Freytags-Frage

Sollte die GroKo beendet werden?

Seite 2/2

Man kann nur hoffen, dass es in Berlin so richtig kracht

1. Die CDU macht mit der CSU allein weiter und bildet eine Minderheitsregierung, die sich ihre Mehrheiten suchen muss. Ob und inwieweit die CDU/CSU damit an Profil gewinnen kann, ist wohl offen. Wird sie konservativer, droht ihr Applaus von der falschen Seite; wird sie progressiver, laufen ihr womöglich noch mehr konservative Wähler weg (und die Grünen reklamieren die Politik nicht zu Unrecht als ihren Erfolg). Ein echtes Dilemma scheint hier aufzuziehen. Somit spricht erst einmal nicht viel für dieses Szenario.

2. Eine zweite Möglichkeit ist die Umsetzung der Jamaika-Koalition, die im Herbst 2017 nicht zustande kam. Diese Option ist auch eher unwahrscheinlich, denn dann müsste die CDU einerseits befürchten, dass die Grünen die Partei innerhalb der Koalition vor sich hertreiben würde. Der konservative Markenkern würde vermutlich noch weiter beschädigt, und die sogenannte Alternative für Deutschland (AfD) könnte noch dreister behaupten, sie sei eine bürgerliche Partei. Die Ränder würden vermutlich stärker. Auf der anderen Seite stellt dieses Szenario ein hohes Risiko für die Grünen dar, falls sie ihre vollmundigen Politikvorstellungen nicht im Ansatz umsetzen können und in der Folge an Zustimmung verlören. Für die Freien Demokraten (FDP) ist in dieser Gemengelage wohl weiterhin nicht viel zu gewinnen. In zwei Jahren kann man mit Rationalität und Sinn für das Machbare in dieser aufgeheizten Stimmung und mit zwei Partnern, die zum „Liefern“ verdammt wären, nicht viel bewegen.

3. Schließlich bleiben Neuwahlen. Immerhin hätten die Wähler nun recht klare Alternativen. Da wäre zunächst eine SPD, die nach links rückt und mit der Linkspartei um Stimmen bei einem ähnlichen Klientel kämpft. Zweitens wären da die Grünen, die letztlich mit Fantasien zum totalen Umbau der Gesellschaft werben. Das würden wahrscheinlich sowohl die FDP als auch CDU/CSU herausstellen. Die FDP könnte deutlich machen, dass sie mit Rationalität und Augenmaß an die herrschenden Probleme herangehen möchte. CDU und CSU könnten ihren konservativen Markenkern wieder herausstellen. Und schließlich wäre da die AfD, die eindeutig nach rechts außen rückt und dadurch zumindest schon einmal die Nationaldemokraten (NPD) überflüssig macht. Davon sollten sich die Konservativen doch abgrenzen können.

von Simon Book, Konrad Fischer, Elisabeth Niejahr

In jedem Fall würde die Neuwahl spannend. Es ist keineswegs gesichert, wer in der neuen Regierung den Kanzler oder die Kanzlerin stellt. Nach den heutigen Umfragen könnte es für Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz reichen, vielleicht braucht man aber auch die Liberalen zum Regieren.

Sicher scheint nur, dass für die SPD die Oppositionsrolle bleibt, die ihr vermutlich die Gelegenheit zur Profilbildung und Sammlung geben würde; es sei denn, Rot-Rot-Grün ist möglich, das wirkt aber gegenwärtig nicht sehr wahrscheinlich. Ob das die SPD irgendwie stärken würde, darf zudem bezweifelt werden.

Sicher ist auch, dass die AfD nicht regieren wird – ihr reaktionäres Programm (soweit sichtbar) dürfte mit den Präferenzen von über 85 Prozent der Wähler nicht kompatibel sein. Und es wird nicht im Interesse der CDU/CSU sein, das Tabu zu brechen.

Auf jeden Fall könnte es einen Ruck für das Land bedeuten, wenn die GroKo ihr Siechtum beendet und die Bürger zwischen neuen Gesichtern und Programmatiken wählen könnten. Insofern kann man nur hoffen, dass es am Wochenende in Berlin so richtig kracht.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%