Freytags-Frage

Welche Zukunft hat die FDP?

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Inhaltlich starke Opposition

Deshalb ist es so wichtig, den Sirenengesängen der CDU und der Aussicht auf Dienstwagen und Ministergehälter zu widerstehen. Sonst könnte der Wiederaufstieg von sehr kurzer Dauer sein. Wenn die Signale aus der Parteispitze einigermaßen glaubwürdig sind, ist dies auch verstanden worden.

Somit wird auch deutlich, dass eine andere Regierungskonstellation, etwa die Ampel oder Jamaika, ebenfalls aus grundsätzlichen Erwägungen für die FDP ausfällt, zumal die inhaltliche Schnittmenge mit den Sozialdemokraten und den Grünen, die ihren kurzen Flirt mit dem Liberalismus überaus gründlich beendet haben und sich wieder ihrer eigentlichen Leidenschaft, der Bevormundung, widmen, eher klein sind.

Am 12. Februar wählt die Bundesversammlung einen neuen Bundespräsidenten. Kandidat Frank-Walter Steinmeier hat schon jetzt eine Mehrheit sicher. Nun will auch die FDP für den Außenminister stimmen.

Dennoch kann die FDP eine sehr bedeutsame Rolle im zukünftigen Bundestag spielen. Sie kann zu einer echten, inhaltlich starken Opposition werden. Denn im aktuellen Bundestag ist die Opposition kaum spürbar. Zu schwach die Argumente der Grünen, zu platt und populistisch die Behauptungen der Linken. Das zentrale Thema Migration wiederum wird überdies von allen Parteien im Bundestag so schwach und ziellos behandelt (anders als das Thema Asyl), dass sich eine außerparlamentarische Opposition gebildet hat, die vor allem wüst polemisiert. Bei anderen Themen handelt die Opposition ähnlich verantwortungslos wie die AfD: Während die Linke und die Grünen im Parlament Ängste vor Globalisierung schüren, versuchen die Neonazis in hellblau, den Menschen Ängste vor Ausländern einzujagen. Beides ist gefährlich.

Beide Themen werden außerdem an Bedeutung eher noch zunehmen. Wir werden sowohl um eine Positionierung zur Einwanderungspolitik als auch um eine deutliche Haltung zur Offenheit nicht herumkommen – schon deshalb nicht, weil steigender Protektionismus die globalen Wanderungsbewegungen weiter anheizen würde.

Da davon auszugehen ist, dass auch die AfD in den Bundestag einzieht, bedarf es einer inhaltlich starken und mit den Werten einer menschlichen Gesellschaft kompatiblen Opposition. Nur dann kann den Vereinfachern von links und rechts etwas Substantielles entgegengehalten werden. Anders gewendet: Mit der FDP zöge wieder ein lang vermisster intellektueller Standard und eine ebenfalls im Augenblick unterrepräsentierte inhaltliche Sicht, die Offenheit und Freiheit betont, in den Bundestag ein. Das könnte dazu führen, dass die Regierung – in dieser Konstellation entweder eine Große Koalition oder Rot-Rot-Grün (R2G) – inhaltlich stärker gefordert wird. Außerdem könnte es bewirken, dass die Grünen sich wieder darauf besinnen, dass sie als Bürgerrechtspartei begonnen haben.

Insgesamt kann man davon ausgehen, dass die FDP dem 19. Deutschen Bundestag sehr gut tun würde. Dabei scheint sie in der Opposition viel besser aufgehoben zu sein als auf der Regierungsbank. Dort können ihre Abgeordneten die Regierung –welchen Zuschnitts auch immer – vor sich hertreiben und gleichzeitig inhaltlich und moralisch ein Gegenwicht zu den Vereinfachern von links und rechts bilden.

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