Freytags-Frage
Quelle: dpa

Braucht Wissenschaft Hashtags?

Dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein Statement für ihre Initiative DFG2020 von Kabarettist Dieter Nuhr löschte, war ein Fehler. Es stimmt mit ihrem Anspruch von freier Forschung nicht überein.

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Zu ihrem einhundertsten Jubiläum hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Initiative DFG2020 ins Leben gerufen. Dort wird in zeitgemäßer Form für die Wissenschaft geworben. Wissenschaftler und Prominente geben unter dem Hashtag #fürdasWissen ein Statement darüber ab, warum sie Wissenschaft für relevant halten oder sich dafür entschieden haben, Wissenschaftler zu werden.

Wörtlich schreibt die DFG auf ihrer Website: „Mit „DFG2020 – Für das Wissen entscheiden“ will die DFG ihre Überzeugung für eine freie und erkenntnisgeleitete Forschung in die Gesellschaft tragen.“ Das ist leider nicht besonders gut geglückt. Denn erstens sind etliche auf der Website gedruckten beziehungsweise auf Twitter veröffentlichten Aussagen eher nichtssagend oder aufgeblasen – ob es mit ihrer Hilfe wirklich gelingt, Menschen für freie und erkenntnisgeleitete Forschung zu begeistern, kann bezweifelt werden.

Zweitens wurde von der DFG eines der aussagekräftigeren Statements auf dieser Website, das des Kabarettisten Dieter Nuhr, nach einer Flut an wütenden Reaktionen auf Twitter wieder von der DFG-Website entfernt. Das ist grundsätzlich zu bedauern und stimmt mit dem Anspruch, von freier und erkenntnisgeleiteter Forschung überzeugt zu sein, nicht überein. Es ist eher ein Beleg für Zaghaftigkeit und Beliebigkeit.

Das hat die DFG aber bereits selber erkannt. Nach einigem Hin und Her hat die DFG sich bereit erklärt, die Aussage wieder hochzuladen, allerdings kommentiert. Dies wird von Dieter Nuhr abgelehnt, ganz zurecht. Die Begründung der DFG, er hätte ein vergleichbares Statement in einer seiner Shows bereits gemacht und man wolle keine Stellungnahmen in politischen Kampagnen veröffentlichen, ist insofern nicht überzeugend, dass viele Statements zum Thema #fürdasWissen sich auf aktuelle politische Strömungen beziehen. Wissenschaft kann nicht unpolitisch sein; sie muss nur alle Annahmen und Werturteile offenlegen.

Die DFG sollte dies einsehen, sich für ihren Fehler entschuldigen und das Statement von Dieter Nuhr unkommentiert wieder hochladen. Beleidigungen auf Twitter, die in der Regel gerade nicht erkenntnisgeleitet, aber immerhin zumeist frei (von Anstand und Wissen) ausgestoßen werden, sollte man entweder ignorieren oder mit wissenschaftlichen Argumenten parieren.

Unabhängig davon, wie diese Affäre ausgeht, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit solcher Kampagnen wie DFG2020. Sicher ist es vernünftig, dass die Wissenschaft sich auch neuer Kommunikationsformen bedient. Dennoch sollte sie es in einer Weise tun, die nicht flach oder anbiedernd ist.

Natürlich sollte es auch nicht langweilig sein. Man hätte sich zum Beispiel gut vorstellen können, dass zum einhundertsten Jubiläum die einhundert wichtigsten Erkenntnisse der deutschen Wissenschaft aus dieser Zeit dem Publikum nahegebracht werden. Dies hätte natürlich in einer entsprechenden allgemeinverständlichen Sprache geschehen müssen. Nicht jede Wissenschaftlerin oder jeder Wissenschaftler kann dies; das muss auch nicht sein. In vielen Disziplinen wird entlang von Wertschöpfungsketten gearbeitet, die man sich stilisiert etwa so vorstellen kann: Theoretiker arbeiten kausale Zusammenhänge heraus, die von Empirikern getestet werden und anschließend von Politikberatern oder Journalisten den entsprechenden Zielgruppen nahegebracht werden. Das wäre etwas aufwendiger gewesen, hätte aber vermutlich einen höheren Ertrag und weniger Streit eingebracht.

Wissenschaftliche Forschung ist meistens harte Arbeit und gelegentlich auch langweilig. Denn es geht in der Tat um Wissen und Wahrheit im Sinne von faktenbasierter Darstellung. Wenn man sich darauf einlässt und wenn die Arbeit zu Ergebnissen führt, ist Wissenschaft faszinierend. Dies gilt nicht nur für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selber, sondern auch für Betrachter. Diese Faszination mitzuteilen und die Menschen für die Wissenschaft zu begeistern beziehungsweise vom Sinn freier und erkenntnisgeleiteter Forschung zu überzeugen, ist ein hehres Ziel. Und es ist notwendig.

Dafür reicht es in der Tat nicht mehr aus, verstaubte Wissenschaftszeitschriften oder einmal im Jahr den „Fischer Weltalmanach“ und „Das neue Universum“ zu publizieren, so wie es vor vierzig Jahren noch funktionierte. Außendarstellung ist wichtig, und dafür neue Kommunikationsplattformen zu nutzen, ist absolut sinnvoll. Aber das Kommunikationsdesaster der Kampagne DFG2020 hat auch gezeigt, dass effektive und überzeugende Wissenschaftskommunikation mehr braucht als ein paar freundliche und bekannte Gesichter über fröhlichen und unverbindlichen Aussagen.

Auch wenn man Wissenschaftskommunikation ernsthaft betreibt, sind unsachliche Reaktionen nicht auszuschließen. Damit muss man professionell umgehen und sich nicht einschüchtern lassen wie jüngst die DFG. Die PR-Abteilungen der Universitäten und Forschungsinstitutionen sind in den letzten Jahren stark gewachsen (anders als viele Fakultäten). Es wäre wünschenswert, wenn sie versuchen zu beweisen, was in ihnen steckt.

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