Flücthlinge Das steht im Ayslpaket II

Familiennachzug, Integrationskurs, Abschiebung: Die Große Koalition einigt sich nach monatelanger hitziger Debatte auf weitere Asylverschärfungen. Ein Überblick.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Nach monatelangen Auseinandersetzungen haben sich die Koalitionsspitzen auf weitere Asylrechtsverschärfungen verständigt. Quelle: dpa

Berlin Nach monatelangen Auseinandersetzungen haben sich die Koalitionsspitzen auf weitere Asylrechtsverschärfungen verständigt. „Das Asylpaket II, das steht jetzt, und das kann sehr schnell durchs Kabinett“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Donnerstagabend nach einem Treffen mit CDU-Chefin Angela Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Die Koalition vereinbarte auch bereits weitere Gesetzesvorhaben, wie die Einstufung zusätzlicher Länder als „sichere Herkunftsstaaten“. Bund und Länder wollen außerdem gemeinsam ein Integrationsprogramm erarbeiten.

Die Kanzlerin sagte, die Koalition, aber auch alle staatlichen Ebenen seien „sehr handlungsfähig“ in der Flüchtlingskrise. Merkel, Gabriel und Seehofer hatten sich bereits vor knapp drei Monaten in den Grundzügen auf das Asylpaket II verständigt, das im Wesentlichen die Einrichtung neuer Aufnahmestellen mit Schnellverfahren für bestimmte Flüchtlingsgruppen vorsieht. Über weitere Punkte - vor allem den Familiennachzug - war danach aber großer Streit ausgebrochen.

AUFNAHMEZENTREN: Kern des Pakets sind spezielle Aufnahmezentren, von denen bundesweit drei bis fünf entstehen sollen. Auf diese hatten sich die Parteichefs bereits im November als Kompromiss im Streit um die von der Union geforderten Transitzonen verständigt.

BESCHLEUNIGTE VERFAHREN: In den Zentren sollen bestimmte Gruppen von Asylbewerbern Schnellverfahren durchlaufen. Dazu gehören Menschen aus sicheren Herkunftsländern, mit Wiedereinreisesperren oder Folgeanträgen. Aber auch Asylsuchende, die keine Bereitschaft zur Mitwirkung zeigen, falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht oder Dokumente mutwillig vernichtet haben, sollen darunter fallen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll über ihre Anträge vor Ort innerhalb von einer Woche entscheiden. Inklusive eines möglichen Widerspruchs vor dem Verwaltungsgericht soll das Verfahren innerhalb von drei Wochen beendet sein. Abgelehnte Asylbewerber sollen möglichst direkt aus den Einrichtungen zurückgebracht werden.

RESIDENZPFLICHT: Für die Dauer des Verfahrens und gegebenenfalls bis zur Ausreise sind die Personen verpflichtet, sich nur im Bezirk der jeweiligen Ausländerbehörde aufzuhalten. Bei Verstößen riskiert der Asylbewerber, dass sein Verfahren eingestellt wird.


Familiennachzug, Integrationskurs, Abschiebung

FAMILIENNACHZUG: Für Flüchtlinge mit dem geringsten subsidiären Schutz soll der Nachzug von Familienmitgliedern für zwei Jahre ausgesetzt werden. Dabei handelt es sich um Personen, die nicht unmittelbar persönlich verfolgt sind und deshalb weder Schutz als Flüchtling noch nach dem Asylrecht erhalten. Wenn ihnen dennoch im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht, wird ihnen der subsidiäre Schutz zuerkannt.

Die Einschränkung des Familiennachzugs für diesen Personenkreis war zum Schluss der Hauptknackpunkt. Die SPD hatte eigentlich erreichen wollen, dass Syrer von der Regelung ausgenommen werden, was die CSU aber nicht mitmachte. Der Kompromiss sieht nun vor, dass innerhalb künftiger Kontingente von Flüchtlingen, die der Türkei, dem Libanon oder Jordanien abgenommen werden, „der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt“ werden soll.

