
Markus Söder, bayerischer Staatsminister der Finanzen, Landesentwicklung und Heimat, hat eine Lösung parat, wie der Flüchtlingskrise beizukommen sei. „Schutzzäune“ müssten her, posaunte er gerade, nur so ließe sich der Zustrom von Flüchtlingen an Deutschland aufhalten. Nebenbei stellte der Bayer mal eben das Grundrecht auf Asyl in Frage, die Deutschen könnten ja schlecht die ganze Welt retten.
Erstes Opfer in einer Krise ist oft die Sprache, das ist in diesen Tagen nicht anders. „Schutzzäune“, das hört sich nach Quarantäne an, nach Abgrenzung, nach Angst vor Ansteckungsgefahr. Dennoch hat Söder die Stimmung, wohl eher unfreiwillig, auf den Punkt gebracht. In der deutschen Politik wimmelt es derzeit von Schutzzäunen, die meisten formieren sich um die Kanzlerin.
Status und Schutz von Flüchtlingen in Deutschland
Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Viele von ihnen dürfen nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen bleiben. Dabei reicht die Spannbreite vom Asylstatus bis zu einer befristen Duldung mit drohender Abschiebung.
Flüchtlinge, die in ihrem Heimatländern politisch verfolgt werden, haben laut Artikel 16 a des Grundgesetzes Anspruch auf Asyl. Hierfür gibt es allerdings zahlreiche Schranken, die Ablehnungsquote bei Asylanträgen liegt bei 98 Prozent. Schutz und Bleiberecht etwa wegen religiöser Verfolgung oder der sexuellen Orientierung wird auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt. Für die Praxis spielt die genaue rechtliche Grundlage allerdings keine Rolle: Anerkannte Asylberechtigte erhalten gleichermaßen eine Aufenthaltserlaubnis, die nach drei Jahren überprüft wird. Auch bei den staatlichen Unterstützungsleistungen, etwa Arbeitslosengeld II oder Kindergeld, gibt es keine Unterschiede.
Sogenannten subsidiären, also nachrangigen, Schutz erhalten Flüchtlinge, die zwar keinen Anspruch auf Asyl haben, in ihrer Heimat aber ernsthaft bedroht werden, etwa durch Bürgerkrieg oder Folter. Sie sind als „international Schutzberechtigte“ vor einer Abschiebung erst einmal sicher und erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst ein Jahr. Die Erlaubnis wird verlängert, wenn sich die Situation im Heimatland nicht geändert hat.
Eine Duldung erhält, wer etwa nach einem gescheiterten Asylantrag zur Ausreise verpflichtet ist, aber vorerst nicht abgeschoben werden kann. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn kein Pass vorliegt oder es keine Flugverbindung in eine Bürgerkriegsregion gibt. Fällt dieses sogenannte Hindernis weg, droht dem Betroffenen akut die Abschiebung. Zu den Hindernissen für eine Abschiebung zählt unter anderem auch der Schutz von Ehe und Familie. Beispielweise kann ein Ausländer, der hier mit einer Deutschen ein Kind hat, nicht ohne weiteres abgeschoben werden.
Immer mehr Parteifreunde bis Politfeinde gehen nämlich auf Distanz zu Angela Merkel. Erst waren es nur die üblichen Abweichler, wie Eurorebell Klaus-Peter Willsch, der das Aussprechen „unbequemer Wahrheiten“ von ihr einforderte. Dann häuften sich in Berlin Hintergrundrunden, in denen Merkels Satz „Wir schaffen das“ mit dem VW-Skandal in Verbindung gebracht wurde – so wie der entzauberte Volkswagen-Chef Winterkorn mit seinem Ziel der Weltmarktführerschaft habe Merkel mit ihren Worten Ziele gesetzt, die nur noch mit unlauteren Mitteln zu erreichen seien.
Schließlich kamen die Einschläge immer näher. CDU-Parteivize Julia Klöckner dachte laut über eine Art Hausordnung für Flüchtlinge nach. Der sonst loyale Merkel-Innenminister Thomas de Maizière schimpfte öffentlich über Flüchtlinge, die sich prügelten und Geld für Taxifahrten verschwendeten. Und Unionsfraktionsvize Thomas Strobl sah sich zur Klarstellung genötigt, in Deutschland mache nicht der Prophet die Gesetze.
Auch Sigmar Gabriel, der Merkel als SPD-Chef in schon beinahe vergessenen Balanceakten wie der Euro-Krise treu zur Seite stand, sprach auf einmal davon, Deutschland nähere sich mit „rasanter Geschwindigkeit“ den Grenzen seiner Möglichkeiten - und forderte eine offene Debatte über die Probleme und Ängste in der Bevölkerung. Bundespräsident Joachim Gauck hatte da schon, auch an die Adresse der Regierungschefin, erklärt, das Herz der Deutschen sei weit, aber ihre Möglichkeiten endlich.
Auf ihren Parteifreund Horst Seehofer, den Chef von Söder, kann Merkel eh nicht mehr zählen. Der CSU-Chef hatte ihre Flüchtlingspolitik früh als „Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird“ verdammt und legt seither beinahe täglich nach. Bei einer Schalte der CSU-Spitze sagte Seehofer laut BILD-Zeitung: „Die Kanzlerin hat sich meiner Überzeugung nach für eine Vision eines anderen Deutschland entschieden“. Ein echter Affront.
Hinzu kamen die Berichte über angebliche neue Behördenschätzungen, der Flüchtlingsstrom nach Deutschland könne in diesem Jahr die Marke von 1,5 Millionen Menschen erreichen. Das geheime Papier, über das die BILD-Zeitung berichtete, wollte Innenministeriums-Sprecher Harald Neymanns zwar ausdrücklich nicht bestätigen, räumte jedoch ein, dass im September ein neues Rekordhoch beim Zustrom Asylsuchender verzeichnet wurde. Genaue Zahlen dazu soll es noch in dieser Woche geben. Offiziell bleibt die Schätzung also bei 800.000 Asylsuchenden für 2015, aber Zweifel an der Prognose nehmen zu.
Vor allem aber droht die Kanzlerin das Volk zu verlieren. Erst rutschte Merkel auf der SPIEGEL-Treppe der beliebtesten Politiker böse ab. Im ZDF-Politbarometer fiel die Kanzlerin ebenfalls auf Platz vier zurück, die schlechteste Platzierung in dieser Legislaturperiode. Und im ARD-Deutschlandtrend waren 51 Prozent der Befragten mit der Regierungskoalition nicht zufrieden, sieben Punkte mehr als noch vor einem Monat. Großer Gewinner in den Umfragen hingegen: Dauer-Kritiker Seehofer.