
Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird zwölfter Bundespräsident Deutschlands. Die Bundesversammlung wählte den 61-jährigen SPD-Politiker am Sonntag in Berlin im ersten Wahlgang mit 931 von 1239 gültigen Stimmen zum Nachfolger von Joachim Gauck. Dieser hatte aus Altersgründen auf eine zweite Amtszeit verzichtet. Steinmeier, der Kandidat von CDU/CSU und SPD war, kam auf eine Zustimmung von gut 75 Prozent. 103 Mitglieder der Bundesversammlung enthielten sich. Steinmeier nahm die Wahl direkt im Anschluss an die Verkündung des Ergebnisses an. „Gerne sogar“, sagte er.
Die Kandidaten der anderen Parteien blieben wie erwartet chancenlos. Auf den von der Linken aufgestellten Armutsforscher Christoph Butterwegge entfielen 128 Stimmen, der von der AfD nominierte frühere Kommunalpolitiker Albrecht Glaser erhielt 42 Stimmen und der von den Freien Wählern präsentierte Jurist Alexander Hold 25 Stimmen. Der von der Piratenpartei nominierte Engelbert Sonneborn, Vater des Satirikers und Europaabgeordneten Martin Sonneborn, bekam 10 Stimmen.
Mit Spannung war erwartet worden, wie viele Mitglieder der Bundesversammlung für Steinmeier stimmen würden. Es war vermutet worden, dass es vor allem aus CDU und CSU, die keinen eigenen Kandidaten präsentiert hatten, nicht nur Zustimmung für den prominenten SPD-Politiker geben würde. Union und SPD hatten zusammen mehr als 900 Stimmen, also weit mehr als die im ersten Wahlgang notwendige absolute Mehrheit. Nominell hatte die Bundesversammlung 1260 Mitglieder - einige fehlten aber entschuldigt.
Bundespräsidenten und ihre Wahlergebnisse
Er verschafft dem Amt Profil und dem neuen Staat Ansehen im Ausland. Heuss wird 1949 im zweiten Wahlgang mit 52 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt. Fünf Jahre später erhält er bei seiner Wiederwahl im ersten Wahlgang das bislang beste Ergebnis aller Bundespräsidenten: 88,2 Prozent.
Verdienste erwirbt sich der Sauerländer vor allem als Besucher und Fürsprecher der Entwicklungsländer. Er wird 1959 im zweiten Wahlgang mit 50,9 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt. Bei seiner Wiederwahl 1964 erreicht er im ersten Wahlgang 69,3 Prozent.
Der in Schwelm (NRW) geborene „Bürgerpräsident“ verschreibt sich der „Überwindung der Untertänigkeit“ und der „Erziehung der Deutschen zu mündigen Menschen“. Er wird im dritten Wahlgang mit nur 50,05 Prozent gewählt.
Der gelernte Bankkaufmann aus Solingen (NRW) ist wegen seiner leutseligen Art populär. Aufsehen erregt 1976 seine Entscheidung, das Gesetz zur Abschaffung der Gewissensprüfung bei Wehrdienstverweigerern nicht zu unterzeichnen. 51,3 Prozent lautet das Ergebnis im ersten Wahlgang.
Der aus Bremen stammende Jurist ist anfangs Feindseligkeiten wegen seiner früheren Mitgliedschaft in der NSDAP ausgesetzt. Später erreicht er als wandernder Präsident Popularität. Er erreicht im ersten Wahlgang 51,2 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Er beeinflusst durch seine Reden das politische Klima in Deutschland und wird auch der erste gesamtdeutsche Präsident. Er wird im ersten Wahlgang mit 80,9 Prozent gewählt. Bei seiner Wiederwahl fünf Jahre später übertrifft er dieses Resultat noch: Mit 86,2 Prozent fährt er im ersten Wahlgang ein Rekordergebnis ein
In seiner Amtszeit warnt der frühere Verfassungsgerichtspräsident aus Landshut (Bayern) immer wieder vor Reformmüdigkeit. Besonders in Erinnerung bleibt seine Rede von 1997 mit dem zentralen Satz: „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen.“ Er wird im dritten Wahlgang mit 52,7 Prozent der abgegebenen Stimmen gewählt.
Gemäß seinem Lebensmotto „Versöhnen statt spalten“ tritt der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident für das Zusammenleben von Deutschen und Ausländern ein. Als historisch gilt seine Rede vor dem israelischen Parlament, in der er um Vergebung für die Verbrechen des Holocaust bittet. Er erreicht im zweiten Wahlgang 51,8 Prozent.
Der Ex-Direktor des Internationalen Währungsfonds ist der erste Seiteneinsteiger an der Staatsspitze. Sein Rücktritt am 31. Mai 2010 wegen missverständlicher und stark kritisierter Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz kommt völlig überraschend. Er wird in seine erste Amtszeit im ersten Wahlgang mit 50,17 Prozent gewählt. Fünf Jahre später bekommt er im ersten Wahlgang 50,1 Prozent.
Mit 51 Jahren wird er der bisher jüngste Bundespräsident, mit 598 Tagen hat er auch die bisher kürzeste Amtszeit. Nach Horst Köhler ist er das zweite Staatsoberhaupt in der bundesdeutschen Geschichte, das vorzeitig zurücktritt. Wulff erhält im dritten Wahlgang 50,3 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Der frühere evangelische Pastor ist bei seiner Wahl mit 72 Jahren der älteste aller bisherigen Präsidenten. An Orten schlimmster deutscher Gräueltaten in Frankreich, Griechenland oder Italien bekennt er sich zur deutschen Schuld und schafft damit die Grundlage auch für sein eigenes internationales Ansehen. Gauck erreicht im ersten Wahlgang 80,4 Prozent.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte die Bundesversammlung zu einer eindringlichen Warnung an US-Präsident Donald Trump und andere Populisten genutzt, die internationalen Beziehungen nicht zu gefährden. „Wer Abschottung anstelle von Weltoffenheit fordert und sich sprichwörtlich einmauert“, wer ein „Wir zuerst“ zum Programm erkläre, dürfe sich nicht wundern, wenn es ihm andere gleichtäten - „mit allen fatalen Nebenwirkungen für die internationalen Beziehungen“, sagte Lammert zum Auftakt der Versammlung, ohne Trump beim Namen zu nennen.
