
Im NPD-Verbotsverfahren wollen die Länder dem Bundesverfassungsgericht in dieser Woche hunderte neue Beweise vorlegen. Wie der Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD) der Deutschen Presse-Agentur sagte, wollen sie den Karlsruher Richtern unter anderem Einsicht in Akten des Verfassungsschutzes gewähren. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) wertete die Erkenntnisse über die jüngst zerschlagene Rechtsterrorgruppe „Oldschool Society“ als neuen Beleg für die Gefährlichkeit der NPD. Hessen hegt trotzdem weiter Bedenken gegen das Verfahren.
Karlsruhe hatte die Länder im März aufgefordert, bis zum 15. Mai weitere Belege für das aggressive und antidemokratische Auftreten der rechtsextremen Partei sowie klare Beweise für den Abzug von V-Leuten aus den NPD-Führungszirkeln vorzulegen. Den ersten NPD-Verbotsantrag 2003 hatte das Gericht abgewiesen, weil der Verfassungsschutz damals auch in der Parteispitze Informanten hatte, ohne dies offenzulegen.
Die Länder haben nun hunderte neue Beweise zusammengetragen, die sie in dieser Woche in Karlsruhe vorlegen wollen. Das beschlossen die Ländervertreter und ihr Prozessbevollmächtigter Professor Christian Waldhoff am Freitag. Das rheinland-pfälzische Innenministerium, das derzeit den Vorsitz der zuständigen Innenministerkonferenz hat, bestätigte am Samstag einen entsprechenden Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.
Das lange Ringen um ein Verbot der NPD
Die Karlsruher Richter stellen das erste Verbotsverfahren gegen die NPD ein. Grund sind zahlreiche Verbindungsleute (V-Männer) des Verfassungsschutzes in NPD-Führungsgremien. Das Verbot hatten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat Anfang 2001 unter dem Eindruck zunehmender Gewalt rechtsextremer Täter beantragt.
Eine Hetzjagd von Jugendlichen auf acht Inder in der sächsischen Stadt Mügeln belebt die Debatte um ein NPD-Verbot neu. Der Vorstoß des damaligen SPD-Chefs Kurt Beck, ein neues Verfahren prüfen zu lassen, stößt in anderen Parteien aber auf Skepsis.
Die SPD-Innenminister kommen zu dem Schluss, vor einem NPD-Verbot müssten zunächst nachrichtendienstliche Zugänge „abgeschaltet“ und dann erneut Erkenntnisse über die Partei gesammelt werden. Die Union lehnt einen neuen Anlauf weiter ab.
Die Innenminister der Länder beschließen, wieder systematisch Beweise gegen die rechtsextreme Partei zu sammeln und auf V-Leute in der NPD-Führung zu verzichten.
Die NPD will beim Verfassungsgericht ihre Verfassungstreue prüfen lassen. Ihre Argumentation: Die Partei werde durch die Behauptung, sie sei verfassungswidrig, in ihren Rechten verletzt. Die Richter weisen den Vorstoß im März 2013 ab.
Der Bundesrat beschließt, ein neues Verbotsverfahren einzuleiten. Nur Hessen enthält sich.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung verzichtet darauf, sich dem Antrag der Länder anzuschließen. Im April stimmt auch der Bundestag gegen einen eigenen Verbotsantrag.
Die Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz hat die Beweismittel zusammengetragen und den Verbotsantrag fertiggestellt, wie Baden-Württembergs Innenministerium mitteilt.
Der Bundesrat reicht den Verbotsantrag ein.
Die Länder legen vom Verfassungsgericht angeforderte neue Beweise zur Abschaltung von Geheimdienstinformanten vor.
Der Bundesrat reicht weitere Beweisunterlagen ein, die unter anderem belegen sollen, dass die NPD seit 2013 besonders aggressiv gegen Asylbewerber vorgehe.
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt ab dem 1. März drei Tage lang über ein Verbot der rechtsextremen NPD. Dabei prüfen die Karlsruher Richter auf Antrag des Bundesrats, ob die rund 5200 Mitglieder starke Partei nach den strengen Maßgaben des Grundgesetzes verfassungswidrig ist.
Hamburgs Innensenator Neumann sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir werden alles tun, um das Verfahren zu gewinnen, dazu gehört auch, für das Gericht die Akten zu öffnen - soweit gesichert ist, dass dadurch keine Menschen in Gefahr geraten. Das wäre im Rahmen des rechtsstaatlichen In-Camera-Verfahrens möglich.“ Bei diesem Verfahren werden die bei der Akteneinsicht gewonnen Informationen vom Gericht geheim gehalten und auch den Prozessbeteiligten - in diesem Fall der NPD - nicht preisgegeben.
Gegen den neuen Verbotsantrag des Bundesrates hatte es von Anfang an Bedenken gegeben. Bundesregierung und Bundestag hatten sich nicht angeschlossen, auch aus Hessen waren Zweifel gekommen.
Ministerpräsident Volker Bouffier äußerte sich erneut skeptisch: Zwar könne der Nachweis erbracht werden, dass das Beweismaterial nicht von Informanten des Verfassungsschutzes infiltriert sei, sagte der CDU-Politiker der „Welt“. Allerdings seien die Hürden für ein Parteienverbot sehr hoch. Und auch mit einem Verbot „wäre das Problem des Rechtsextremismus nicht gelöst“.
Niedersachsens Innenminister Pistorius verteidigte das Verfahren dagegen. „Die NPD finanziert sich zu einem guten Teil aus staatlichen Mitteln. Alleine für 2014 waren das nach dem Parteiengesetz rund 1,4 Millionen Euro - aus Steuergeldern“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Dabei ist diese Partei im Kern demokratiefeindlich und fremdenhassend, das belegt der Antrag aus meiner Sicht zweifellos.“
Pistorius wies darauf hin, dass sich auch der festgenommene Vizechef der vor wenigen Tagen zerschlagenen Terrorgruppe „Oldschool Society“ in dser NPD engagiert habe. Das zeige, wie richtig das Verbotsverfahren sei, sagte er. Laut „Spiegel“ hatte die Gruppe offensichtlich Anschläge mit selbst gebauten Nagelbomben geplant. Das legten Gespräche der Mitglieder nahe, die vom Bundeskriminalamt (BKA) abgefangen worden seien.