Ähnlich faktenavers sind viele amerikanische Wähler, die sich von Trump verführen ließen, oder diejenigen Franzosen, die Marine Le Pen glauben, mit Zollbarrieren und Einwanderungsverboten könne man die französischen Probleme, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit, lösen. Die Probleme sind komplex und erfordern Augenmaß, aber auch Verständnis für die Verlierer der Globalisierung. Beides scheint der potentielle französische Präsidentschaftskandidat Fillon zu haben, so dass Hoffnung besteht, einen rationalen und dennoch an den Problemen interessierten Präsidenten in Frankreich zu erleben.
Das ist Marine Le Pen
Marine Le Pen, Tochter des Politikers und FN-Gründers Jean-Marie Le Pen wurde am 5. August 1968 in Neuilly-sur-Seine geboren. Als Kind überlebte sie ein Attentat, das 1976 gegen das Wohnhaus der Familie verübt wurde. Die 46-Jährige war mit Geschäftsmann Franck Chauffroy verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Nach der Scheidung heiratete sie den FN-Funktionär Éric Lorio. Auch diese Ehe scheiterte. Marine Le Pen studierte in Paris Jura und erhielt 1992 die Anwaltszulassung. Bis 1998 war sie als Anwältin tätig. Besonders markant ist ihre dominante und und für eine Frau sehr tiefe Stimme.
Seit Marine Le Pen den Parteivorsitz inne hat, versucht sie frischen Wind in den „Front National“ zu bringen. So hat sie sich zum Ziel gesetzt, Anspielungen auf das Dritte Reich zu vermeiden, um das Bild einer rechtsextremen Partei loszuwerden. Dazu passt auch, dass sie sich stärker auf die Alltagsprobleme der Bürger fokussiert. Die hohe Arbeitslosigkeit und steigende Preise sind nun die neuen zentralen Themen. Ihre Rezepte zur Überwindung der Krise: Heimische Investoren sollen von einer Abwanderung abgehalten werden, Franzosen sollen bei der Jobsuche bevorzugt werden und das Land aus dem Euro austreten. Feindbild ist die "wilde Globalisierung".
Von 1998 bis 2004 war Marine Le Pen Abgeordnete im Parlament der Region Nord-Pas-de-Calais. Über ihren Wahlkreis Île-de-France zog sie 2004 ins Europaparlament ein. Nach Stationen im Regionalparlament der Île-de-France wurde sie 2011 an die Parteispitze des Front National gewählt. Bei der Präsidentenwahl 2012 wurde sie nach Hollande und Sarkozy drittstärkste. Zeitweise sahen Umfrageergebnisse, die im Magazin „Le Nouvel Observateur“ erschienen sind, den Front National als stärkste französische Partei. Seit der Europawahl im Mai 2014 ist sie Abgeordnete im Europäischen Parlament.
Eine explizite Feindschaft zum Islam gehört zu den zentralen Positionen Le Pens und ihrer Partei. Eine entsprechende Äußerung in einer Wahlkampfrede im Dezember 2010 brachte Le Pen ins Visier der Staatsanwaltschaft. Sie verglich öffentliche Gebete von Muslimen mit der deutschen Nazi-Besatzung. "Sicher geschieht dies ohne Panzer und ohne Soldaten, aber trotzdem ist es eine Besatzung, und betroffen sind die Einwohner", so Le Pen.
In dieselbe (leicht positive) Richtung zielen auch die Rückzieher des zukünftigen US-Präsidenten, der zwar im Wahlkampf das Blaue vom Himmel versprochen hat, aber nun offenbar bemerkt (falls noch nicht geschehen), dass seine Vorschläge abenteuerlich waren. Das heißt noch nicht, dass Trump keinen nachhaltigen Schaden anrichten kann, aber den größten Blödsinn aus seinem Programm scheint er streichen zu wollen.
Es gibt natürlich keinen einfachen Weg zur Lösung der gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Probleme in den Industrieländern; es mag sogar ganz unterschiedliche Lösungen geben. In der Wirtschaftspolitik gibt es keine ewigen Wahrheiten. Es scheint aber festzustehen, dass es weiterhin Wanderungsströme geben wird. Und den Strukturwandel kann niemand aufhalten, man kann ihn aber begleiten und abmildern.
Wer aber verspricht, die Zeit zurückzudrehen und abgewanderte Jobs mit Protektion zurückzuholen sowie ethnische Säuberungen vorzunehmen, lügt schlicht und fällt in vorzivilisatorische Denkmuster zurück.
Dies impliziert natürlich nicht, dass man die mit Migration und Strukturwandel einhergehenden Probleme verdrängt und die Sorgen der Menschen mit moralischem Überlegenheitsgefühl wegwischt. Verantwortungsvolle Politiker gehen die Probleme an, ohne simple Lösungen zu versprechen. Sie sind aber auch nicht arrogant gegenüber denjenigen, die sich – ob zurecht oder zu Unrecht – benachteiligt fühlen. Zudem sollten sie offen sein für Lösungen, selbst wenn sie sich mit ihrem Vorurteil („Banker sind böse“) nicht decken oder politisch kurzfristig nicht opportun scheinen. Genauso, das heißt mit einer auf den ersten Blick wenig sozialdemokratisch anmutenden Agenda, hat Gerhard Schröder vor fast 14 Jahren dafür gesorgt, dass viele Arbeitslose zurück in den Arbeitsmarkt fanden. Das ist gelebte Sozialpolitik und verantwortungsbewusste Regierungsarbeit. So kann man den Populisten Einhalt gebieten. In dieser Woche wurden einige ermutigende Signale ausgesandt.