In einer spontanen Reaktion erhob sich ein Großteil der Mitglieder der Bundesversammlung und applaudierte Lammert stehend, darunter auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Nicht etwa die Werte des Westens stünden in Frage, „wohl aber unsere Haltung - zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und den Prinzipien der repräsentativen Demokratie“, warnte Lammert. Herausforderungen wie die Migrationsströme oder der Kampf gegen Terrorismus und Klimawandel könnten nicht von Nationalstaaten allein bewältigt werden. Wenn weder der russische noch der US-Präsident ein Interesse an einem starken Europa erkennen lasse, „ist dies ein zusätzliches Indiz dafür, dass wir selbst dieses Interesse an einem starken Europa haben müssen“.
Ein Rückblick auf die Wahl des Bundespräsidenten in Zahlen
Zu einer Panne kommt es 2004: Im ersten Wahlgang werden 602 Stimmen für Horst Köhler (CDU) verbucht - eine weniger als für die absolute Mehrheit erforderlich. Bei der von der Union geforderten zweiten Auszählung werden zwei Köhler-Stimmzettel im Paket von Gegenkandidatin Gesine Schwan (SPD) entdeckt. Seitdem müssen alle Wahlgänge drei Mal ausgezählt werden.
Für die Nachfolge von Joachim Gauck sind 2017 erstmals wieder fünf offizielle Kandidaten im Rennen. Das letzte und bislang einzige Mal standen 1994 so viele Namen auf der Liste. Neben Roman Herzog (CDU) bewarben sich Johannes Rau (SPD), Hildegard Hamm-Brücher (FDP), Jens Reich (parteiloser Kandidat der Grünen) und Hans Hirzel (Republikaner) um das Amt. Herzog gewann im dritten Wahlgang.
Von den bislang elf Bundespräsidenten sind die ersten acht gestorben, zuletzt Herzog im Januar. Außer Dienst sind Köhler, Christian Wulff und - ab März - Gauck.
Alle acht Kandidatinnen scheitern bei der Wahl für das höchste Amt. Das beste Ergebnis mit nahezu 49 Prozent der Stimmen holt 2004 die Politologin Schwan gegen Köhler. Weitere Kandidatinnen waren etwa Bundestags-Vizepräsidentin Annemarie Renger (SPD, 1979), die Physikerin Dagmar Schipanski (CDU/CSU-Kandidatin, 1999), die Ex-Außenstaatsministerin Hamm-Brücher (FDP, 1994) und die als „Nazi-Jägerin“ bekannt gewordene Beate Klarsfeld (Linke, 2012).
Als er 2010 das Amt des Bundespräsidenten antritt, ist Wulff mit 51 Jahren das bisher jüngste deutsche Staatsoberhaupt. Sein Nachfolger Gauck wiederum ist das älteste: Er zieht mit 72 Jahren ins Schloss Bellevue ein.
So viele Stimmen holt Theodor Heuss 1954 bei seiner Wiederwahl. Es ist das bisher beste Ergebnis in einer Bundesversammlung. Dahinter folgt Richard von Weizsäcker mit 86,2 (1989) und 80,9 Prozent (1984). Gauck holt 2012 auf Anhieb 80,4 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die geringste Mehrheit hat 1969 Gustav Heinemann im dritten Wahlgang: 50,05 Prozent.
Am 17. Februar 2012 tritt Wulff nach einem Jahr, sieben Monaten und 19 Tagen infolge einer Affäre um einen günstigen Hauskredit und kostenlose Urlaube bei befreundeten Unternehmern zurück. Es ist die bisher kürzeste Amtszeit eines Bundespräsidenten.
Steinmeier war sieben Monate vor der Bundestagswahl am 24. September als Kandidat der großen Koalition ins Rennen gegangen. Weder Unions- noch SPD-Politiker wollten dies aber als Signal für eine erneute große Koalition nach der Bundestagswahl werten. Auch große Teile von Grünen und FDP hatten Zustimmung zu Steinmeiers Kandidatur signalisiert. Zuletzt war 1999 mit Johannes Rau ein Sozialdemokrat ins höchste Staatsamt gewählt worden.
Die Amtszeit des neuen Bundespräsidenten beginnt am 19. März, bis dahin ist Joachim Gauck (77) noch im Amt. Lammert würdigte Gauck: „Das solidarische Miteinander der Bürgerinnen und Bürger lag Ihnen ganz besonders am Herzen.“
Steinmeiers Ehefrau, die Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender, nahm neben der Lebensgefährtin von Joachim Gauck, Daniela Schadt, auf der Besuchertribüne Platz. Unter den Wahlleuten waren Prominente wie der Komiker Hape Kerkeling, die Musiker Roland Kaiser und Peter Maffay, die Schauspielerinnen Iris Berben und Veronika Ferres sowie Bundestrainer Joachim Löw.
59 Prozent der Deutschen erwarten, dass Steinmeier ein guter Bundespräsident wird. Das ergab eine Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“. 19 Prozent glauben demnach nicht, dass Steinmeier ein guter Bundespräsident wird („weiß nicht“, keine Angabe: 22 Prozent).