
Was wurde nicht alles über das Thema diskutiert. Mit Fracking könnte sich Deutschland unabhängig machen von den russischen Gaslieferungen, sagten die einen. Fracking sei ein Risiko für Umwelt und Gesundheit, sagten die anderen. Am Mittwoch hat die Bundesregierung neue Regelungen für den Einsatz der umstrittenen Technologie verabschiedet. Und sie hat das Thema damit dorthin geholt, wo es hingehört: auf den Boden der Tatsachen.
Fracking bleibt in Deutschland erlaubt, wird aber durch die Vorgaben der Bundesregierung weitestgehend eingeschränkt. So wurden etwa die Verbotszonen, in denen Fracking grundsätzlich nicht erlaubt ist, ausgeweitet auf Einzugsgebiete für die öffentliche Wasserversorgung, Trinkwassergebiete und Talsperren. Die Bundesländer können zudem etwa in Gebieten mit Mineralwasservorkommen weitere Verbotszonen definieren.
Was hinter „Fracking“ steckt
Das umstrittene „Fracking“ wird seit mehreren Jahrzehnten zur Gewinnung von Erdgas aus Gesteinsporen eingesetzt. Bei dem „Hydraulic Fracturing“ wird Gestein in 1000 bis 5000 Metern Tiefe mit hohem hydraulischen Druck aufgebrochen.
Um das Gas fördern zu können, werden künstliche Fließwege geschaffen. Dazu wird ein flüssiges Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst, so dass Risse im Gestein entstehen. Durch sie entweicht das Gas und gelangt schließlich an die Oberfläche.
Unter den Chemikalien sind auch gefährliche Stoffe, die bei unsachgemäßer Verwendung Mensch und Umwelt gefährden können. Kritiker weisen darauf hin, dass der Chemikalien-Cocktail bei Bohrpannen oder dem Durchstoßen von Wasserspeichern ins Grundwasser gelangen kann. Auch das Umweltbundesamt äußert Bedenken.
Energiekonzerne wie ExxonMobil betonen dagegen die Beherrschbarkeit des Verfahrens: Jeder Eingriff („Frac“) werde durch eine stabile Ummantelung der Bohrung von der Umwelt getrennt.
In Deutschland wird das Gas in „unkonventionellen Lagerstätten“ vor allem in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Nord-Hessen und dem Oberrheingraben vermutet.
Über das weltweit größte Vorkommen verfügt laut einer Studie des US-Energieministeriums China, danach kommen die USA und Argentinien. In den USA sind die Energiepreise durch die massive Erschließung von Gasvorkommen eingebrochen - allerdings gibt es Berichte über massive ökologische Folgen.
Fracking bleibt damit eine Nischentechnologie. Doch der Entwurf würgt ihr Potenzial nicht voll ab. So verbietet er zwar Fracking zur Ausbeutung sogenannter unkonventioneller Lagerstätten, wenn diese oberhalb von 3000 Metern Tiefe liegen. Das sind zum Beispiel Schieferschichten oder Kohleflöze, in denen Gas fest gebunden ist. Dieses Gas kann nur durch den Einsatz von Chemikalien gelöst werden.
Doch gleichzeitig kann es Ausnahmen geben. Denn Probebohrungen, die das Trinkwasser nicht gefährden, sind unter scharfen Vorgaben möglich. Eine sechsköpfige Expertenkommission soll die Ergebnisse der Probebohrungen dann bis 2018 auswerten. Der kommerzielle Abbau könnte auf diesen Weg möglich gemacht werden.
Der Wirtschaft geht das natürlich nicht weit genug. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hält die Auflagen für die Erdgasförderung insgesamt für „vollkommen überzogen“.
Doch die Technologie birgt Risiken. In Niedersachen, wo seit Jahrzehnten auf konventionelle Weise gefrackt wird, kam es schon zu Unfällen, bei denen giftiges Lagerstättenwasser in die Erde drang.
Meilensteine der Ölpreisentwicklung
Die ersten gewinnbringenden Erdölbohrungen finden Mitte des 19. Jahrhunderts statt. In dieser Zeit entstehen auch die ersten Raffinerien. Bis 1864 steigt der Ölpreis auf den Höchststand von 8,06 Dollar pro Barrel (159 Liter); inflationsbereinigt müssen damals im Jahresdurchschnitt 128,17 US-Dollar gezahlt werden. In den folgenden Jahrzehnten bleibt der Preis auf einem vergleichsweise niedrigen Level, fällt mitunter sogar, bedingt etwa durch den Erfolg der elektrischen Glühlampe, durch die Öl im privaten Haushalt nicht mehr zur Beleuchtung nötig ist.
Mit dem Erfolg des Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts steigt die Öl-Nachfrage rasant; speziell in den USA, wo der Ford Modell T zum Massenprodukt wird. 1929 fahren insgesamt 23 Millionen Kraftfahrzeuge auf den Straßen. Der Verbrauch liegt 1929 in den Staaten bei 2,58 Millionen Fass pro Tag, 85 Prozent davon für Benzin und Heizöl. Die Preise bleiben allerdings weiter unter fünf Dollar pro Fass (nicht inflationsbereinigt), da auch mehr gefördert wird.
