Fracking-Experte Uwe Dannwolf "Defekte Bohrungen sind das Hauptproblem"

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"Bohrungen sind das Hauptrisiko bei der Schiefergasförderung"

Einige Politiker in den Regierungsparteien fordern eine Grenze von 3.000 Metern, unter der kein Schiefergas gefördert werden darf. Klingt eigentlich ganz vernünftig, wenn man nicht weiß, wie weit die Risse im Schiefergestein gehen.

Die größten künstlichen Fracks, die je untersucht wurden, waren vielleicht 500 Meter groß. Die Trinkwasserversorgung kommt überwiegend aus Aquiferen, die nicht tiefer als 100 Meter bis 400 Meter liegen. Die Grenze von 3.000 Metern ist deshalb aus der Luft gegriffen und aus politischen Gründen gesetzt. Wissenschaftlich gibt es keine haltbare Begründung für die Grenze von 3.000 Metern. 1.000 Meter Abstand zwischen Grundwasser und Schiefergestein genügen, sofern die notwendigen Erkundungen von der Industrie ausreichend durchgeführt wurden und eine Risikobewertung vor der Bohrung erstellt wurde.

Unkonventionelle Gasvorkommen

Ein weiteres Problem ist das Wasser, das aus dem Boden wieder hochkommt. Häufig ist es verunreinigt. Wo soll das hin?

Beim Fracking in Sandsteinschichten für die Gewinnung von Tight Gas kommt sehr viel mehr Wasser aus der Tiefe als bei der Schiefergasförderung. Unter anderem, weil es im Sandstein mehr natürlich vorhandenes Lagerstättenwasser gibt. Dieses geförderte Wasser wird derzeit in tiefliegende teilentleerte Öl- oder Gasfelder gepumpt. Der Schiefer ist im Gegensatz zum Sandstein sehr viel trockener. Mindestens 70 Prozent des Wassers, das Unternehmen zum Fracken runterschicken verbleibt im Gestein, der Rest kommt bei der Gasförderung anfangs wieder hoch. Dieses Wasser, in dem sich Frackzusätze befinden können und die natürlichen Verunreinigungen des Schiefers, sollte vor Ort gereinigt werden, so dass es nicht über weite Strecken transportiert werden muss. Die Technik dazu existiert überwiegend, auch wenn man hier nach dem Baukastenprinzip arbeiten muss.

In Ihrem Gutachten schreiben sie der Industrie noch eine weitere Forderung ins Buch, die Unternehmen nicht gerade glücklich machen wird. Nämlich, dass sie bei den Bohrungen nachbessern muss. Wo genau?

Wir sehen in den USA, dass die Bohrungen das Hauptproblem und das Hauptrisiko bei der Schiefergasförderung sind. Allein aus den Rissen im Gestein wird keine Frackflüssigkeit nach oben in das trinkbare Grundwasser gelangen können. Die einzige wirkliche Möglichkeit, dass etwas ins Trinkwasser gelangen kann, ist durch defekte Bohrungen.

Und in wie viel Fällen geht da etwas schief?

Gesicherte Zahlen gibt es nicht, die veröffentlichte Bandbreite der Wahrscheinlichkeit, dass es ein Leck gibt, streut sehr. So zeigen die Zahlen, dass es bei jeder zehntausendsten Bohrung Leckagen gibt, allerdings sind auch Zahlen veröffentlicht, die sagen, dass in bestimmten Gebieten mindestens jede Zweite oder mehr Bohrungen schadhaft sein können. Es gibt derzeit auch keine Regelungen, wie viel Undichtigkeit tolerabel ist. Gerade deshalb ist auch die Überwachung des Grundwassers nötig. Außerdem würden größere Bohrdurchmesser helfen, um die Betonfüllung in den Bohrlöchern dicker zu machen. Sie stellt sicher, dass die Bohrung dicht ist. Denn es ist nicht ganz einfach, in drei Kilometern Tiefe ein Rohr auszuzementieren. Mehr Material kann da helfen.

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