Das Frühlingswetter ist sonnig und der Blick in den Kalender verrät der Angestellten, dass am Nachmittag keine festen Termine vereinbart sind. Was spräche dagegen, die ersten Sonnenstrahlen im Freien zu genießen und die Ausarbeitung des Exposés, die für den Nachmittag geplant war, einfach in die Abendstunden zu verschieben? Das deutsche Arbeitsrecht spielt hier nicht mit! Würde die Mitarbeiterin den Abend bis 23 Uhr nutzen, dürfte sie am nächsten Vormittag erst um 10 Uhr wieder mit der Arbeit beginnen.
Zu den Autoren
Dr. Alexander Bode, Geschäftsführer der CONABO UG, ist seit 2014 Bundesvorsitzender des Jungen Wirtschaftsrats im Wirtschaftsrat der CDU e.V. Der Junge Wirtschaftsrat setzt sich für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik auf Basis der Sozialen Marktwirtschaft ein und fordert die konsequente Förderung von Innovation und Unternehmertum. Für die CDU ist Bode Experte in der Digitalisierungskommission und leitet den Arbeitskreis „digitaler Staat“.
Dr. Martin Pätzold, Mitglied des Deutschen Bundestages, ist Berichterstatter der CDU/CSU Bundestagsfraktion für die europäische Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Als Berliner Bundestagsabgeordneter liegt ihm die Entwicklung der Startup Szene in der deutschen Hauptstadt besonders am Herzen.
Ähnlich ergeht es dem jungen Familienvater, der als Marketingmanager einer Agentur gerne einige Tage zu Hause arbeiten möchte. Sein Notebook hat er sowieso immer dabei und an seinem Küchentisch fühlt er sich noch kreativer und kann gleichzeitig für seine Familie ansprechbar sein. Sein Arbeitgeber sieht sich aber nicht in der Lage, die Investition in einen Telearbeitsplatz zu stemmen, da dazu umfangreiche Arbeitsschutzvorschriften erfüllt werden müssen.
Die beiden abstrakten Beispiele, die es so oder so ähnlich zu tausenden geben mag, zeigen den Widerspruch zwischen der digitalen Realität und der gesetzlichen Wirklichkeit auf. Das Arbeitsgesetz – mit seinen zum Teil jahrzehntealten Bestimmungen – passt nicht in allen Wirtschaftsbereichen in eine Zeit, in der die Beschäftigten gerne flexibler die Vorteile neuer Kommunikationstechnologien nutzen wollen. Umgekehrt fällt es den Unternehmen schwer, aufgrund der strikten Bestimmungen, ihren Arbeitnehmern attraktive Angebote zu machen und damit in einen Wettbewerb um die besten Fachkräfte einzutreten.
Nicht jeder Angestellte möchte die totale Freiheit, nicht jeder möchte von zu Hause arbeiten, aber die Möglichkeiten dazu sollte es doch geben. Im Gegensatz zur SPD geht es in unseren Vorschlägen nicht darum, die Unternehmen zu etwas zu verpflichten („Recht auf Heimarbeit“). Vielmehr fordern wir, die Regulierung drastisch zu reduzieren und wieder mehr Gestaltungsfreiheit den Arbeitnehmern und Unternehmern zu überlassen. Schon heute befinden wir uns in einem Angebotsmarkt für Fachkräfte, d.h. die Qualifizierten wechseln zu den Unternehmen, die die attraktivsten Angebote machen. Dank digitaler Plattformen werden künftig immer mehr Menschen in der Lage sein, ihre Arbeitskraft flexibel anzubieten.
Mehr Flexibilität trotz Höchststundenzahl
Eine digitale Welt baut nicht mehr auf unbefristete Angestelltenverhältnisse, sondern darauf, dass Mitarbeiter ihre Kompetenzen gezielt dort einbringen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Dies führt insgesamt zu einer höheren Zufriedenheit auf Seiten der Mitarbeiter und gleichzeitig zu einer besseren Leistung für die Unternehmen. Es sollte über Arbeitszeitmodelle nachgedacht werden, die dem Arbeitnehmer die Freiheit geben selbst zu wählen, wie viel er arbeiten möchte. Natürlich weiterhin mit einer Höchststundenzahl im Monat, aber eben mit mehr Flexibilität. Nur dadurch kann die Digitalisierung der Arbeitsprozesse vernünftig abgebildet und die Bundesrepublik Deutschland als Wirtschaftsstandort zukunftsfähig bleiben.
