Fracking Wie Niedersachsen seinen Gas-Schatz ablehnt

Ein Teilnehmer trägt bei einer Demonstration gegen die Erdgasfördermethode Fracking einen Button mit der Aufschrift

Ob in Deutschland Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten gefördert werden soll, ist stark umstritten. Dabei ist vor allem Niedersachsen zentraler Akteur in der Debatte. Wie sich die einzelnen Parteien positionieren.

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Die Diskussion über einen möglichen Fracking-Einstieg hält seit Monaten an. Während Stimmen aus Industrie und Wissenschaft sich vermehrt für die Technologie aussprechen, lehnen große Teile aus Politik und Gesellschaft die Fracking-Methode zur Förderung von Gas ab.

Dabei ist vor allem ein Bundesland in der Debatte zentral: Niedersachsen. Hier liegen die größten Vorkommen im Schiefergestein, in einem etwa 30 Kilometer breiten und 150 Kilometer langen Streifen zwischen Hannover und der niederländischen Grenze. Schon heute werden in Niedersachsen über 97 Prozent des deutschen Fördervolumens von Gas gewonnen. Insgesamt fließen in Deutschland nach Schätzungen etwa ein Drittel der heimischen Erdgasproduktion aus gefrackten Bohrungen, obwohl die letzte Maßnahme über zehn Jahre zurückliegt.

Mit dem Einstieg in die Fracking-Technologie in unkonventionellen Förderstätten könnte die deutsche Energienot gelindert werden. Was die FDP auf Bundesebene als Innovation begreift, lehnen die Koalitionspartner SPD und Grüne vehement ab. Auf Landesebene sieht es ähnlich aus. Hier schaffte es die Debatte im letzten Jahr zu den niedersächsischen Landtagswahlen in den politischen Raum, als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf die Möglichkeit hinwies, Gas auch hierzulande zu fracken. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) konterte scharf: „Geht’s noch?! Lieber Markus Söder, wie wär’s endlich mit Windkraft in Bayern?“

von Angelika Melcher, Thomas Stölzel

Die WirtschaftsWoche hat bei SPD, Grüne und FDP nachgefragt. Das sagen die einzelnen Parteien.

Christian Meyer (Grüne)

Christian Meyer (Grüne) niedersächsischer Umweltminister Quelle: imago images

Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer sieht sein Bundesland als Hauptbetroffen in der Debatte. Er möchte, dass das Frackingverbot in Deutschland bestehen bleibt und will die Gasförderung insgesamt auslaufen lassen.

Nicht nur die heimische Förderung ist damit ein rotes Tuch, auch der Import durch LNG ist als Übergangslösung zu verstehen – denn auch hier wird gefracktes Gas importiert. Nur eben nicht in Deutschland gewonnen. Auch russisches Gas wurde teilweise mittels Fracking gefördert. „Gas aus Russland wurde zu großen Teilen auch gefrackt und zu miserablen Umweltbedingungen erzeugt, da haben sich zu wenig Leute drüber aufgeregt“, sagt Meyer.

Zwar sei der Import von Gas aus Katar zum Beispiel nicht gefrackt, „dafür beziehen wir da Gas aus einer Diktatur. In den USA wird gefrackt, dafür beziehen wir Gas aus einem demokratischen Land. Es gibt kein gutes und kein schlechtes fossiles Gas“. Der Import müsse so schnell wie möglich auf grünes Gas und grünen Wasserstoff umgestellt werden, zum Beispiel auf den von Robert Habeck geplanten grünen Ammoniak aus Namibia.

Olaf Lies (SPD)

Olaf Lies (SPD), niedersächsischer Wirtschaftsminister Quelle: imago images

Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) lehnt die Erdgasförderung aus unkonventionellen Lagerstätten ab: „Wenn wir in eine Technologie einsteigen, mit der wir in frühestens fünf Jahren beginnen, nennenswerte Mengen Erdgas zu fördern und das dann über einen längeren Zeitraum machen, binden wir uns an fossiles Gas.“ Zuvor sei importiertes Gas extrem günstig gewesen, „deswegen war es gesamt volkswirtschaftlich nicht interessant zu fracken“

Anders als Umweltminister Meyer weist er auf die Wichtigkeit der konventionellen Förderung als „sinnvolles Instrument“ hin, mit welchem Niedersachsen „in diesen Krisenzeiten einen Beitrag zur Energieversorgung leistet“. Sein Bundesland übernehme in großem Maß Verantwortung für die deutsche Energiesicherheit und die konventionelle Förderung werde es auch in naher Zukunft noch geben.

Während in den nächsten Jahren also weiter Gas gefördert und importiert werden soll, sollen parallel Brücken gebaut werden, um in Zukunft von fossilem zu grünem Gas zu wechseln. „Mit unserer aktuellen Import-Strategie können wir in fünf bis zehn Jahren aussteigen und aus Ländern importieren, die Gas aus Wasserstoff oder Methan herstellen. Bis 2040 soll der Import sich nur noch auf grünes Gas konzentrieren“, kommentiert der Wirtschaftsminister. Bis es so weit ist, ermögliche LNG, zwischen den Herkunftsländern des Gases zu diversifizieren.

Konstantin Kuhle (FDP)

Konstantin Kuhle, Generalsekretär FDP Niedersachsen Quelle: imago images

Die FDP setzt sich seit Monaten für einen Fracking-Einstieg in Deutschland ein. In Niedersachsen verpasste die FDP im letzten Jahr den Einzug in den Landtag – damit verschwand das Thema aus dem politischen Raum. Konstantin Kuhle, Generalsekretär der FDP Niedersachsen, kritisiert das: „Das Thema wird gänzlich ausgeschlossen, das halte ich für völlig weltfremd und unverantwortlich“.

Zentrales Argument von Kuhle ist, dass Deutschland sich abhängig vom Ausland macht, währen der heimische Förderanteil bei fünf Prozent stagniere und Staaten wie Dänemark ihre Gasförderungen erweitern. „Das ist nicht richtig, weil es angesichts der Transportkosten, der Umweltbelastung und der Praktikabilität sinnvoll wäre, heimische Vorkommen stärker zu nutzen“. Auch das immer wieder gebrauchte Argument, der Einstieg würde zu viel Zeit kosten, sieht Kuhle mit Blick auf den schnellen Bau von LNG-Terminals als nichtig.

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