Freytags-Frage

Panama Papers – ist der Kapitalismus schuld?

Seite 2/2

Warum die Staaten ihre Steuerpolitik überdenken sollten

Nein, denn es ist keinem Staat durch irgendwelche Kapitalisten verboten, vernünftige Steuerpolitik zu betreiben. Nehmen wir das deutsche Beispiel. Die Einkommensteuer in Deutschland ist so komplex und willkürlich, dass es einen großen Spielraum für Steuerzahler gibt, die Steuerlast selber zu bestimmen. In den globalen Rankings zur Konsistenz des Steuersystems liegt Deutschland regelmäßig auf einem hinteren Platz. Es gibt deshalb auch zahlreiche Vorschläge zur Vereinfachung des Steuersystems, die aber regelmäßig im politischen Prozess scheitern. Mit einem einfachen Steuertarif ohne viele Ausnahmetatbestände (und dies auch für Kapitaleinkünfte) kann man bereits etliche Versuche der Steuerhinterziehung vermeiden.

Gleichzeitig sind die Steuersätze so hoch, dass viele Menschen das Gefühl haben, sie zahlten mehr als genug. Verstärkt wird dieses Gefühl dann noch dadurch, dass die Steuergelder regelmäßig verschwendet werden. Dies entschuldigt kein kriminelles Verhalten, es mag aber zur Erklärung beitragen.

Die größten Steueroasen der Welt
Bei der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Networks steht die Schweiz an erster Stelle der Steueroasen – trotz aller Abkommen zum Informationsaustausch. Grund für die Top-Platzierung ist für die NGO die nach wie vor hohe Geheimhaltung von Finanzdaten in der Alpenrepublik. Quelle: dpa
Hongkong steht wegen seiner Verschwiegenheit bei der NGO Tax Justice Networks auf Rang zwei der Schattenfinanzplätze. Auch hier spielt der britische Einfluss noch eine große Rolle, da HK über mehr als ein Jahrhundert eine Kronkolonie war, bevor es in den 90er Jahren wieder an China fiel, aber weiter getrennt verwaltet wird. Quelle: AP
Luxemburg hat sich seinen Wohlstand – das Pro-Kopf-Einkommen liegt doppelt so hoch wie in Deutschland – durch eine äußerst wohlwollende Besteuerung erarbeitet, bei dem die Finanzverwaltung in geheimen Vereinbarungen („tax rulings“) gern auch mal nur ein Prozent Steuern verlangt. Quelle: dpa
Der US-Bundesstaat Delaware profiliert sich durch extrem niedrige Unternehmenssteuern. Hunderttausende Firmen sind dort registriert, auch namhafte deutsche. Nicht nur das Steuerklima ist dort günstig; Firmen lassen sich binnen eines Tages gründen. Quelle: dpa
Karibikeilande wie die Cayman Inseln, die Britischen Jungferninseln und die Bermudas zählen zu den echten Paradiesen mit viel Sonne, Strand und keinen Steuern für Unternehmen, Werktätige und Privatiers. Quelle: dpa
Irland ist für Unternehmen ein interessantes Land. Allerdings ist der Klassiker, das Double Irish mit Dutch Sandwich, nicht mehr im Angebot. Statt dessen gibt es nun eine „Knowledge Box“, mit deren Hilfe Unternehmen nur 6,25 Prozent Steuern zahlen müssen. Quelle: dpa
Deutschland gilt ebenfalls für manche als Steueroase, vor allem für reiche Unternehmer, die vererben wollen. Dank großzügiger Verschonungsregeln können selbst Milliardäre steuerfrei übertragen, wenn sich das Vermögen in Unternehmen befindet. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb eine Reform angemahnt. Quelle: dpa

Dieses Beispiel zeigt in erster Linie Staatsversagen (und kein Kapitalismusproblem). Es gibt einige Studien, die zeigen, dass die Bereitschaft, Steuern zu zahlen, mit dem Gefühl steigt, dass die öffentliche Hand einen adäquaten Gegenwert (z.B. in Form von guter Infrastruktur, soliden Bildungsangeboten und guter Gesundheitsversorgung) bietet. Dieses Gefühl haben vermutlich immer weniger Steuerzahler, darunter auch viele reiche Menschen, die absolut und relativ einer hohen Steuerbelastung ausgesetzt sind. Wie gesagt, eine Erklärung, keine Entschuldigung.

Bleibt die Gier. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass das Verhalten etlicher Beteiligter egoistisch, gierig und damit ethisch verwerflich ist. Es wird dann auch sicherlich zu Verurteilungen von Prominenten Steuerhinterziehern kommen, so wie es bereits in der Vergangenheit häufig der Fall war. Dies wird nichts ändern, die Gier bleibt. Denn auch dort, wo die Märkte ausgeschaltet sind, gibt es diese Gier (von Nordkorea bis nach Russland oder Venezuela). Den Kapitalismus abzuschaffen, ändert auch nichts am Verhalten der chinesischen Politikelite oder des Umfeldes des Kremls.

Das Gegenteil macht weitaus mehr Sinn. Es ist an der Zeit, die Steuerpolitik zu rationalisieren, die Steuerbasis zu verbreitern, die Sätze zu senken und die Strafen bei Hinterziehung noch zu erhöhen. Natürlich sollen Staaten in der Steuerpolitik zusammenarbeiten, sie dürfen aber kein Kartell der schlechten Steuerpolitiken bilden. Steuerwettbewerb macht Sinn und kann unterschiedliche Präferenzen für unterschiedliche Ausstattung mit öffentlichen Leistungen widerspiegeln.

Dazu sollte man die Märkte für Güter und Dienste weiter öffnen – mehr Kapitalismus ist die Lösung. Dann gibt es mehr Kontrolle durch die Märkte und die Konsumenten. Monopoleinkommen werden schrumpfen, und die Ungleichheit wird tendenziell abnehmen.  Man kann Disziplin auch herstellen, ohne die Freiheiten weiter einzuschränken. Allerdings müssen sich vor allem die politischen Eliten selber disziplinieren. Ob das gelingt?

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%