Forschung & Innovation Wo die deutsche Innovationspolitik stockt

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"Wir brauchen Startups als Trüffelschweine"

Während die Grundlagenforschung zu der Technologie in Deutschland immer noch gut funktioniert und Harhoff hier eine 2 als Schulnote verteilt, sieht die Bilanz in der Wertschöpfung, die aus der Grundlagenforschung hervorgeht, miserabel aus: Schulnote 4- bis 5.

Die Erklärung der Gutachter: Es gibt in Deutschland noch immer viel zu hohe Barrieren für Startups. „Für die Wertschöpfung braucht man aber Startups, weil die wie Trüffelschweine jene Forschungsansätze raussuchen, die besonders wertvoll sind“, erklärt Harhoff. In Städten wie Berlin oder Hamburg wachse langsam eine Szene heran und auch einige steuerliche Hürden seien mittlerweile gefallen, nun müsse aber auch in dieser Richtung mehr gemacht werden.

Neben der Startup-Förderung nennen die Wissenschaftler zwei weitere Puzzlestücke zur erfolgreichen KI-Strategie: europäische Zusammenarbeit und die Einsetzung einer Enquete-Kommission. Ein deutsch-französisches KI-Zentrum, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, könnte zum Beispiel die Kapazitäten bündeln. Noch sinnvoller aber seien europäische Zentren. Schon heute fallen alle europäischen Nationalstaaten bei der Grundlagenforschung mit Marktanteilen von höchstens etwa fünf Prozent weit hinter die USA oder das aufstrebende China zurück. „Da können wir nur im Verbund europäischer Länder gegenhalten“, glaubt Harhoff.

Geschichte der künstlichen Intelligenz

Die Enquete-Kommission soll die notwendige Debatte über Künstliche Intelligenz im Bundestag verankern. „Wir müssen endlich ausführlich darüber diskutieren, wo wir Grenzen setzen und welchen Nutzen wir aus der Technologie ziehen wollen“, sagt Harhoff. „Dafür ist der Bundestag der eindeutig am besten geeignete Ort.“

Die europäischen Strukturen entwirren:

Wie in allen Politikbereichen wird Europa auch bei Forschung und Innovation immer wichtiger. Das zeigt sich schon am Beispiel KI-Forschung. In vielen Projekten funktioniert die Zusammenarbeit gut. „Beim europäischen Forschungsrat läuft es schon länger sehr gut“, bilanziert Harhoff. Die Institution finanziert seit mehr als zehn Jahren Grundlagenforschung und vergibt gut dotierte Stipendien für Spitzenforscher. Mit dem Instrument habe man schon viele exzellente Wissenschaftler aus den USA zurück nach Europa locken können, sagt Harhoff.

Ein Problem ist dagegen die sogenannte Innovationskluft: In Nord- und Mitteleuropa entstehen Innovationsführer, Süd- und Osteuropa sacken gleichzeitig ab. Als Lösung empfiehlt das Gutachten einen „effektiveren Einsatz der schon bestehenden Struktur- und Investitionsfonds“. Im Klartext: die geschicktere Nutzung der schon bestehenden Instrumente. Stattdessen plant die EU aktuell eine weitere Förder-Institution: den Europäischen Innovationsrat.

Chefgutachter Harhoff lehnt diese Idee ab. Eine solche Einrichtung für strategische Innovation bringe auf EU-Ebene kaum etwas. „Das muss national eingebettet sein, weil sonst die wirtschaftliche Rückkoppelung fehlt“, sagt er. Auf jeden Fall müsse die Vereinfachung der schon bestehenden Strukturen Vorrang vor einem neuen Projekt haben.

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