In den 30er Jahren kommt die Große Depression, die Unternehmenszusammenbrüche, Massenarbeitslosigkeit, Deflation und einen massiven Rückgang des Handels durch protektionistische Maßnahmen zur Folge hat. Während der Weltwirtschaftskrise verringert sich die Nachfrage nach Erdöl und der Preis sinkt auf ein historisches Tief. 1931 müssen bloß noch 0,65 Dollar pro Barrel gezahlt werden (inflationsbereinigt etwa zehn US-Dollar). So billig sollte das schwarze Gold nie wieder sei.
Nachdem sich die Weltkonjunktur erholt hat, steigt der Preise für Öl wieder, bleibt aber konstant unter fünf Dollar pro Barrel. Für die Jahre zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Ölkrise im Herbst 1973 spricht man deshalb vom „goldenen Zeitalter“ des billigen Öls.
In den 70er und 80er Jahren kommt der Ölpreis in Bewegung. Als die Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) nach dem Krieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarn im Herbst 1973 die Fördermengen drosselt, um politischen Druck auszuüben, vervierfacht sich der Weltölpreis binnen kürzester Zeit. Zum Ende des Jahres 1974 kostet ein Barrel über elf Dollar (inflationsbereinigt fast 55 US-Dollar). Dies bekommen auch Otto-Normal-Bürger zu spüren: In Deutschland bleiben sonntags die Autobahnen leer, in den USA bilden sich Schlangen vor den Tankstellen.
Während der zweiten Ölkrise in den Jahren 1979/1980 zieht der Ölpreis nach einem kurzfristigen Rückgang weiter an. Ausgelöst wird dies im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Islamischen Revolution. Nach dem Angriff Iraks auf Iran und dem Beginn des Ersten Golfkrieg explodieren die Preise regelrecht. Auf dem Höhepunkt im April 1980 kostet ein Barrel 39,50 Dollar (inflationsbereinigt 116 Dollar).
Die 80er und 90er Jahre sind – abgesehen von dem kurzzeitigen Anstieg verursacht durch den Zweiten Golfkrieg – eine Phase niedriger Ölpreise. Die Industriestaaten befinden sich in einer Rezession und suchten aufgrund vorhergehenden Ölkrisen mit besonders hohen Preisen nach alternativen Energiequellen. Weltweit gibt es Überkapazitäten. Während der Asienkrise 1997/1998 sinkt die Nachfrage weiter. Ende des Jahres 1998 werden 10,65 Dollar pro Barrel verlangt.
Nach Überwindung der Krise wachsen die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell. Selbst die Anschläge auf das World Trade Center 2001 sorgen nur für einen kurzen Rücksetzer. Anfang 2008 steigt der Ölpreis erstmals über 100 US-Dollar je Barrel, Mitte des Jahres sogar fast auf 150 Dollar. Ein Grund für den Preisanstieg wist der Boom des rohstoffhungrigen China, mittlerweile zweitgrößter Verbraucher der Welt.
Die globale Finanzkrise und eine schwächelnde Konjunktur sorgen für einen Rückgang der Nachfrage. Gleichzeitig bleibt das Angebot durch die massive Förderung in den USA (Fracking) hoch. Die Folge: Der Ölpreis bricht ein. Ab Sommer 2014 rutscht der Preis für Brentöl innerhalb weniger Monate um rund 50 Prozent auf 50 Dollar. Erst im Februar 2015 erholte sich der Ölpreis leicht und schwankt um die 60 Dollar je Barrel.
Im Mai 2015 hatten sich die Ölpreise zwischenzeitlich erholt. Die Sorte Brent erreichte mit einem Preis von 68 US-Dollar je Barrel ein Jahreshoch. Von da aus ging es bis September des Jahres wieder steil bergab auf 43 Dollar. Nach einer Stabilisierung zwischen September und November nahm der Ölpreis seine wieder Talfahrt auf. Am 15. Januar hat der Ölpreis die 30-Dollar-Marke unterschritten.
Ein guter Kompromiss
Die Bundesregierung hat bei ihrem Entwurf ein gutes Maß gefunden. So hat sie etwa auch die Haftungsregelungen geändert. Bislang mussten die Bürger nachweisen, dass etwa ein Riss in ihrem Haus durch die Frackingtechnologie verursacht worden sein könnte. Ab 2016 soll die Beweislastumkehr gelten.
Ohnehin ist das Potenzial der Technologie in Deutschland überschaubar. Experten rechnen vor: Maximal zehn Jahre könnte der Gasbedarf in Deutschland mit Fracking-Gas gedeckt werden. Aber auch nur, wenn man alle Gasquellen mittels Fracking erschließen würde. Das ist unwahrscheinlich. Denn in den allermeisten Regionen dürfte mit massiven Bürgerprotesten gerechnet werden. Zudem ist Fracking eine teure Technologie. Nicht überall, wo Schiefergas liegt, lohnt sich die Förderung auch.
In den USA ist die anfängliche Euphorie über das Fracking deshalb schon wieder deutlich abgekühlt. Seitdem der Ölpreis in den Keller rauschte, gerieten die Förderfirmen unter finanziellen Druck. Bei dauerhaft niedrigen Energiepreisen dürfte sich das Fracking daher nicht mehr rechnen. Auch in Polen, wo große Mengen an unkonventionellem Gas vermutet wurden, haben sich viele Förderfirmen wieder zurückgezogen, weil es sich nicht lohnte.
Befürworter haben das Potenzial von Fracking bislang überschätzt. Kritiker haben die Risiken hingegen überdramatisiert. Wie so oft im Leben, liegt die Wahrheit in der Mitte. Genau deshalb ist der Gesetzesentwurf ein guter Kompromiss.