Erst zum 1. August vergangenen Jahres waren subsidiär Schutzbedürftige beim Familiennachzug anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt worden, wodurch sie in der Regel Ehepartner und Kinder nachholen dürfen. Nach Ablauf der zwei Jahre soll diese Rechtslage automatisch wieder in Kraft treten.

INTEGRATIONSKOSTEN: Flüchtlinge müssen sich künftig an den Kosten von Sprach- und Integrationskursen mit zehn Euro im Monat beteiligen. Der Betrag wird ihnen von den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz abgezogen.

ABSCHIEBUNGEN: Generell sollen Abschiebungen erleichtert werden. Die Bundesregierung will dazu die Rahmenbedingungen für ärztliche Atteste präzisieren, mit denen Flüchtlinge ihre Abschiebung verhindern können. Einem Gesetzentwurf von Mitte Januar zufolge sollen grundsätzlich nur lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Rückführung verhindern können. Eine ärztliche Bescheinigung muss künftig bestimmten Kriterien entsprechen, um die Erkrankung glaubhaft zu machen.

ARBEITSMARKT: In einem weiteren Gesetz soll mehr Rechtssicherheit für Flüchtlinge, die eine Lehre in Deutschland machen und ihre Ausbildungsbetriebe geschaffen werden. Laut Vizekanzler Sigmar Gabriel soll ein Migrant nach der Ausbildung unabhängig von seinem Status zwei Jahre in Deutschland arbeiten können. Das Alter, bis zu dem Flüchtlinge eine Lehre aufnehmen dürfen, werde von 21 auf 25 heraufgesetzt.


Seehofer ist zufrieden

SICHERE HERKUNFTSSTAATEN: Marokko, Tunesien und Algerien sollen per Gesetz zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Die Asylverfahren für Personen aus diesen Ländern werden dadurch beschleunigt. Die Regelung soll aber nicht ins Asylpaket aufgenommen werden, weil es sonst die Zustimmung des Bundesrats benötigen würde, wo Union und SPD keine eigene Mehrheit haben.

Seehofer erklärte: „Ich bin hoch zufrieden.“ Die Verzögerung habe nicht die CSU zu vertreten, die sich zu jedem Zeitpunkt an November-Vereinbarung gehalten habe. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte: „Der Beschluss trägt dazu bei, unser Ziel zu erreichen: die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber spürbar zu reduzieren.“

Die Koalitionäre verständigten sich zusätzlich darauf, in einem nächsten Gesetzesvorhaben bessere Bedingungen für junge Flüchtlinge zu schaffen, die in Deutschland eine Ausbildung machen. Sie sollen laut Gabriel nach einer erfolgreichen Lehre künftig zwei Jahre in Deutschland arbeiten dürfen.

Union und SPD wollen außerdem Marokko, Algerien und Tunesien als weitere „sichere Herkunftsstaaten“ einstufen, um Asylbewerber von dort schneller wieder in ihre Heimat zurückzuschicken. Die Zahl der Asylbewerber aus Marokko und Algerien war Ende des vergangenen Jahres deutlich gestiegen, die Zahlen aus Tunesien allerdings kaum.

Merkel äußerte sich nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder zuversichtlich, dass im Bundesrat die nötige Mehrheit für die Einstufung der nordafrikanischen Länder zusammenkommt. „Ich sehe ganz gute Chancen“, sagte sie. Die Bundesregierung werde dazu schnell einen Gesetzentwurf ins Kabinett einbringen.

Bund und Länder vereinbarten außerdem, einen Integrationsplan zu erarbeiten. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern beider Seiten soll bis Ende Februar erste Eckpunkte und bis Ende März ein Konzept vorlegen.

Die SPD fordert angesichts der hohen Flüchtlingszahlen ein milliardenschweres Programm, um neue Kita-Plätze, Erzieherstellen und Wohnungen zu finanzieren. Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) sagte, über die finanzielle Größenordnung sei noch nicht gesprochen worden. Das sei nun Aufgabe der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Die Einrichtung der Runde sei ein großer Schritt hin zur „Beherrschbarkeit der Situation“. Ohne die Hilfe des Bundes könnten Länder und Kommunen die Herausforderungen nicht bewältigen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%