Homeoffice: 10 Regeln für Arbeitgeber
Flexible Arbeitsmodelle erfordern klare Vereinbarungen. Nur wenn die Rahmenbedingungen transparent und Erwartungen eindeutig formuliert sind, kann daraus eine vertrauensvolle neue Arbeitskultur entstehen.
Flexible Arbeitsmodelle eignen sich nicht für alle Aufgaben. Firmen müssen deshalb klare Regeln für den Rahmen für die Nutzung (wer kann flexibel arbeiten) und die Umsetzung (Anwesenheitspflichten, Arbeitsumfang, Verfügbarkeit) vorgeben. Gallup hat in verschiedenen Studien herausgefunden, dass gerade Mitarbeiter im Home-Office häufig nicht genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Deshalb müssen Führungskräfte ihre Erwartungen und die Aufgaben besonders deutlich formulieren.
Nicht für jeden Mitarbeiter eignet sich Arbeiten im Home-Office: Jedem Mitarbeiter sollte freigestellt sein, diese Angebote im Unternehmen zu nutzen.
Die Ausschöpfung des vollen Leistungspotenzials hängt stark von der Motivation und persönlichen Stärken ab. Für Personen, die ein sehr großes Bedürfnis nach sozialer Interaktion haben, ist die Arbeit im Home-Office nicht ideal. Ein häufiger Fehler ist, flexible Arbeitsmodelle als „Belohnung“ für besondere Leistungen einzusetzen. Das schafft falsche Anreize. Daher sollte aufgrund der Stärken oder Arbeitsweisen des einzelnen Mitarbeiters entschieden werden, ob dieser Home-Office oder mobiles Arbeiten nutzen kann und darf.
Als Arbeitgeber sollte man seinen Mitarbeitern vertrauen und „loslassen“ können.
Die bloße Anwesenheit ist kein Indikator für die Qualität der Arbeit. Schafft ein Mitarbeiter seine Arbeit zu Hause schneller als im Büro, sollte sich die Führungskraft darüber freuen – und nicht aus Prinzip auf das Erfüllen von Zeitkontingenten bestehen. Generell sollte eine Führungskraft den Rahmen für die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter schaffen, sich selbst einbringen zu können.
Die Leistung von Mitarbeitern muss objektiv definiert und gemessen werden.
Jeder Mensch entwickelt seine eigene Arbeitsweise. Gleiches gilt für die Zeitplanung bei flexiblen Arbeitsmodellen. Starre Zeitkorsetts demotivieren und behindern eine produktive Arbeitseinteilung. Der Mitarbeiter muss an seinen Leistungen gemessen werden. Dies erfordert ein grundlegendes Performance Management im Unternehmen, das Leistungen objektiv definiert und misst.
Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn: Auch Mitarbeiter ohne permanente Anwesenheit brauchen Führung.
Bei Heimarbeitern sollte das Feedback bewusster und regelmäßiger erfolgen als bei den Kollegen vor Ort. Wenn Führungskräfte ein ehrliches Interesse an ihren Mitarbeitern zeigen, deren Arbeit regelmäßig bewerten und über die persönliche Weiterentwicklung sprechen, können sie die Mitarbeiter auch über große Distanzen hinweg binden.
Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht. Das gilt insbesondere für flexible Arbeitsplatzmodelle.
Wenn der Mitarbeiter spätabends noch E-Mails schreibt, ist er dann überlastet? Oder ist das nur sein persönlicher Arbeitsstil? Um diese Frage zu beantworten, müssen sich Führungskräfte auch für den Mitarbeiter als Menschen interessieren und dessen Stärken, Routinen und familiäres Umfeld kennen. Gallup hat über 10 Millionen Menschen weltweit zum Thema »Mein Vorgesetzter/ Meine Vorgesetzte oder eine andere Person bei der Arbeit interessiert sich für mich als Mensch« befragt. Personen, die diesem Satz zustimmen, bleiben häufiger in ihrem Unternehmen, haben mehr emotional gebundene Kunden, sind erheblich produktiver und erwirtschaften mehr Gewinn.
Neue Meetingkulturen erleichtern effiziente Arbeitsprozesse innerhalb der Teams.
