Fragen und Antworten Beispiellose Eskalation – wie der außergewöhnliche Streik am Montag ablaufen wird

Am Montag soll in ganz Deutschland gestreikt werden. Quelle: dpa

Bahnen, Busse, Flugzeuge, Schiffe und Autobahntunnel – die Gewerkschaften setzen auf volle Eskalation. Am Montag wird der Verkehr in weiten Teilen Deutschlands still stehen, bleibt es beim einmaligen Superstreiktag?

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Deutschland dürfte an diesem Montag in weiten Teilen ins Verkehrschaos stürzen. Mit einem doppelten Warnstreik wollen die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Verdi den Verkehr weitgehend lahmlegen. Ausfälle und Verspätungen betreffen Millionen Reisende und Pendler. Die Bundesregierung ruft die beteiligten Tarifparteien daher zu einer Verhandlungslösung vor dem bundesweiten Verkehrsstreik auf.

Überblick über eine beispiellose Eskalation:

In welchem Umfang ist die Bahn betroffen?

Die Eisenbahn-und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ruft insgesamt rund 230.000 Beschäftigte bei rund 50 Eisenbahn-Unternehmen zum Arbeitskampf auf. Der Eisenbahnverkehr in Deutschland wird daher nahezu vollständig zum Erliegen kommen. Die Deutsche Bahn stellt den Fernverkehr ein. Auch die meisten Regional- und S-Bahnen fallen aus – unabhängig für welches Unternehmen sie unterwegs sind.

Welche Verkehrsbereiche werden noch bestreikt?

Im Organisationsbereich von Verdi liegt der öffentliche Nahverkehr. Busse, Straßen- und U-Bahnen in den Bundesländern Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und in weiten Teilen Bayerns sollen am Montag in den Depots bleiben.

Der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst droht zu eskalieren, die Gewerkschaften weiten ihre Warnstreiks aus. Ist das noch verhältnismäßig? Der Arbeitsrechtler Gregor Thüsing fordert eine Reform des Streikrechts.
von Bert Losse

Bestreikt werden von Verdi auch in großem Umfang die deutschen Flughäfen – laut Flughafenverband ADV können etwa 380.000 Geschäfts- und Privatreisende nicht abheben. Etwa am größten Airport in Frankfurt kommt der Passagierverkehr zum Erliegen. Am Flughafen München gibt es sogar am Sonntag und Montag keinen regulären Flugbetrieb.

Eingeschränkt werden soll auch die Schifffahrt. Am Hamburger Hafen etwa sollen große Schiffe nicht einlaufen können. Zudem ist die Autobahngesellschaft betroffen, die für den sicheren Betrieb auf den bundeseigenen Fernstraßen zuständig ist.

Was kommt auf Autofahrerinnen und Autofahrer zu?

Auf den Straßen dürfte es sehr voll werden, zumal in den Städten, in denen auch der Nahverkehr bestreikt wird. Zunächst war befürchtet worden, dass sogar Tunnel gesperrt werden müssten, weil diese nicht mehr überwacht werden könnten. Die Autobahngesellschaft wies diese Befürchtung zurück und verwies auf geplante Notdienstvereinbarungen.

Wann beginnt der Großstreik genau?

In der Nacht auf Montag um 00.00 Uhr soll es losgehen – 24 Stunden soll der Ausstand andauern. EVG-Chef Martin Burkert empfahl Reisenden ausdrücklich, am Sonntag rechtzeitig am Ziel zu sein. Auf offener Strecke sollen Reisende aber nicht stranden.

Wie geht es am Tag danach weiter?

Vielerorts werden die Auswirkungen des Warnstreiks auch am Dienstag noch zu spüren sein. Im Fernverkehr der Deutschen Bahn etwa wird es dauern, bis die ICE- und IC-Züge wieder dort sind, wo sie gebraucht werden. Es sei daher vor allem im Tagesanlauf weiter mit Zugausfällen zu rechnen, teilte die Bahn mit. Auch an den Flughäfen sind Auswirkungen noch am Dienstag möglich.

