Freytags-Frage
Quelle: dpa

Kann der Kanzler das deutsche Standing in Afrika verbessern?

Die deutsche Präsenz in Afrika ist sehr wichtig. Es ist an der Zeit, frühere Versäumnisse zu korrigieren.

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Bundeskanzler Scholz war in dieser Woche in drei afrikanischen Demokratien zu Gast. Es ging ihm sicherlich um mehrere Aspekte. Im Senegal stand ein Gasförderprojekt vor der Küste im Mittelpunkt, im Niger besuchte der Kanzler die deutschen Truppen, und in Südafrika wollte er wohl Einigkeit mit Präsident Ramaphosa in der Einschätzung der russischen Invasion in der Ukraine erzielen. Letzteres gelang nicht, da die südafrikanische Regierung bislang nicht von ihrer Vasallentreue zu Russland abweichen will – vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der African National Congress (ANC), die heutige südafrikanische Regierungspartei, in der Apartheid-Zeit viel Unterstützung aus der Sowjetunion erhielt und Teile ihrer Kader noch heute aus Russland alimentiert zu werden scheinen, ist dies nicht sehr überraschend.

Dennoch muss man es positiv werten, dass der Bundeskanzler den afrikanischen Kontinent in diesen unruhigen Zeiten für einige Tage besucht. Denn es ist erstens aus geopolitischen Erwägungen heraus wichtig, dass er Interesse an unseren Nachbarkontinent zeigt. Viel zu lange haben deutsche Regierungen Afrika vernachlässigt oder sich mit dem so bequemen Narrativ des gescheiterten Kontinents eingerichtet und vor allem die entwicklungspolitische Dimension betont. Inzwischen haben sich andere – allen voran die Autokratien China und Russland – in Afrika breit gemacht. Dabei nehmen diese Länder bekanntermaßen wenig Rücksicht auf die Bevölkerung vor Ort. Menschenrechte sind den beiden Regierungen auch außerhalb ihres Landes nicht viel Wert. Deshalb ist die deutsche Präsenz in Afrika sehr wichtig.

Wie schon mehrfach an dieser Stelle diskutiert, ist es der Bundesregierung bisher nicht gelungen, die geopolitischen Fragen mit den Fragen der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und der Klimapolitik zusammenzubringen. Selbst den Zusammenhang zwischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit kann man deutschen Akteuren der EZ nur schwer begreiflich machen.



Viele dieser Akteure halten es für unmoralisch, Entwicklung wirtschaftlich zu denken. Das ist aber der Zugang der meisten Menschen in Afrika zur Entwicklung – sie verstehen Entwicklung als Zugang zu Wasser, Gesundheit, Bildung und Jobs. Ihnen ist es dabei zunächst egal, ob ein deutsches Unternehmen mit ihrer Entwicklung Geld verdient. Im Zweifel finden es die afrikanischen Bürger besser, deutsche Unternehmen verdienen an ihrer Entwicklung, als wenn chinesische Unternehmen dies täten. Bei den deutschen Firmen werden immerhin die Menschenrechte eingehalten. Und die Qualität der Produkte oder der Infrastruktur stimmt außerdem.

Die russische Aggression hat es nun darüber hinaus allen vor Augen geführt, wie wenig wir uns eine einseitige Abhängigkeit in Energiefragen von Russland leisten können. Die neuesten Nachrichten aus China dürften zudem über kurz oder lang auch bei den deutschen Dax-Vorständen die Erkenntnis wachsen lassen, dass man sich um andere Märkte als China kümmern sollte, will man das Überleben des eigenen Unternehmens langfristig sicherstellen. Afrika bietet dafür sicherlich eine ganze Reihe großer Chancen.

Insofern kann man den Besuch des Bundeskanzlers in Afrika so verstehen, dass die Bundesregierung bereit ist, frühere Versäumnisse zu korrigieren. Vielleicht hat sie ja nun verstanden, dass die vier genannten Politikfelder unmittelbar miteinander verbunden sind. Wer Energiesicherheit nur in Zusammenarbeit mit ausländischen Akteuren sicherstellen kann, muss die geopolitische Dimension mitdenken. Wenn diese Akteure auch noch aus Entwicklungsländern stammen, ist die entwicklungspolitische Dimension zusätzlich sichtbar. Da hilft es nicht, in althergebrachtem Paternalismus mit väterlicher Milde Geschenke an die Regierungen in Afrika zu verteilen. Wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist die richtige Antwort auf die Herausforderungen.

Richtig ist es, die eigenen Interessen klar zu definieren und den afrikanischen Partnern zu vermitteln. Nur dann verstehen diese, um was es uns geht. Wenn wir mit ihnen handeln, weil es uns (und ihnen) Vorteile bringt, fühlen sie sich ernstgenommen. Handel, der ihnen (wenigstens ex-ante) nichts nützt, findet dann ohnehin nicht statt. Es reicht eben nicht, große Worte zu machen oder in Lieferkettengesetzen unsere selbstgefällig wahrgenommen moralische Überlegenheit zur Schau zu stellen. Wir müssen unsere Werte auch mit Inhalten füllen.

Der Kanzler hat es offenbar vermocht, die afrikanischen Partner von seiner Ernsthaftigkeit zu überzeugen – ungeachtet der zum Teil unterschiedlichen Interpretation der russischen Aggressionen. Dies ist ein guter Anfang. Mehr aber ist nötig, vor allem in praktischer Hinsicht. Deutsche EZ muss mit der Außenwirtschaftspolitik verschmelzen, sie muss die klima- und geopolitischen Dimensionen berücksichtigen. Alle vier Felder sind nur zusammengedacht erfolgreich zu bearbeiten.

Dann findet Entwicklung im Zuge der Sicherstellung unserer Energieversorgung statt. Zusätzlich werden deutsche Arbeitsplätze erhalten, wenn nun neue Märkte erschlossen werden. Und schließlich kann die Bundesregierung Partnerschaften aufbauen, die helfen, das westliche Wertesystem auch in Afrika attraktiver zu machen. Denn wer nicht nach Afrika geht oder die Afrikaner von oben herab behandelt, hat sie schon an die Autokraten aus Moskau und Peking verloren. Das kann nicht in unserem Interesse sein – und es ist nicht im Interesse der afrikanischen Bürger. Der Kanzler hat einen erfolgversprechenden Anfang gemacht.

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