Vor diesem Hintergrund sind beide Vorstöße als nicht nachhaltig im ökonomischen und sozialen Sinne zu bezeichnen; von daher richten sie sich – ob gewollt oder ungewollt – gegen die Jugend. Was treibt den Minister dazu, die Zukunft so leichtfertig aufs Spiel zu setzen?
Die Rentenversprechen - Was die Parteien vorhaben
CSU-Chef Horst Seehofer hatte die jüngste Rentendebatte angestoßen mit der Äußerung, dass die Riester-Rente gescheitert sei und die Kürzung des Rentenniveaus die Hälfte der Bevölkerung in die Sozialhilfe führen würde. Doch ist das nicht Unionslinie. Der Unionsmittelstand fordert sogar eine Stärkung der Riester-Rente. Nach allem, was man hört, könnte die Union im Wahlkampf für ein behutsames Nachsteuern beim Rentenniveau eintreten. Das Verhältnis von Einkommen zur Rente soll wohl doch nicht auf 43 Prozent sinken können, so wie derzeit bis 2030 erlaubt. Die Union will wohl auch die Eigenvorsorge stärken. Diskutiert wird, den Bürgern ein Einheitsprodukt anzubieten.
SPD-Chef Sigmar Gabriel will verhindern, dass die Renten sich zu stark vom Einkommen abkoppeln. Menschen mit kleinem Lohn dürften im Alter nicht reihenweise auf Sozialhilfe angewiesen sein. Im Wert der Rente spiegelt sich für Gabriel auch der Wert der Arbeit. Doch die Reformagenda 2010, die auch die Rente bezahlbar halten sollte, dürfte die SPD nicht komplett zurückdrehen. Die öffentlich geförderte private Zusatzvorsorge abschaffen will die SPD auch nicht. Man will sich aber mehr um das Wohl älterer Arbeitnehmer kümmern.
Um Renten armutsfest zu gestalten, soll nach dem Willen der Partei das Rentenniveau von heute 48 Prozent wieder auf das Niveau vor den Rentenreformen der vergangenen Jahre steigen - auf 53 Prozent. Niemand dürfe nach 40 Beitragsjahren mit einer Rente über Grundsicherung abgespeist werden.
Auch die Grünen wollen, dass die Rente vor Altersarmut schützt. Sie sprechen von einem Rentenniveau von nicht unter 46 Prozent. Geringe Rentenanwartschaften sollen mit einer steuerfinanzierten Garantierente aufgewertet werden. Die rund 2,3 Millionen Selbstständigen ohne obligatorische Alterssicherung sollen verpflichtend in der Rentenversicherung aufgenommen werden.
Die Liberalen wollen flexiblere Renteneintritte möglich machen und Hinzuverdienstgrenzen neben dem Rentenbezug aufheben. Sie treten dafür ein, bei der Grundsicherung im Alter einen Freibetrag für Einkommen aus privater und betrieblicher Altersvorsorge nicht anzurechnen. FDP-Chef Christian Lindner schlug die Zusammenlegung der Grundsicherung im Alter mit der Rente vor.
AfD-Parteichef Jörg Meuthen hatte eine Rente nach Schweizer Modell vorgeschlagen - dort gibt es drei Säulen: die gesetzliche Rentenversicherung, eine kapitalgedeckte Arbeitnehmerversicherung und geförderte Anlagen in private Rentenversicherungen.
Nun könnte man es sich leicht machen und argumentieren, der Minister sei eben kein Fachmann und wüsste es nicht besser. Er verstünde halt weder die Logik der offenen Märkte noch die der Alterssicherung. Das ist natürlich zu einfach und obendrein arrogant. Selbst wenn der Minister kein Fachmann ist, dürfte die ökonomische Logik für ihn keine Geheimwissenschaft darstellen. Außerdem verfügt er über ausgezeichnete Fachleute in seinem Ministerium, die zu befragen ihm möglich sein sollte, wenn er denn wollte. Sei es wie es ist, diese Erklärung dürfte nicht richtig sein.
Wahlkampf ist da schon eher ein Thema; es wirkt so, als wolle der Minister die linken Sozialdemokraten für sich einnehmen und extreme – nicht unbedingt linke – Positionen übernehmen. Das Päppeln der Rentner betreiben die Sozialdemokraten (SPD) schon länger, auf die Angstkarte bei TTIP setzt sie erst seit einigen Monaten.
Besonders überzeugend ist der Vorstoß nicht, zumal der Minister ja das Freihandelsabkommen mit CETA verteidigt, vermutlich weil er glaubt, der Widerstand dagegen sei geringer. Das scheint nicht zu stimmen: Die Vereinfacher von Foodwatch, Pegida, Campact, der Linkspartei, den Grünen und der AfD kämpfen auch gegen CETA. Insofern scheint es eine Verzweiflungstat zu sein, die den Minister trieb, TTIP abzuschreiben.
Er muss sich jetzt schon mit Widerstand auseinandersetzen, so zum Beispiel seitens der Wirtschaftsverbände, der Christdemokraten, der Europäischen Kommission und der amerikanischen Regierung. Leider bleiben die Hauptbetroffenen dieser schwachen Politiken, die Generation der 15-35-jährigen, ruhig. Sie müssten auf die Straße gehen und dem Minister klar machen, dass es um ihre Zukunft geht. Ob es hilft, bleibt unklar: Offenbar wählen die Alten eher die Sozialdemokraten als die Jungen. Hoffentlich hat man im Willy-Brandt-Haus nicht beschlossen, diese Klientel abzuschreiben. Es wäre bitter, wenn das die Erklärung für die Aussagen des Ministers wäre!