Fracking-Experte Uwe Dannwolf "Defekte Bohrungen sind das Hauptproblem"

Seite 2/4

"Jede Art der Energiegewinnung hat auf ihre Weise Nachteile für die Umwelt"

Kürzlich sprachen sich führende Geologen in Deutschland dafür aus, dass wissenschaftlich begleitete Pilotprojekte für die Schiefergasförderung in Deutschland erlaubt werden. Ist das auch Ihre Meinung?

Ja, das steht auch so in unserem Gutachten. Denn es gibt einige Dinge, die wir beim Fracking in Schiefergesteinen schlicht noch nicht genau wissen und die man auch erst durch praktische Untersuchungen herausfinden kann.

Zum Beispiel?

Derzeit wissen die Forscher nicht genau, wie sich die Risse verhalten, die im Schiefergestein entstehen und wie weit sie von der Vorab-Rissmodellierung abweichen. Wenn wir Forschungsbohrungen machen, dann wüssten wir auch, wie viel Erdgas überhaupt im Schiefergestein an dem Bohrstandort vorhanden ist. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften wird in Bälde eine weitere Studie zu den Schiefergaspotenzialen in Deutschland veröffentlichen.

Was hinter „Fracking“ steckt

Aber es gibt doch dazu schon Schätzungen.

Die Schätzungen gehen von einer Menge von rund 1,3 Billionen Kubikmetern aus, die sich fördern lassen. Aber in anderen europäischen Ländern haben wir gesehen, dass sich die Zahlen nach ersten Untersuchungen gravierend verschoben haben. Norwegen hatte auf einmal gar kein Schiefergas mehr, die Briten auf einmal ganz viel. Erst wenn wir für Deutschland mehr Daten haben, können wir darüber diskutieren, ob sich das Verfahren wirklich lohnt.

Aber wenn es schon so starke Unsicherheiten bei der Menge des Gases gibt, gibt es wohl auch in anderen Feldern schwarze Flecken?

Das ist richtig. Von Seiten der Behörden wird immer gesagt, es seien nie Unfälle beim Fracking aufgetaucht. Was viele nicht wissen: In Deutschland wird seit den 1960er-Jahren per Fracking Erdgas aus Sandstein gewonnen, sogenanntes Tight Gas. Letztlich hat man aber nicht ausdrücklich nach Grundwasserschäden um die Bohrungen herum gesucht. Wir können also nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass es Leckagen gab. Andererseits wären sie wohl nicht so bedeutend gewesen, dass sie aufgefallen sind.

Das bedeutet, dass es beim Fracking zu Unfällen kommen kann?

Wie bei jeder Technologie zur Energiegewinnung kann es auch bei der Gasförderung zu Unfällen und Leckagen kommen. Wir empfehlen deshalb, das Grundwasser um die Bohrung herum sowie im weiteren Umfeld zu überwachen. Für die Forschungsbohrungen sollte auch direkt über der Schiefergesteinsschicht eine Messstelle installiert werden, obwohl diese Tiefenwässer so salzig und von Natur aus verunreinigt sind, dass sie zur Trinkwassernutzung nicht taugen. Mit der Installation solcher Messeinrichtungen bekommen wir Hinweise, ob Stoffe überhaupt nach oben wandern. Wassergeologisch ist das Aufsteigen im Norddeutschen Becken (geologische Formation in Niedersachsen, Anm. d. Red.) nicht möglich.

An welchen Stellen besteht außerdem Klärungsbedarf?

Wir haben bei der Verbesserung der Dichtheit der Rohre und der Zementation noch einige Wissenslücken. Ferner gibt es bislang keine Daten zu natürlichen Methan-Emissionen in den Gasregionen Deutschlands, die auch ohne die Erdgas-Förderung auftreten würden. Im Übrigen müssen wir in der Diskussion um die Schiefergasgewinnung entscheiden, wie viel Restrisiko wir bereit sind einzugehen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass wir auch für andere Arten der Energieerzeugung bisher keine Schwellen dafür festgelegt haben, welche Risiken wir eingehen wollen und welche nicht. Jede Art der Energiegewinnung hat auf ihre Weise Nachteile für die Umwelt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%