Föderalismus Die Ministerpräsidenten spielen ihre Macht aus

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Länderwunsch: Die Finanzausstattung komplett ändern

So hat sich der Staatshaushalt in den letzten Jahren entwickelt
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich sowohl vor als auch nach der Wahl gegen Steuererhöhungen ausgesprochen. "Ich als Finanzminister sage: Dieses Land hat einen gesamtstaatlichen Überschuss. Bei einem vernünftigen Haushaltsgebaren ist unser Staat gut zu finanzieren. Es bedarf keiner Steuererhöhungen", so Schäuble im Interview mit der WirtschaftsWoche. Er warf SPD und Grünen vor, sie könnten nicht mit Geld umgehen, wenn sie höhere Steuern für nötig hielten. Doch jetzt lenkt auch SPD-Chef Sigmar Gabriel ein und sagt: "Steuererhöhungen sind kein Selbstzweck." Ein Blick auf die Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben Deutschlands zeigt, dass die Einnahmen in den letzten Jahren tatsächlich stetig gestiegen sind. Quelle: dpa
2005 nahm Deutschland gut 250 Milliarden Euro ein und gab 281,5 Milliarden Euro aus. Der Saldo im Haushaltsjahr betrug also 31,5 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Im Krisenjahr 2009 ist der deutsche Staatshaushalt noch tiefer in die roten Zahlen gerutscht. 282,6 Milliarden Euro nahm der Bund über Steuern ein, 317,1 Milliarde Euro gab er aus. Das Defizit betrug also 34,5 Milliarden Euro. Quelle: dpa
2010 betrug der Saldo sogar 44,4 Milliarden Euro: 333,1 Milliarde Ausgaben standen 288,7 Milliarden Euro Einnahmen gegenüber. Schuld an dem Ausgabenüberschuss sind mitunter Wahlgeschenke wie das 2007 eingeführte Elterngeld, dass den Bund jährlich 4,5 Milliarden Euro kostet oder die Rentengarantie, die 2009 ins Leben gerufen wurde: Sie kostet jährlich gut drei Milliarden Euro. Steuersubventionen wie die Absetzbarkeit der Kirchensteuer belasten den Bundeshaushalt mit 2,8 Milliarden Euro. Quelle: dapd
2011 war die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben dann schon deutlich geringer: Zwischen Einnahmen (351,1 Milliarden Euro) und Ausgaben (363,5 Milliarden Euro) lagen bloß noch 12,4 Milliarden Euro Unterschied. Trotzdem könnte der Staat jährlich bis zu 60 Milliarden Eurosparen, würde er die Steuerausnahmen für die Industrie und Entlastungen wie beispielsweise bei Strom und Energie streichen. Quelle: dpa
2012 betrug die Differenz zwischen Einnahmen (337,9 Milliarden Euro) und Ausgaben (356,4 Milliarden Euro) 18,5 Milliarden Euro. Damit waren sowohl Einnahmen als auch Ausgaben niedriger als im Jahr davor. Dafür fiel der Saldo höher aus. Quelle: REUTERS

Das weckt Begehrlichkeiten. Denn bei den Ländern ist die Lage deutlich schwieriger. Zwar geht auch bei ihnen die Neuverschuldung zurück, aber die Ministerpräsidenten und ihre Finanzminister fürchten die Zeitbomben in ihren Etats. Weil Länder und Kommunen den Großteil des Beamtenheeres und der sonstigen öffentlich Bediensteten unterhalten, stehen sie auch für die wachsenden Pensionslasten gerade.

Und vor allem: Die Schuldenbremse im Grundgesetz knebelt die Länder erheblich stärker als den Bund. Denn während der jederzeit neue Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – rund 9,5 Milliarden Euro – ordern darf und weitere Schlupflöcher nutzen kann (siehe WirtschaftsWoche 43/2013), dürfen die Länder ab 2020 keinen Cent mehr zusätzlich aufnehmen.
Finanzen: Armrechnen

Entsprechend wollen die Länder die Finanzausstattung völlig neu justieren: Systematisch richtig wäre es, die Zuständigkeiten sauber zu trennen und jeder Ebene so viel Geld zuzuordnen, dass jeder seine Aufgaben erledigen kann. Aber ein solcher Neustart ist unwahrscheinlich. Denn dann müssten auch die Steuereinnahmen neu verteilt werden. Bisher fließen Mehrwert-, Kapitalertrag- sowie Lohn- und Einkommensteuer zu unterschiedlichen Prozentsätzen an die drei Ebenen des Staates. Die Körperschaftsteuer gehört hälftig Bund und Ländern.

In den vergangenen Jahren haben die Länder dem Bund schon finanzielle Zugeständnisse abgerungen. So steigerte er seine Zahlungen für die Wohnkosten der Hartz-IV-Empfänger und übernahm das Bildungspaket für Kinder armer Familien. Auch die Grundsicherung im Alter – die Sozialhilfe für Rentner – zahlt Schäuble. Dafür reduzierte der Bund seinen Beitrag für die Arbeitsförderung. Und mit den Entflechtungsmitteln versüßte der Bund den Ländern seinen Rückzug aus der Finanzierung kommunaler Verkehrswege.

In der nächsten Runde wollen die Länder erreichen, dass der Bund auch die Kosten für die Eingliederung Behinderter übernimmt. Und ein noch drückenderes Problem: die Altschulden der Länder.

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz hatte einen Tilgungsfonds vorgeschlagen, in dem die Altschulden der Länder zusammengefasst werden. Gespeist werden soll er aus den Mitteln des heutigen Solidarpaktes II, mit dem bisher die neuen Länder unterstützt werden. Der läuft 2019 aus. Diese Gelder sollten dann für die Bedienung der Altschulden bereitstehen und direkt vom Bund verwaltet werden.

Die SPD-Länder sind sich da weitgehend einig, auch die saarländische CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hegt Sympathien. Praktisch für die Länder: Verhandlungsführer der SPD in allen Finanzfragen und damit Gegenspieler von Wolfgang Schäuble ist – der Hamburger Scholz.

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