




Richtig ist, dass für viele Menschen die Freiheit etwas Abstraktes und eher Unwichtiges zu sein schein. Etwas, für das man sich nicht einzusetzen braucht. Es geht in der politischen Diskussion vielfach um andere Fragen, zum Beispiel um Verteilungsgerechtigkeit und Quotenregelungen, um Mindestlohn und Reichensteuer.
Der Eindruck drängt sich auf, dass die Verantwortung für das eigenen Leben nicht mehr bei den Menschen selber liegt. Dafür sorgen andere – die Sozialpolitiker zum Beispiel oder die Mitarbeiter der Europäischen Kommission. Motto: Leben Sie – wir kümmern uns um die Details.
Wer sich diesem Angebot hingibt, gibt wirklich seine Freiheit auf. Und genau hier liegt die Gefahr. In dem Bestreben, die scheinbaren und tatsächlichen Ungerechtigkeiten des Lebens zu beseitigen, schränken die politischen Entscheidungsträger die individuellen Freiheiten immer weiter ein – stets im Namen des Guten und der Risikominimierung. Damit nehmen die Eliten den Menschen auch deren Verantwortung für sich selber ab.
Aber nicht alle sind zufrieden mit mehr Eingriffen in die individuellen Rechte und Freiheiten. Was die einen als Sicherheit empfinden (zumeist nicht ganz berechtigt; selbst die Arbeitsplatzgarantie der DDR hat sich als überaus trügerisch erwiesen), ist für andere eine üble Bevormundung. Sie können ihre Freiheit nicht ausleben, und dementsprechend dürfen sie ihre Verantwortung für ihr eigenes Leben nicht übernehmen. Denn wer frei ist, muss verantwortlich handeln. Für manche ein Versprechen, für andere ein Drohung. Aber es gilt auch: Wer verantwortlich handeln will, muss frei sein. Das wird gerne vergessen.
Freiheit ist im übrigen nicht schrankenlos. Gemeint ist kein Prozess des „Survival of the fittest“. Auch im Liberalismus gibt es Grenzen individueller Freiheit, nämlich dort, wo es zu Konflikten mit den Rechten anderer kommt. Liberalismus kennt auch Sozialpolitik mit Augenmaß. Was Liberale nicht brauchen, ist ein Veggie Day!
Eine große Chance für den Liberalismus





Nach diesen grundsätzlichen und keineswegs neuen Überlegungen bleibt noch die Frage, ob das Überleben des Liberalismus in Deutschland von der Mitgliedschaft der FDP im Bundestag abhängig ist. Diese Frage kann getrost verneint werden, denn die FDP war in der letzten Legislaturperiode ein eher müder Verteidiger der Freiheit. In der Wirtschaftspolitik hat sie wenig dafür getan, dass die europäischen Regeln durchgesetzt worden sind, die in gewisser Weise einen Mindestschutz der Bürger vor ausgabefreudigen Regierungen sowie einen Schutz vor Ansteckung innerhalb der europäischen Währungsunion darstellten.
Die FDP hat es nicht vermocht, den Bundesfinanzminister nur einen Zentimeter hin zu einem transparenten und effizienten Steuersystem zu bewegen. Die FDP hat es auch zugelassen, dass das krakenhafte öffentlich-rechtliche Fernsehen noch leichter auf die Einkommen der Bürger zugreifen kann, ohne sich ernsthaft für seine Ausgaben oder die dürftige Qualität seiner Programme rechtfertigen zu müssen.
Die FDP hat auch nicht besonders vernehmlich die Bürgerrechte verteidigt. Und schließlich hat die FDP völlig vergessen, die Politikbereiche, in denen sie gute Leistungen geliefert hat (Gesundheitspolitik und vor allem eine fortschrittliche und freiheitliche Entwicklungszusammenarbeit) herauszustellen. Es schien, als sei die FDP inhaltlich ausgehöhlt. Insgesamt kann man also etwas desillusioniert festhalten, dass eine gelbe Krawatte noch keinen Liberalen macht.
Deutschland
Das Ausscheiden der FDP aus dem Parlament ist somit folgerichtig, aber gleichzeitig eine große Chance für den Liberalismus in Deutschland. Denn nun muss die Partei in einem längeren und sicherlich zum Teil sehr schmerzhaften Prozess die Fehler aufarbeiten und sich programmatisch weiterentwickeln. Themen sind Bürgerrechte, wirtschaftliche Freiheit, offene Märkte, stabiles Geld und Selbstverantwortung (bei der das Scheitern nicht ausgeschlossen werden kann), immer natürlich im Verbund mit sozialer Sicherheit. Gelingt ihr diese Erneuerung, wird sie sich wieder als Heimstatt für Liberale etablieren.
Dann sind auch die Erfolgsaussichten bei kommenden Wahlen wieder hoch. Denn es deutet sich bereits bei den Koalitions-Vor-Verhandlungen der CDU mit ihren Konkurrenten von SPD und Grünen an, dass Sachwalter der Freiheit im neuen Deutschen Bundestag wohl eher die Ausnahme sind. Da sollte eine erneuerte und wahrhaft liberale Partei auch schon als außerparlamentarische Opposition Druck machen können.
Der Liberalismus ist nicht tot. Er braucht nur eine bessere politische Vertretung.