Im koalitionsinternen Streit um die Förderung von Frackinggas in Deutschland hat Bundeskanzler Olaf Scholz den Forderungen von FDP-Chef Christian Lindner nach einer Ausbeutung der heimischen Vorräte eine Absage erteilt. „Wir werden alles tun, um die Versorgung mit Gas auch auf der kurzen Strecke sicherzustellen“, sagte Scholz bei einem Besuch der BASF Schwarzheide GmbH in Sachsen. „Wir sorgen jetzt für Tempo beim Aufbau einer Importinfrastruktur“, versicherte der Kanzler. Auf die Frage, ob angesichts der Preisexplosion beim Gas nicht neu über die Exploration der deutschen Lagerstätten nachgedacht werden müsse, verwies Scholz die Bemühungen der Bundesregierung, über die norddeutschen Häfen und den verstärkten Bau von Pipelines LNG zu importieren. Man werde zwar „für einen überschaubaren Zeitraum noch Gas brauchen“, sagte Scholz, aber das werde kontinuierlich zurückgehen. Spätestens 2045 wolle Deutschland als weiterhin führendes Industrieland CO-2-frei produzieren.
Investition in Batterietechnik
Im Mittelpunkt des Kanzlerbesuchs bei der BASF stand der Neubau einer Fabrik für die Herstellung von Kathodenmaterialien, um die Effektivität von Batterien zu steigern. Die Investition in Schwarzheide sei ein wichtiger Schritt zum Aufbau einer europäischen Wertschöpfungskette für Elektrofahrzeuge, sagte Scholz. BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller verwies darauf, dass damit die Transformation der Industrie fortgeführt werde. Außerdem werden in Schwarzheide Anlagen für Batterierecycling sowie ein Solarpark aufgebaut. Brudermüller sagte, er habe mit dem Kanzler über „die notwendigen Rahmenbedingungen für die Fortführung der Transformation der Wirtschaft“ gesprochen, machte aber keine näheren Angaben, was konkret er damit gemeint habe. Aus Unternehmenskreisen wurde bestätigt, dass der Mangel an Gas und die Rekordpreise eine existenzielle Bedrohung darstellen.
Chemie ist größter Gasverbraucher
Die Chemiebranche ist der größte Gasverbraucher in Deutschland, die Unternehmen sind mehr als andere auf sichere und bezahlbare Gaslieferungen angewiesen. Rund 90 Prozent der industriellen Vorprodukte in der Chemie beruhen auf Gas; sie stehen im Zentrum der gesamten Wertschöpfungskette. Angesichts der ausbleibenden russischen Lieferungen und der Preisexplosion ist die Debatte über die Ausbeutung der heimischen Gasvorkommen wieder entbrannt. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner fordert deshalb einen raschen Einstieg in die Exploration mittels Fracking, also dem Herauslösen von Gas aus tieferen Gesteinsschichten mittels Wasserdruck und Chemikalien.
Lindner: Fracking ist verantwortbar
Lindner hält die Förderung unter ökologischen Voraussetzungen für verantwortbar. „Wir haben in Deutschland erhebliche Gasvorkommen, die gewonnen werden können, ohne das Trinkwasser zu gefährden“, betont der FDP-Chef. Es sei hingegen angesichts der Gasknappheit nicht hinnehmbar, aus rein „ideologischen Gründen auf Fracking zu verzichten“. Bislang ist Lindner mit seiner Forderung jedoch nicht nur auf Widerstand von Scholz gestoßen; auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lehnt die Methode ab. Bislang importiert die Bundesrepublik LNG-Gas aus den USA und anderen Ländern, was dort mittels Fracking gewonnen wird.
Das Potenzial der heimischen Vorkommen wird vom Bundesverband Erdgas (BVEG) auf 450 Milliarden Kubikmeter technisch erschließbaren Erdgases aus Kohleflözen geschätzt; hinzu kommen bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter technisch erschließbares Erdgas aus Schiefergesteinen. Damit könnte die deutsche Versorgung für mehrere Jahre gesichert werden.
Lesen Sie auch: Mehr als zwei Billionen Kubikmeter: Hier kann Deutschland Gas fracken