Das legt auch die Reaktion einiger Regierungen nahe. Denn wie nicht anders zu erwarten, hat die Politik diese Ideen begeistert aufgegriffen, zeigen sie doch, wie die Politik sich segensreich für die Menschen einsetzen kann. In Großbritannien und den USA haben die Regierungen geprüft, wie sie das Leben ihrer Bürger mit kleinen Schubsern verbessern können.
Auch in Deutschland wird seit einigen Wochen daran gearbeitet, Politik wirksamer zu machen, ohne dass der Begriff “Nudge“ verwendet wird. Drei Mitarbeiter im Kanzleramt bilden eine Projektgruppe „Wirksam regieren“. Die Idee, Politik besser zu vermitteln und damit die Ziele wirksamer zu erreichen, ist generell gut. Dennoch sollte man achtsam bleiben. Die beste Methode, Politik wirksam zu machen, ist eine überzeugende Begründung (und damit eng verbunden eine hohe Qualität der Politik). Die Mietpreisbremse wird wohl nicht im Sinne der Mieter wirken, da kann man schubsen, soviel man will!
Zum Verständnis der möglichen Problematik dieser neuen Projektgruppe hilft vielleicht ein Beispiel, dieses Mal der Energieverbrauch. Es ist erklärtes Ziel der deutschen Politik, den Verbrauch fossiler Energie zu senken. Das macht Sinn, dürfte aber auch im individuellen Interesse jedes Bürgers liegen, denn Energiesparen senkt die Kosten. Zur Sensibilisierung wird für jedes Gebäude ein Energiepass erstellt, der deutlich macht, ob und inwieweit das Gebäude Energie wirksam nutzt. Solange nur diese Information bereitgestellt wird, ist alles in Ordnung. Der Bewohner kann dann selbst sein Verhalten steuern. Wenn aber die Politik daraus den Schluss zieht, bestimmtes Verhalten vorzugeben und z.B. jedem Käufer eines Hauses automatisch einen Kreditvertrag zur Finanzierung von Dämmstoffen an die Hand zu geben, den dieser dann selber kündigen muss, wird eine Grenze überschritten. Dieses Beispiel ist zugebenermaßen etwas realitätsfern, aber nicht völlig fern jeder Vorstellung (es gibt den automatischen Organpass ja bereits in einigen Ländern).
Auf dem Weg in den Totalitarismus
Es muss aber erlaubt bleiben, Energie zu verschwenden, wenn der Betroffene die Kosten selber trägt (oder will die Regierung schnelle Autos verbieten?). Wenn es um Externalitäten geht, hilft eine Pigou-Steuer zusätzlich zu den Energiekosten. Aber es darf nicht sein, dass Menschen zu ihrem Glück (in diesem Fall eine niedrige Energierechnung) gezwungen werden. Es mag ja Menschen geben, die durch eine Dämmung krank werden; sie wollen eine gut belüftete Wohnung haben und nehmen Mehrkosten in Kauf. Auch hier gilt, dass Aufklärung zum eigenverantwortlichen Handeln beiträgt.
Insgesamt beunruhigt die Idee des Nudging. Sie ist mit Sicherheit paternalistisch; ob sie libertär ist, kann bezweifelt werden, sie scheint noch nicht einmal liberal zu sein. In einer offenen Gesellschaft freier Menschen muss jede(r) allein darüber befinden dürfen (und – das kommt mit der Freiheit – müssen), wie sie oder er lebt. Ungesundes Essen oder ein hoher Energieverbrauch muss erlaubt sein; die Konsequenzen trägt ja schließlich die Betroffene. Je mehr sich Regierungen direkt um das Glück der Menschen kümmern wollen, desto unfreier werden diese.
Eine Gesellschaft, in der die Politik sich direkt in das Glück der Bürger einzumischen versucht, anstatt die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass jeder seines eignen Glückes Schmied sein kann, ist auf dem Weg in den Totalitarismus – oder wie es im Englischen so schön heißt: „The road to hell is paved with good itentions“ („Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert“).