Die Gehaltsforderungen und Streiks im öffentlichen Dienst deuten auf einen beispiellos hohen Tarifabschluss hin. Das freut die Beschäftigten, provoziert aber ökonomische Kollateralschäden – eine Lohn-Preis-Spirale droht.
von Bert Losse

Wird es schon bald weitere große Streiktage geben?

Der große gemeinsame Streiktag ist eine länger geplante, aber zunächst einmalige Aktion der beteiligten Gewerkschaften. Verdi will mit dem Warnstreik pünktlich zum Start der dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst am Montag in Potsdam den Druck auf die Kommunen und den Bund erhöhen. Wenn sich beide Seiten nun in Potsdam einigen, könnte die Eisenbahngewerkschaft EVG mögliche weitere Bahnstreiks ohnehin nicht mehr im Schulterschluss mit Verdi machen. Aber angesichts der konfrontativen Situation sind weitere Ausstände auch im öffentlichen Dienst längst nicht vom Tisch.

Worum geht es bei der Bahn?

Die EVG kämpft mit rund 50 Eisenbahn-Unternehmen um mehr Geld – besonders im Blick: die Deutsche Bahn. Bei den Eisenbahnen beginnt die zweite Verhandlungsrunde kommende Woche. Mit der Deutschen Bahn will die EVG in diesem Rahmen Ende April wieder zusammen kommen. Zeit für weitere Bahn-Warnstreiks ist also vorhanden.

Könnte es dann den Osterverkehr treffen?

EVG-Chef Martin Burkert schließt Warnstreiks zu Ostern grundsätzlich nicht aus. Gleichwohl gab die Gewerkschaft zuletzt zu verstehen, sie habe die Interessen von Osterreisenden im Blick.



Ist der gemeinsame Streiktag rechtens?

Das Recht zur Bildung von Gewerkschaften ist im Grundgesetz festgeschrieben, Arbeitskämpfe sind rechtlich geschützt. Auch die Bundesregierung verwies auf das Grundrecht auf Streik. Warnstreiks im öffentlichen Dienst und bei der Bahn sind also nach dem Ende der Friedenspflicht rechtens – Kritik gibt es aber daran, dass die Gewerkschaften beide verschränken. Die Verhandlungsführerin der Kommunen, Karin Welge, sagt: „Am Ende kann keiner mehr nachvollziehen, wegen welcher Tarifrunde wo genau gestreikt wird.“ Arbeitgeberpräsident Steffen Kampeter meint: „Großstreiks, die ein Land lahmlegen sollen, sind keine Warnstreiks.“

Gab es schon derartige Gemeinschaftsstreiks?

Ja, Anfang der 1990er Jahre. Damals wurden während eines sogar mehrwöchigen Streiks der Nah- und Fernverkehr sowie Flughäfen in ganz Deutschland gleichzeitig bestreikt. Dabei handelte es sich aber um einen regulären Arbeitskampf, nicht um Warnstreiks.

Erschwert der Superstreiktag die Verhandlungen?

Die kommunale Topverhandlerin Welge jedenfalls rügt das „fragwürdige Verhalten“ der Gewerkschaften. Den Gewerkschaften wirft die Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen vor, so zu tun, als seien keine Kompromisse denkbar. Dabei solle nun in Potsdam ein Ergebnis gefunden werden. Allerdings sind Gewerkschaften und Arbeitgeber weit voneinander entfernt: So wollen die Gewerkschaften für die 2,5 Millionen Beschäftigten der Kommunen und des Bundes wegen der hohen Inflation 10,5 Prozent mehr Einkommen über 12 Monate herausholen, mindestens 500 Euro mehr. Die Arbeitgeber wollen keinen Mindestbetrag – und bieten 5 Prozent mehr Lohn über 27 Monate.

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Welche Szenarien sind denkbar?

Verdi-Chef Frank Werneke stellt auf Kundgebungen im ganzen Land seit Wochen Spekulationen über ein mögliches vorläufiges Scheitern an. Die möglichen Szenarien umfassen eine Einigung in Potsdam, ein Schlichtungsverfahren, eine Verabredung zu einer weiteren Runde oder auch Urabstimmung und Erzwingungsstreik.

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