




Die Fenster und Türen der Wohnungen in der Klosterstraße in Grimma stehen offen, um die Räume zu trocknen. Der nasse Beton an den Fassaden zeigt, dass das Wasser wieder kopfhoch stand. Abgebrochene Mauerfundamente liegen auf der Straße, hier und da ein Haufen Kopfsteinpflaster. Es sind lautlose Zeichen der Hochwasserkatastrophe in Grimma. Das Wasser ist seit Tagen abgelaufen. Die Mulde fließt wieder ruhig an der Stadt vorbei. Transparente an den Häuserfassaden erinnern daran, dass die Natur in der sächsischen Kleinstadt wieder zugeschlagen hat. „2002...2013 Trotzdem, danke allen Helfern“ steht auf dem einen. „Wir machen weiter“ auf einem anderen, „…und wir schaffen das wieder“ auf einem weiteren.
Elf Jahre nach der verheerenden Jahrhundertflut 2002 steht die Stadt Grimma schon wieder vor einem Neubeginn. Teile der Stadt waren überflutet. Der Pegel stand nur anderthalb Meter niedriger als 2002. Und doch hat die Stadt ihr idyllisches Aussehen teils wiedererlangt. „Die Grimmaer sind stolz auf ihre Stadt und zäh“, sagt Oberbürgermeister Matthias Berger. „Hier wird nicht gequatscht, hier wird gemacht.“
Vor allem zehre die Stadt von den Erfahrungen der letzten Katastrophe. Damals entstand ein Schaden in Höhe von mehr als 250 Millionen Euro. Die anschließenden Investitionen lagen höher. „Die Verluste wurden zu 100 Prozent kompensiert“, sagt Berger. Die Landesregierung lasse durchblicken, dass es diesmal wieder so kommt.

Mehr als elf Milliarden Euro
Die Hoffnung ist in allen betroffenen Gebieten der Hochwasserkatastrophe spürbar – von Bayern bis Mecklenburg-Vorpommern. Auf mehr als elf Milliarden Euro schätzen Experten den volkswirtschaftlichen Schaden der derzeitigen Flut – und damit höher als 2002. In den kommenden Monaten wird investiert, gebaut, malocht. Für die betroffenen Regionen wirken Naturkatastrophen oft wie ein reinigendes Gewitter. Langfristig erhöhen sie sogar das volkswirtschaftliche Wachstum.
Grimma könnte unfreiwillig zu einem lebhaften Symbol von Verwüstung und Wiederaufbau werden. Die zentrale Pöppelmannbrücke, 2002 völlig zerstört, wurde für Fußgänger und Radfahrer für sechs Millionen Euro saniert – und trotzte jetzt den Wassermassen. Ein 65 Meter langer Stahlträgerbogen verbindet die beiden Barocktürme links und rechts am Ufer. Die Stadt erneuerte neun Kilometer Straßen und knapp vier Kilometer Gehwege – so fest, dass die aktuelle Flut ihnen kaum etwas antun konnte. Die historische Altstadt erstrahlt heute in neuem Glanz – schöner als vor 2002. „Cafés und Geschäfte haben sich erst nach dem Wiederaufbau 2002 angesiedelt“, sagt Berger. Auf 200 Millionen Euro schätzt der Oberbürgermeister den Schaden diesmal. „In drei Jahren könnte das Gröbste bereinigt sein“, so Berger. In jeder Krise steckt eine Chance. Grimma will sie erneut ergreifen.