Forschung Wanka warnt vor Einschränkung neuer Gentechnik

Bundesforschungsministerin Johanna Wanka warnt vor Einschränkungen neuer gentechnischer Methoden. Sie verweist darauf, dass die Landwirtschaft auf wachsende Erträge angewiesen sei.

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Es brauche „Experimentierräume, die wir uns nicht vorschnell verbauen sollten“, sagt die Forschungsministerin. Quelle: dpa

Berlin Bundesforschungsministerin Johanna Wanka warnt vor Einschränkungen neuer gentechnischer Methoden. Es gebe eine Verantwortung, Wissen weiter zu entwickeln, teilte die CDU-Politikerin am Dienstag anlässlich einer Wissenschaftler-Tagung zum Umgang mit dem sogenannten Genom Editing mit. „Dafür braucht es auf jeden Fall Experimentierräume, die wir uns nicht vorschnell verbauen sollten.“ Zudem sei die Landwirtschaft angesichts der steigenden Weltbevölkerung auf wachsende Erträge angewiesen. Dies könne mit Pflanzen erreicht werden, die mit den neuen Techniken entwickelt werden. Eine Mehrzahl der Wissenschaftler folgte im Kern den Vorstellungen der Ministerin.

Hintergrund der Expertentagung ist die Einordnung der neuen Techniken als konventionelle Gentechnik oder neue Züchtungsmethode. Die Definition ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Bislang werden konventionelle gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der Europäischen Union nur nach aufwendigen Prüfungen zugelassen. Die EU hat aber noch nicht entschieden, ob auch für neue Techniken wie CRISPR/Cas9 die strengen Prüfkriterien gelten sollen oder ob mit dieser Methode hergestellte Pflanzen nur als neue Züchtungen gewertet werden sollen. Im letzten Fall wäre ihre Marktzulassung ungleich einfacher. Die Einstufung der neuen Methode ist auch vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig. Mit einem Urteil wird erst 2018 gerechnet.

Mit CRISPR/Cas9 können im Vergleich zu konventionellen Verfahren vergleichsweise einfach und preiswerter Teile der genetischen Informationen eines Organismus' verändert werden. Die Technik wird vielfach als „Gen-Schere“ oder „Genom Editing“ bezeichnet, mit der gezielt im Chromosomensatz Gene derselben Art eingefügt oder herausgeschnitten werden können. Experten gehen davon aus, dass mit CRISPR/Cas9 die nächste Stufe der künstlichen Entwicklung von Nutzpflanzen eingeläutet werden kann. Damit könnten etwa Pflanzen mit Resistenzen oder Eigenschaften wie Lagerfähigkeit oder Geschmack hergestellt werden.

„Was mit herkömmlichen Züchtungsmethoden oft Generationen gedauert hat, ist heute mit diesen Verfahren im Labor viel schneller und vor allem zielgenauer zu erreichen“, sagte Wanka. Damit könne der Hunger in der Welt besiegt werden. Eine ähnliche Linie vertrat bei der Tagung der Abteilungsleiter Gentechnik im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das dem Bundesagrarministerium untersteht. Der Einsatz der neuen Techniken sei nicht mehr „als eine Abkürzung im Prozess der Pflanzenzüchtung“, sagte Detlef Bartsch. Sie bedürfe deswegen keiner besonderen Zulassung.

Contra gab es aus dem Bundesamt für Naturschutz, das dem Bundesumweltministerium zugeordnet ist. „Veränderungen am Erbgut, die mit Hilfe von CRISPR/Cas erzielt werden, sind klar als Gentechnik einzuordnen“, sagte Margret Engelhard, zuständig für GVO-Fragen in der Behörde. Auch kleine Eingriffe könnten Auswirkungen auf Mensch und Natur haben. Die Vertreterin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Katja Becker, stellte in Frage, ob eine Unterscheidung zwischen konventioneller und neuer Gentechniken nicht obsolet geworden sei. Im Vordergrund sollte das von einer neuen Pflanze möglicherweise ausgehende Risiko sein – „unabhängig von der Technologie, mit der sie hergestellt wurde“.

Der Professor für Technikphilosophie Bernhard Irrgang lehnte Einschränkungen ab: „Die alte Definition führt zu Forschungsbehinderungen, die sich die Menschheit angesichts der Evolutionsbeschleunigung durch den Klimawandel nicht leisten kann.“ Ähnlich argumentierte der Agrarökonom der Universität Göttingen, Matin Qaim. Er warnte davor, eine „vielversprechende Technologie“ auszubremsen. Der Evolutionsbiologe vom Max-Planck-Institut Detlef Weigel forderte: „Pflanzen, die sich vom Ergebnis natürlicher Kreuzungen nicht ohne weiteres unterscheiden lassen, dürfen nicht als gentechnisch verändert gelten.“

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