Forsa-Chef zur „Ehe für alle“ „Keine Steilvorlage für die AfD“

Die AfD will nach Merkels Vorstoß zur Gleichstellung homosexueller Paare enttäuschte Konservative an sich binden. Das dürfte kaum gelingen, sagt Forsa-Chef Güllner, da die meisten Deutschen Merkels Kurs stützten

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AfD-Chefin Frauke Petry (l.) und Spitzenkandidatin Alice Weidel: Punkten mit dem Ehe-Thema? Wohl kaum, meint Forsa-Chef Güllner. Quelle: Reuters

Berlin Der Chef des Meinungsforschungsinstitut Forsa, Manfred Güllner, glaubt nicht, dass die Alternative für Deutschland (AfD) von der Kehrtwende der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Thema „Ehe für alle“ profitieren kann. „Das Thema ist sicher keine Steilvorlage für die AfD. Die ganz große Mehrheit der Bevölkerung ist für die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare“, sagte Güllner dem Handelsblatt. „Deshalb ist es mir ein Rätsel wie die Partei davon profitieren will.“ Gegen den Willen des Koalitionspartners CDU/CSU will die SPD die „Ehe für alle“ am heutigen Freitag im Bundestag durchsetzen.

Selbst Anhänger von CDU und CSU seien mehrheitlich für die „Ehe für alle“, betonte Güllner. „Die konservativen Kritiker, die eine offene Flanke am rechten Rand der Union sehen, sind nur eine Minderheit“, fügte er hinzu. Das sei aber ohnehin „Quatsch“, so Güllner weiter. „Es gibt kein Vakuum am rechten Rand.“ Die Wähler wollten vielmehr eine CDU in der Mitte. „Merkels Kurs ist absolut richtig.“

Kanzlerin Angela Merkel war am Montagabend vom klaren Nein der CDU zur gleichgeschlechtlichen Ehe abgerückt. Sie wünsche sich eine Diskussion, die „eher in Richtung einer Gewissensentscheidung geht“, sagte die CDU-Chefin. Zuvor hatten SPD, FDP und Grüne die „Ehe für alle“ zur Bedingung für eine Koalition nach der Bundestagswahl gemacht.

Für den Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst kommt der plötzliche Kursschwenk  der Kanzlerin nicht von ungefähr. „Angela Merkel hat eine elegante Lösung gewählt, um die Kuh vom Eis zu bringen. Sie wusste, dass das ein aussichtsloser Kampf sein würde“, sagte Probst dem Handelsblatt. „Letzten Endes hat die CDU in diesen Fragen seit Langem das Feld geräumt und sich dem gesellschaftlichen Mainstream in dieser Frage angepasst.“ Zum Teil habe das auch an den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts gelegen, das die Rechte von Homosexuellen zum Beispiel bei eingetragenen Lebenspartnerschaften mehrfach gestärkt habe.

Die AfD hofft indes mit ihrem kategorischen „Nein“ zur Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare konservative Wähler an sich binden zu können. „Man muss Angela Merkel fast schon dankbar sein, überlässt sie doch damit aus rein machttaktischen Erwägungen der AfD ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Parteienlandschaft“, sagte die AfD-Vorsitzende Frauke Petry am Dienstag.

Auch die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel sprach sich gegen die „Ehe für alle“ aus. Weidel, die selbst in einer Lebenspartnerschaft mit einer Frau und zwei Kindern lebt, sagte: „Das Institut der Ehe ist verfassungsrechtlich geschützt und als Grundgesetzpartei möchten wir die Verfassung bewahren.“ Die AfD wolle die eingetragene Lebenspartnerschaft für homosexuelle Paare erhalten. „Anders als Frau Merkel kenne ich das Programm meiner eigenen Partei“, fügte sie hinzu.


Experte: AfD-Spitzenkandidatin Weidel in Ehe-Frage „unglaubwürdig“

Für den Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst ist es zwar nachvollziehbar, dass die AfD versucht, aus der Debatte über die „Ehe für alle“ „neue Kraft zu schöpfen, nachdem ihr Stern in den letzten Monaten gesunken ist“. Das dürfte aber „höchstens für ein kleines Zwischenhoch bei der AfD sorgen, aber nicht zu einer starken Delle für die Unionsparteien“, sagte Probst dem Handelsblatt.

Vor allem Alice Weidel sei in dieser Frage „unglaubwürdig“, fügte der Politikprofessor hinzu. „Aufgrund ihrer eigenen Lebenssituation kann sie nicht glaubhaft gegen die Ehe für alle sein, es sei denn, sie ist gegen das Institut der Ehe als Relikt einer bürgerlichen Gesellschaft, was wohl kaum der Fall sein dürfte.“ Als ehemalige Mitarbeiterin von Goldman Sachs könne sie sich gemeinsam mit ihre Partnerin „vielleicht den Luxus einer Lebensgemeinschaft ohne Ehe leisten“, fügte Probst hinzu. Andere homosexuelle oder lesbische Paare mit Kindern seien hingegen „weniger begütert und im Zweifelsfall auf die, auch finanziellen Vorteile einer richtigen Ehe angewiesen“.

Probst gab überdies zu bedenken, dass sogar die „Bundesinteressengemeinschaft Homosexuelle in der AfD“ für die volle juristische Gleichberechtigung von Homosexuellen eintrete. „Die Partei ist in dieser Frage nicht ganz so eindeutig, wie es manchmal nach außen hin erscheint“, sagte er.

Dessen ungeachtet ist Forsa-Chef Güllner überzeugt, dass die AfD im Herbst erstmals den Sprung in den Bundestag schaffen wird – allerdings auf niedrigem Niveau. „Dass die AfD noch unter die Fünf-Prozent-Hürde rutscht, halte ich für unwahrscheinlich“, sagte der Forsa-Chef. Er sehe aber keine Themen, mit denen sie noch zulegen könne. „Es sei denn, Horst Seehofer veranstaltet wieder Amokläufe und versucht rechte Themen zu besetzen“, sagte Güllner. Das wäre aber „ein schwerer Fehler“, fügte er hinzu. „Die Union sollte sich von AfD klar abgrenzen und ihr nicht hinterherlaufen.“

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