briefe-Schlacht für und gegen Merkel

Ist der Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise der richtige? Auch in den eigenen Reihen gibt es schwere Bedenken. Ihre Kritiker setzen Brandbriefe auf – Unterstützer halten dagegen. Die Frage ist: Wie lange noch?

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Der CDU-Abgeordnete Martin Patzelt mahnte seine Parteifreunde, die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin zu achten. Quelle: dpa

Berlin Kritiker und Unterstützer des Flüchtlingskurses von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Unionsfraktion liefern sich mit gegensätzlichen Briefen einen Schlagabtausch. Etwa 50 der 310 Abgeordneten von CDU und CSU schlossen sich bis Montagabend nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin einer Unterschriftenaktion gegen den Kurs Merkels an. Der CDU-Abgeordnete Martin Patzelt sagte der dpa, er habe auf seinen Unterstützungsbrief für Merkel von gut 40 Kollegen positive Rückmeldungen erhalten.

In den Reihen der Initiatoren des Merkel-kritischen Schreibens hatte man gehofft, wesentlich mehr CDU/CSU-Parlamentarier zu einer Unterschrift bewegen zu können. Der Brief soll die Kanzlerin im Laufe des heutigen Dienstags erreichen. Am Montag war den Kritikern Merkels in den CDU-Spitzengremien heftige Kritik entgegengeschlagen.

Aus Kreisen der Initiatoren des Briefes mit Kritik am Kurs der Kanzlerin hieß es, die Unterschriftenwerbung sei eher schleppend verlaufen. Viele Abgeordnete hätten trotz der Transparenz der Aktion möglicherweise darauf gewartet, dass ihnen der Brief persönlich vorgelegt werde. Verwunderung wurde dort über die Zurückhaltung der CSU-Abgeordneten geäußert. Andere Merkel-Kritiker sprachen dagegen von einem Riesenerfolg. Wichtige CSU-Bundestagsabgeordnete wie der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, Fraktionsjustiziar Hans-Peter Uhl und der Vorsitzende der CSU-Mittelständler, Hans Michelbach, hätten unterzeichnet.

Die Initiatoren der Aktion gegen Merkels Flüchtlingskurs hatten ihren Vorstoß vergangene Woche entschärft. Sie wollten zunächst in der Fraktion über einen Antrag abstimmen lassen, der auf ein Zurückweisen von Flüchtlingen an der Grenze abzielte. Nun heißt es in dem der dpa vorliegenden Schreiben: „Wir stehen vor einer Überforderung unseres Landes. Deshalb halten wir eine Änderung der derzeitigen Zuwanderungspraxis (...) durch die Rückkehr zur strikten Anwendung des geltenden Rechts für dringend geboten.“


CSU-Abgeordnete setzten eigenes Schreiben auf

Patzelt sprach dagegen von einer „populistischen Aktivität“ seiner Kollegen. Eine solche Aktion verwirre Bürger und Unionsanhänger. In seinem Brief hatte er geschrieben: „„Kraftakte gegen die Richtlinienkompetenz unserer Kanzlerin, seien sie durch persönliche Frustrationen in der Abgeordnetenbiografie oder wegen persönlich gegensätzlicher Auffassungen einem Ohnmachtsempfindungen geschuldet, werden letztlich uns allen schaden.“

Mehr als 30 CSU-Landtagsabgeordnete haben derweil ein eigenes Schreiben aufgesetzt, das der Kanzlerin bei ihrem Besuch der CSU-Fraktionsklausur am Mittwoch in Wildbad Kreuth übergeben werden soll. Auch sie fordern eine Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik – und eine Obergrenze für die Zuwanderung. „Mehr als 200.000 Zuwanderer pro Jahr – seien es Bürgerkriegsflüchtlinge oder Asylsuchende – kann Deutschland nicht verkraften“, heißt es in dem Schreiben. „Wir haben die große Befürchtung, dass ohne eine schnelle Begrenzung in 2016 noch weit mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen werden als im Jahr 2015.“ Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Die Abgeordneten beschreiben mit teils drastischen Worten, wie schlecht aus ihrer Sicht die Stimmung in der Bevölkerung ist. „Was uns zu diesem Brief bewegt, ist die tiefe Sorge um die Zukunft unseres Landes“, heißt es gleich zu Beginn. Und: „Das Stimmungsbild in der Bevölkerung ist so schlecht wie nie zuvor. Die Ängste vor der Zukunft, mittlerweile aber auch die Verzweiflung und die Wut der Bürger, sind mit Händen greifbar. Tag für Tag erreichen uns die Bitten unserer Bürger, die Politik möge jetzt endlich handeln!“

Die CSU-Abgeordneten warnen Merkel eindringlich und betonen: „Wir haben größte Befürchtungen, dass es spürbare Leistungskürzungen für die Bürger geben wird, um die großen Herausforderungen der Flüchtlingskrise zu bewältigen. Das würde die Solidarität der Bevölkerung zerstören, letztlich extreme Parteien stärken und damit die Demokratie insgesamt gefährden.“ Das könne man nicht hinnehmen. Es gehe um eine „Schicksalsfrage dieser Republik“.

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