Freytags-Frage

Müssen wir mehr in die äußere Sicherheit investieren?

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Von der Leyen ging es mehr um den Ausbau von Kindertagesstätten

Es ist übrigens in niemandes Interesse. Die Verteidigungsbereitschaft soll gerade den Konflikt verhindern. Damit sind wir wieder am Beginn der Analyse. Man muss Rüstungsausgaben nicht mögen, und die Welt wäre eine bessere ohne große Waffenarsenale. Man muss aber auch sehen, dass der einseitige Verzicht auf Wehrhaftigkeit Begehrlichkeiten wecken und kriegerische Gelüste stimulieren könnte.

Deshalb spricht vieles dafür, selber verteidigungsbereit zu sein. Hier begeht die kollektive Linke übrigens einen Denkfehler, wenn sie Rüstungsausgaben Deutschlands oder der NATO als kriegerisch und die russischen Absichten als friedliebend betrachtet. Bislang jedenfalls hat die Regierung Putin sehr deutlich gezeigt, dass sie nicht nur friedliebende Absichten hat. Präsident Putin hat bereits mehrfach das Ende der Sowjetunion als Katastrophe bezeichnet. Diese Sicht wird in Kiew, Tallinn oder Riga nicht geteilt. Dort hat man zum Teil über Jahrhunderte sehr schmerzhafte Erfahrungen mit russischen Invasoren gemacht, die man in Zukunft vermeiden will.

Diese kriegerische Haltung ist überdies nicht neu, mindestens 15 Jahre schon strahlt die russische Regierung diese Aggressionen aus. Dennoch hat die Bundesregierung die eigene Verteidigungsbereitschaft sträflich reduziert. Die Bundeswehr wirkt heute ausgeblutet. Es fehlt an Soldaten, aber vor allem fehlt es an Ausrüstung. Die Berichte über schlechtes und hoffnungslos veraltetes Material in Verbindung mit organisatorischen Problemen sind sehr beunruhigend.

Wie konnte es dazu kommen?

Ein Teil der Antwort dürfte darin liegen, dass die Gesellschaft immer reicher und deswegen auch immer satter wird. Bis vor kurzem hatte dies zur Konsequenz, dass harte Budgetrestriktionen sehr unpopulär waren. Wer als Politiker höhere Rüstungsausgaben versprach (bzw. androhte), wirkte aus der Zeit gefallen. Wer hingegen Rentenerhöhungen und verbesserte Soziallleistungen anbot, hatte gute Chancen bei Wahlen.

Als die Verteidigungsministerin ihr Amt antrat, ging es zunächst mehr um den Ausbau von Kindertagesstätten als um die Sicherheit der Soldaten. Sie legte den Schwerpunkt nicht auf die naheliegenden Aufgaben einer Armee.

von Christian Schlesiger, Karin Finkenzeller

Diskussionen über Zivilklauseln an den Universitäten und verächtliche Kommentare zur Bundeswehr mögen dazu beigetragen haben. Das ganze Klima war einer rationalen Debatte um äußere Sicherheit nicht förderlich.

Schließlich muss auf die fiskalische Situation nach der Wiedervereinigung bis zu den Krisen nach der Lehman-Pleite hingewiesen werden. Die enormen Aufbauleistungen haben sicherlich Priorität genossen, so dass es nicht verwunderlich und überaus nachvollziehbar ist, dass die Politik die Verteidigung nachrangig behandelt hat, zumal man ja vom Ende des Kalten Krieges und einer Bedrohung aus dem Osten ausging.

Damit es ist jetzt offenkundig vorbei. Einige Politiker scheinen das erkannt zu haben, aber bei weitem nicht alle. Die Bevölkerung scheint deutlich weiter zu sein. Dies kann man an auch der geringen Beteiligung an den Ostermärschen erkennen. Wenn das Umfeld bedrohlicher wird, ist Abrüstung keine ernsthafte Option; das haben viele erkannt. So sympathisch die netten Ostermarschierer in den Nachrichten auch wirken und so schön es wäre, könnte man auf Waffen verzichten: Ihre Botschaft scheint am Ende weniger Frieden zu versprechen als eine Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft, die eventuellen Aggressoren deutlich macht, dass sie nicht gewinnen können. Ökonomen sprechen von gesunkenen Opportunitätskosten der Verteidigung.

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