Frankreichs Innenminister beim Kabinett Kleine Seitenhiebe vom Partner

Premiere für einen französischen Innenminister: Cazeneuve nimmt an einer Kabinettssitzung teil. Das soll zeigen: Paris und Berlin ziehen bei Flüchtlingen und Terror an einem Strang. Die Realität sieht aber anders aus.

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Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve kommt nach Berlin. Quelle: AFP

Berlin, Paris Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve kommt am heutigen Mittwoch zu einem ungewöhnlichen Termin nach Berlin. Er nimmt an der Sitzung des Bundeskabinetts teil, eine Premiere in den deutsch-französischen Beziehungen.

Es gibt einen besonderen Anlass dafür: Er erhält das Bundesverdienstkreuz für die Anstrengungen der französischen Behörden im Rahmen der Bewältigung der Folgen des Germanwings-Absturzes in den französischen Seealpen im März vergangenen Jahres.

Frankreich hatte weder Kosten noch Mühen gescheut, um nach der Katastrophe die Hinterbliebenen der Opfer in die Nähe der Absturzstelle zu bringen, sie zu betreuen und unterzubringen, so lange sie wollten. Mit sehr großem Aufwand wurde die Absturzstelle nach den Überresten der Opfer durchkämmt, die schnellstmöglich identifiziert wurden.

Die Regierung hat nie von den Kosten der Operation gesprochen, die angesichts der vielen eingesetzten Helikopter und Hunderter von Helfern einen hohen Millionenbetrag erreicht haben müssen.

Darüber hinaus wird der sozialistische Innenminister aber auch mit der Bundesregierung über die Zusammenarbeit in Flüchtlingsfragen und bei der Terrorbekämpfung sprechen. Während es bei den Anstrengungen zur Abwendung neuer Terror-Anschläge eine völlige politische Übereinstimmung gibt – wenn auch die Dienste längst nicht reibungslos zusammenarbeiten – so sieht es beim Thema Flüchtlingskrise wiederum ganz anders aus. Frankreich Regierungschef Manuel Valls hat die Bundeskanzlerin mehrfach offen kritisiert.

„Ich war es ja nicht, der die Flüchtlinge gerufen hat“, sagte Valls kürzlich vor Journalisten. Mehrfach hat er sich auf ähnliche Weise geäußert und damit zum Ausdruck gebracht, dass die Bundesregierung quasi den Flüchtlingsansturm ausgelöst habe. Die Tatsache, dass die Menschen in Wirklichkeit vor menschenverachtenden Regimen fliehen, ließ er dabei in den Hintergrund rücken.

Dennoch haben die deutsche und die französische Regierung in vielen Fragen im Rahmen der EU zusammengearbeitet. Das gilt etwa für die Forderung zur Einrichtung von sogenannten Hotspots (Aufnahmezentren) in Italien und Griechenland. Dort sollen die neu ankommenden Flüchtlinge registriert werden, um anschließend auf verschiedene EU Staaten aufgeteilt zu werden.


Flüchtlingsstrom zieht bisher an Frankreich vorbei

Bislang funktioniert dieser Ansatz aber noch nicht. Gemeinsam haben sich Deutsche und Franzosen auch für die Stärkung der EU-Einsatztruppe Frontex stark gemacht. Eine weitere gemeinsame deutsch-französische Forderung ist es, an den Außengrenzen der EU auch Beamte aus anderen Mitgliedstaaten einzusetzen, vor allem, um die überforderten griechischen Behörden zu unterstützen. Die wiederum zeigen sich dafür noch wenig empfänglich.

Keinerlei Anstalten machen die Franzosen dagegen, den Deutschen eine größere Zahl von Flüchtlingen aus Syrien oder dem Irak abzunehmen. Frankreich hat historisch viel engere Beziehungen zu Syrien als Deutschland, weil es bis nach dem Zweiten Weltkrieg Mandatsmacht für Syrien war. Dennoch sehen die Franzosen derzeit keinen Anlass, die Last der nach Deutschland strömenden Syrer teilweise auch auf sich zu nehmen. Man ist in Paris sehr froh darüber, das der Flüchtlingsstrom an Frankreich bislang vorbeizieht.

Das ist nicht einmal aus egoistischen finanziellen oder wirtschaftlichen Gründen so, sondern aus der großen Angst heraus, mit jedem zusätzlichen Flüchtling könnte sich der Zuspruch für die rechtsextreme Front National weiter verstärken.

Erstaunlicherweise hat die sozialistische Regierung praktisch völlig darauf verzichtet, die guten humanitären und verfassungsrechtlichen Gründe für die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen offensiv zu vertreten. Das gilt bis auf wenige Ausnahmen wie die sozialistische Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, oder Außenhandelsminister Matthias Fekl, der aktuell im Interview mit dem Handelsblatt sagt: „Es geht um Europas Seele.“

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