WirtschaftsWoche: Herr Dolls, Sie stellten bei Ihren Untersuchungen zum umstrittenen Berliner Mietendeckel einen Einbruch auf dem Wohnungsmarkt nach der Einführung des Mietdeckels fest?
Mathias Dolls: Zumindest einen starken Rückgang. Wir haben die Entwicklungen in Berlin mit den 13 nächstgrößeren Städten in Deutschland verglichen. Während die Anzahl an Wohnungsanzeigen in diesen Städten relativ konstant blieb, gab es in Berlin einen steten Abwärtstrend. Er begann zum Teil schon vor der Ankündigung eines Mietendeckels, nahm aber erst danach an Fahrt auf. Da entstand also eine Angebotsschere zwischen der Hauptstadt und dem Rest des Landes. Eine neue Wohnung in Berlin zu finden, wurde durch den Mietendeckel schwieriger.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Eine Hypothese lautet, dass Besitzer ihre Mietwohnungen nach der Deckel-Ankündigung in Eigentumswohnungen umgewandelt haben. Dafür spricht, dass die Anzahl der Verkaufsannoncen im selben Zeitraum stark gewachsen ist. Auch das war in den anderen Städten nicht der Fall. Eine andere plausible Erklärung liefern sogenannte Lock-In-Effekte. Wenn ich als Mieterin oder Mieter in den Genuss einer regulierten Wohnung komme, die dank eines Deckels niedrige Mietpreise hat, dann will ich natürlich nicht ausziehen.
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Und dadurch ebbt der Mietmarkt ab, weil keine Wohnungen mehr frei werden?
Genau. Letztendlich können beide beschriebenen Effekte eine Rolle dafür gespielt haben, dass die Anzahl an Mietangeboten im Zuge des Mietendeckels in Berlin erst rückläufig war und dann auf niedrigem Niveau stagnierte.
Ihre Ergebnisse klingen wie ein Dilemma: entweder hohe Mieten und dafür ein gutes Angebot – oder Mietendeckel und Marktflaute?
Ich weiß nicht, ob ich das als Dilemma bezeichnen würde. Der Mietendeckel hat zumindest temporär zu einer Entlastung der Bestandsmieter geführt, die in den Genuss dieser Regulierung gekommen sind. Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Deckel hatte gleichzeitig eine Menge unerwünschter Nebeneffekte. Das hätte den Planern ein Blick in die ökonomische Literatur übrigens auch zeigen können. Die Folgen von Mietregulierungen sind gut dokumentiert, die Ergebnisse beziehen sich aber meist auf die USA. In den 1990er-Jahren in San Francisco sah man bei vorgegebenen Höchstpreisen ähnliche Auswirkungen.
Sie beschreiben in Ihrer Studie auch Effekte auf Wohnungen, die gar nicht unter den Mietendeckel gefallen sind?
Richtig, wir haben auch Wohnungen untersucht, die erst nach dem 1. Januar 2014 bezugsfähig wurden und damit nicht Teil des Deckels waren. Nach dessen Einführung 2020 stiegen die Preise dieser Wohnungen in Berlin stark an. Auch hier könnte die Knappheit an Wohnraum eine Erklärung liefern. Die Konkurrenz um die wenigen Angebote im regulierten Segment stieg sprunghaft an. Ein Nachfrageüberhang also. Die Menschen mussten mieten, was zur Verfügung stand, also auch auf das unregulierte Segment ausweichen.
Die Mietpreisbremse existiert nicht mehr. Hat sich die Lage wieder beruhigt?
Es nähert sich langsam an. Aber die Mietpreise der gerade beschriebenen Wohnungen nach 2014 steigen noch immer stärker an als in anderen deutschen Städten. Berlin blieb hier teurer.
Der Mietendeckel scheiterte an juristischen Problemen, die Idee an sich bleibt auf dem Tisch. Was sind Ihre Empfehlungen, falls es zu einem neuen Versuch kommt?
Ich würde schlicht abraten. Mietendeckel führen zu äußerst unerwünschten Nebeneffekten. Das zeigen unsere Ergebnisse klar. Die Verknappung am Wohnungsmarkt wirkt in Berlin bis heute nach. Menschen, die jetzt suchen, haben es deshalb schwerer. Der Mietendeckel hat damit eben nicht nur die Vermieterinnen und Vermieter belastet, sondern auch ganz andere Gruppen. Er schafft es als Instrument kaum, die Einkommensschwächsten zielgenau zu entlasten.
Was wäre denn ein sinnvolles Instrument?
Zum einen schneller neue Wohnungen in den Regionen bauen, in denen eine hohe Nachfrage existiert. Zum anderen bedürftige Menschen durch Wohngeld unterstützen, dessen Höhe regelmäßig an die Mietpreisentwicklung angepasst werden sollte. Das ist deutlich zielgerichteter, der Berliner Mietendeckel hat auch Menschen mit sehr hohen Einkünften entlastet. Wenn eine temporäre Regulierung der Mieten ins Auge gefasst wird, dann schon eher die Mietpreisbremse. Sie richtet sich nach der ortsüblichen Vergleichsmiete. Solche Methoden greifen weniger stark ein und sind verträglicher. Letztendlich ist ja das Ziel, dass in Gegenden mit hoher Nachfrage neue Wohnungen entstehen. Der Mietendeckel führte zum Gegenteil und sollte deshalb auch in Zukunft mit Vorsicht zum Einsatz kommen.
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