Für ein gemeinsames Verständnis der Ziele und Aufgaben ist ein enger Austausch im Team notwendig. Auch und gerade bei flexiblen Arbeitsmodellen. Häufig sorgen jedoch schwierige Terminabstimmungen oder ungenügende Kommunikationswege für Reibung. Regelmäßige Statusmeetings ermöglichen allen Beteiligten, Projektstände auszutauschen, Ideen vorzustellen, Aufgaben zu besprechen und frühzeitig Schwächen aufzuzeigen.
Den direkten Austausch fördern, sich gegenseitig schätzen – und so das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Der Mensch benötigt täglich 6 Stunden soziale Interaktion, um sich wohl zu fühlen und gesund zu bleiben. Wenn Kollegen und Vorgesetzte sich auch über das Berufliche hinaus schätzen, entsteht ein positives Arbeitsumfeld und ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl. Für die zwischenmenschlichen Beziehungen sind regelmäßige persönliche Treffen unverzichtbar.
Mitarbeiter müssen sich im Unternehmen willkommen fühlen und haben ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz.
Die Anforderungen an Arbeitsplätze haben sich in den vergangenen Jahren aufgrund neuer Informationstechnologien und Arbeitsmodelle stark verändert. Doch noch immer gilt: Mitarbeiter brauchen eine Arbeitsumgebung, in der sie produktiv arbeiten können, in der sie sich wohlfühlen und willkommen sind. Das gilt ebenso für flexible Arbeitsmodelle. Maximale Flexibilität bedeutet auch, dass ein Mitarbeiter neben dem Arbeitsplatz z.B. im Home-Office auch Zugriff auf einen Arbeitsplatz im Team hat. Wie dieser gestaltet ist (z.B. durch Tablesharing oder Rollcontainer) muss vorab geklärt sein und dem Bedarf angepasst sein.
Neue Arbeitsstrukturen können nur erfolgreich sein, wenn sie mit der Unternehmenskultur und den Unternehmenszielen vereinbar sind.
Mitarbeiter, die der Aussage zustimmen „Die Ziele und die Unternehmensphilosophie meiner Firma geben mir das Gefühl, dass meine Arbeit wichtig ist“, sind produktiver und bleiben ihrem Unternehmen länger treu. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmenskultur und flexible Arbeitsmodelle aneinander angepasst werden: In Unternehmen, in denen ein Kontrollzwang herrscht, werden Home-Office und mobiles Arbeiten nicht zum Erfolg führen. Und wer von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder von Flexibilität spricht, muss dies auch in der Praxis einlösen.
Das muss die Politik nicht steuern, sondern sie sollte vielmehr auf die Kräfte des freien Marktes vertrauen, sofern dieser positive Rahmenbedingungen zum Beispiel im Arbeitszeitgesetz vorfindet. Die Herausforderung der Politik besteht also darin, die gering Qualifizierten in diesem System weiterzubilden, sodass sie mit ausreichend digitaler Kompetenz in der Arbeitswelt von Morgen bestehen können. Damit sind sie in der Lage, sich von einfachen Arbeiten der so genannten „Clickworker“ aus Entwicklungsländern zu differenzieren. Unsere Gesellschaft profitiert seit vielen Jahrzehnten von dieser wohlfahrtssteigernden internationalen Arbeitsteilung, das ist auch in der digitalen Ökonomie möglich, sofern es unserem Staat gelingt, beste Voraussetzung für Qualifizierung und Weiterbildung zu schaffen.
Letztendlich ist es die Verantwortung einer zukunftsorientierten Politik in die digitale Kompetenz aller Bürgerinnen und Bürger zu investieren und diese fit für die digitale Arbeitswelt zu machen. Höhere Komplexität kann nur durch bessere Bildung kompensiert werden. Politik muss noch viel stärker ein ganzheitliches Bildungsprogramm zum Aufbau digitaler Kompetenz entwickeln, das unabhängig allen im notwendigen Maße zugänglich gemacht wird. Dazu zählt das Erlernen vom bewussten Umgang mit den neuen Medien im Kindergarten und das verpflichtende Unterrichten von Programmiersprachen in der Schule ebenso, wie das Ausbildungs- und Studienfach zu „disruptiver Innovation“. Auch in der Weiterbildung sollte die digitale Kompetenz zum zentralen Element werden und die Bürgerinnen und Bürger Anreize zu gezielter Weiterbildung erhalten. Nur so kann Deutschland mit den besten ausgebildeten Fachkräften seinen Wohlstand in einer digitalen globalisierten Ökonomie erfolgreich verteidigen.