Freytags-Frage Hat Deutschland ein Subventions-Problem?

Quelle: imago images

Die an die Wirtschaft ausgereichten Subventionen sind weltweit auf einem Rekordhoch – und nur ein geringer Anteil davon ist gerechtfertigt.

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Vor wenigen Tagen hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) seinen alljährlichen Subventionsbericht veröffentlicht. Dort haben die Verfasser Astrid Rosenschon und Claus-Friedrich Laaser die Summe der im Jahr 2018 an die gewerbliche Wirtschaft ausgereichten Subventionen berechnet. Sie kommen auf eine neuen Rekordbetrag, der sich auf knapp 188 Mrd. Euro beläuft. Dies sind noch einmal etwa 5 Mrd. Euro mehr als im Jahr 2017.

Die Bundesregierung selber kommt in ihrem eigenen Subventionsbericht auf einen Betrag von 55 Mrd. Euro. Inoffiziell aber scheint es einen allumfassenden Konsens unter am Thema Interessierten zu geben, dass die Kieler Methodik, die sämtliche direkten und indirekten Subventionen auf allen Verwaltungsebenen umfasst, die korrekten Summen widerspiegelt.

Selbst wenn einige der Subventionen nur geschätzt werden konnten, zeigt sich in den Daten eine Tendenz steigender Subventionen. In 2007, also vor der globalen Finanzkrise, waren die ausgezahlten Subventionen auf den niedrigsten Stand der 2000er Jahre (14,2 Mrd. Euro). Seitdem steigen sie – mit der Ausnahme des Jahres 2012 – stetig an. Falls jemand Schwierigkeiten hat, die Zahlen in einen Kontext zu bringen: Jede Bundesbürgerin und jeder Bundesbürger zahlt im Schnitt 2.262 Euro an Subventionen; und insgesamt machen die Subventionen 5,55 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Das heißt, dass in Deutschland etwa einen Tag im Monat dafür gearbeitet wird, deutschen Unternehmen und Bürgern ein leistungsloses Einkommen zu zahlen, das nicht sozialpolitisch begründet wird (dafür wird deutlich mehr ausgegeben, nämlich ca. 1 Billion Euro).

Den Trend zu gestiegenen Subventionen kann man weltweit beobachten. Die vom Kollegen Simon Evenett aus St. Galen seit 2009 herausgegebene Datenbank Global Trade Alert berichtet von einer seit der globalen Finanzkrise stark gestiegenen Anzahl von handelspolitischen Maßnahmen. Davon dienten etwa 14.000 der Beschränkung des Außenhandels, nur etwas mehr als 6.000 Maßnahmen dienten der Liberalisierung oder sind ambivalent zu beurteilen. Bei den schädlichen Maßnahmen nehmen Subventionen mit ca. 30 Prozent (über 4.400 Einzelmaßnahmen) die Spitzenposition ein. Anders als das IfW hat Global Trade Alert die Subventionen nicht in Beträgen ausgedrückt. Dennoch stimmen auch diese Zahlen bedenklich.

Die Kieler Autoren bewerten Subventionen auch hinsichtlich ihrer gesamtwirtschaftlichen Wirkung mit einem Ampelsystem und kommen zu dem Schluss, dass nur ein sehr geringer Anteil der gezahlten Subventionen gesamtwirtschaftlich gerechtfertigt sind. Dies sind diejenigen Subventionen, die eine Internalisierung externer Effekte vorsehen, allen voran Bildungsausgaben. Einige Subventionen sind gesetzlich nicht zu verhindern, zum Beispiel für die Altersversorgung der Beamten. Das Gros der Subventionen sind schädlich für die Allkation und darüber hinaus zumeist grob ungerecht. Vor allem strukturschwache Sektoren werden unterstützt.

Das ist alles nicht neu; die Diskussion wird seit den 1970er Jahren geführt. Noch jede Bundesregierung gibt zu, dass der Subventionsabbau gerechtfertigt sei, führt aber gleichzeitig regelmäßig neue Subventionen ein. Gerade hat die CDU ein Programm zum Klimaschutz entworfen, das Subventionen in Höhe von 40 Mrd. Euro vorsieht, darunter gleichzeitig viel Geld für die Unterstützung der Elektromobilität und die Kompensation für die Stilllegung von Kohlekraftwerken. Woher der Strom für die zahlreich gewünschten Elektroautos kommen soll, bleibt offen.

Der letzte Fall legt offen, was passiert, wenn Regierungen sich keine Gedanken darüber machen, wie Subventionen langfristig wirken. Es fehlt mithin an einer Gesamtstrategie. Früher hätte man von einer fehlenden ordnungspolitischen Kohärenz und Konsistenz gesprochen. Heute ist es eher verpönt, mit der Ordnungspolitik zu argumentieren, und das obwohl der Wirtschaftsminister sich einmal als den legitimen Nachfahren von Ludwig Erhard bezeichnet hat. Ad-hocerie und relativ kurzfristiger Aktionismus haben Ordnungsfragen überlagert, wenn nicht abgelöst, leider auch in Ökonomenkreisen.

Da kommt der internationale Befund gerade recht. Denn während hierzulande viele Volkswirte höhere öffentliche Ausgaben und mehr industriepolitischen Aktionismus verlangen, beklagen sie zurecht die globale Tendenz zu Markteingriffen und speziell zu Subventionen. Sie sind damit in guter Gesellschaft, denn auch auf höchster politischer Ebenen wird das Thema diskutiert, so auch in einer trilateralen Initiative der Handelsminister der USA und Japans mit der Handelskommissarin der Europäischen Union. Damit meinen sie zwar vor allem die Förderung der chinesischen Unternehmen im Staatsbesitz. Natürlich haben sie damit Recht.

Man sollte sich aber auch die Subventionen der sogenannten Marktwirtschaften ansehen. Laut Global Trade Alert liegen die Vereinigten Staaten (USA) und Deutschland unangefochten an der Spitze der Liste der Länder, die seit 2009 schädliche Maßnahmen ergriffen haben; von den über 14.000 Maßnahmen insgesamt gingen knapp 2.000 auf das Konto der USA und über 1.500 auf das deutsche Konto. China rangiert weit dahinter mit etwas über 570 Maßnahmen. Allerdings muss man die Datenlage hier sicherlich berücksichtigen.

Insgesamt legen der Stand der Kenntnis und die Debattenlage nahe, dass auch in Deutschland wieder ernsthaft über den Abbau von Subventionen nachgedacht wird. Die Nutzung der Kieler „Subventionsampel“ wäre doch ein guter erster Schritt.

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