Freytags-Frage

Warum wird das Bargeld überleben?

Die Debatte um die Abschaffung des Bargelds tobt. Dahinter stecken vorgeblich edle Motive – doch keines kann ernsthaft überzeugen. Es bleibt ein Rätsel, wie so illegale Geschäfte verhindert werden sollen. Eine Kolumne.

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Bargelde Quelle: dpa

Die Bundesregierung arbeitet offenbar daran, Bargeld -Transaktionen über 5000 Euro in Zukunft zu verbieten. Gleichzeitig gibt es Bestrebungen, größere Scheine ab 500 Euro abzuschaffen. In anderen Ländern wird sogar darüber nachgedacht, Bargeld ganz abzuschaffen. Auch internationale Organisationen, Internetfirmen und Banken scheinen diese Idee gut zu finden.

Was sind die Motive hinter solchen Bestrebungen? Drei wesentliche Motive sind denkbar: die Einschränkung illegaler Aktivitäten, die totale Kontrolle der Bürger beziehungsweise  Kunden und die Erleichterung von Inflation (zur Verringerung der Staatsschulden). Keines kann ernsthaft überzeugen.

Das offiziell vorgetragene Hauptmotiv zunächst der Reduzierung der maximal erlaubten Bargeldtransaktion auf 5000 Euro und der Abschaffung großer Scheine ist die Behinderung, wenn nicht gar Verhinderung krimineller finanzieller Transaktionen. So soll zum Beispiel verhindert werden, dass Terrorgruppen illegal an Waffen kommen oder dass mafiöse Organisationen weiterhin gute Geschäfte machen.


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Es bleibt aber ein Rätsel, wie man mit der Kriminalisierung von Bargeldübergabe die bereits jetzt illegalen Geschäfte von Terrorgruppen oder der organisierten Kriminalität verhindern kann. Denn ein illegales Geschäft wird nicht dadurch eingestellt, dass nun nicht nur die Übergabe einer Waffe oder eines Paketes Drogen, sondern auch die damit verknüpfte Bargeldübergabe illegal wird. Außerdem verfügt die organisierte Kriminalität heute schon über bargeldlose Instrumente. Kriminelle werden dadurch nicht weiter beeinträchtigt; ihre Lage verschlechtert sich nicht.

Transaktionen werden verkompliziert

Stattdessen werden legale Geschäfte wie etwa Gebrauchtwagenkäufe schwieriger. Alle Wagen mit einem Preis über 5000 Euro müssten unbar beglichen werden. Das erhöht die Transaktionskosten. Es steht außer Frage, dass viele Käufe mit Kreditkarte oder anderen unbaren Zahlungsmitteln einfach sind. In manchen Fällen ist es aber für den Käufer oder Verkäufer von Vorteil, bar zu zahlen beziehungsweise bezahlt zu werden. Bargeldlose Transaktionen sind dann teuer, wenn es um besonders geringe Beträge geht.

Damit sind wir bei der Befürchtung vieler Beobachter, dass es nämlich nicht um die Einschränkung krimineller Aktivitäten geht, sondern darum, möglichst genau zu kontrollieren, was die Bürger so machen. Die Kontrolle von Empfängern der Sozialhilfe fiele beispielsweise leichter, wenn diese kein Bargeld mehr hätten. Außerdem entfällt die Anonymität im Geschäftsverkehr: Kauft jemand Schnaps, wüsste es vielleicht bald das Sozialamt. Man kann sich viele Dinge vorstellen, für die Menschen Geld ausgeben und über die nicht alle Welt Bescheid wissen sollte. Es wäre aber möglich, wenn es kein Bargeld mehr gäbe.

Daneben kann man sich natürlich noch weiter einschneidendere Konsequenzen vorstellen. Bargeldlose Menschen werden total gläsern in ihrem Verhalten - die Steuerfahndung ist nur ein Gewinner. Auch die Marketingstrategen jubeln wohl schon, und die Banken können im Kartell die Kunden für elektronische Zahlungen zahlen lassen. Allen voran hätten die Regierungen natürlich ein Interesse daran, ihre Bürger zu kontrollieren - bis hin zur totalen Überwachung. Alles natürlich nur zum Besten der Menschen, oder?

Bürger schützen sich durch Bargeld vor Enteignung

Das kann nicht im Interesse der Gesellschaft sein - "Schöne neue Welt" in Verbindung mit "1984"?

Eine weitere Sorge kommt hinzu: Bei dieser Gelegenheit ließe sich gleich die Steuerpflicht für private Käufe einführen. Wie wäre es, wenn das Paar Skier auf dem Weihnachtsbasar zugunsten Bedürftiger nun zuzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer verkauft wird und der Fiskus an der Wohltätigkeit gleich mitverdient? So kann man wohltätige Handlungen auch verhindern.

Ein weiteres potentielles Motiv der Befürworter ist es zu verhindern, dass sich Bürger durch Bargeld vor Enteignung durch Negativzinsen schützen. Wenn man - wie der Kolumnist - davon ausgeht, dass die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) weniger der Investitionsförderung dient, sondern nahezu ausschließlich fiskalisch motiviert ist und den schwachen Regierungen in der Eurozone Reformen ersparen soll, dann liegt es nahe zu glauben, dass Inflation von der Politik gewünscht wird; natürlich nicht als Hyperinflation, sondern als moderate vier bis sechs Prozent.

Welche Zahlungsmittel Europäer bevorzugen
Das Geschäft mit dem Versenden von Geld über Smartphone-Apps lockt jetzt auch etablierte Banken an. Die Deutsche Kreditbank (DKB) kooperiert dafür mit dem Startup Cringle. Pro Monat kann ein Nutzer bis zu 100 Euro über die Cringle-App verschicken, abgewickelt wird die Zahlung per Lastschrift von der DKB. Pro Transaktion werden 20 Cent fällig, zum Start wurde die Gebühr auf 10 Cent gekappt. Das neue Angebot trifft bereits auf Wettbewerb im Markt. So bietet der Online-Bezahldienst PayPal seit Juli das Versenden von Geld über seine Smartphone-App in Deutschland an. Für Kunden, die ihren PayPal-Account mit einem deutschen Bankkonto verknüpft haben, ist das Angebot kostenlos, bei Kreditkarten wird eine Gebühr fällig. In vielen europäischen Ländern tun sich moderne Bezahlsysteme jedoch noch so schwer... Quelle: dpa
ÖsterreichOhne Bargeld geht in Österreich gar nichts. 86 Prozent bezahlen an der Kasse in bar, 12 Prozent mit EC-Karte. Eine Kreditkarte kommt nur in einem Prozent der Fälle zum Einsatz. Auf sonstige Alternativen wie Schecks, PayPal, Lastschrifteinzug oder Ähnliches entfällt insgesamt nochmal ein Prozent.Quelle: Deutsche Bundesbank; Europäische Kommission; Deloitte (Stand: 2014) Quelle: dpa
PolenIn Polen werden 80 Prozent der Bezahlvorgänge an der Kasse bar beglichen. Eine EC-Karte nutzen –ähnlich wie in Österreich – 13 Prozent der Bevölkerung. Immerhin werden auch drei Prozent der Bezahlvorgänge durch Kreditkarten abgewickelt. Auf die alternativen Zahlungsmittel entfallen vier Prozent. Quelle: dpa
DeutschlandAuch die Deutschen haben ihr Geld beim bezahlen lieber in fester Form in der Hand – in 79 Prozent der Fälle wird bar bezahlt. Zwölf Prozent der Käufe werden mit der EC-Karte beglichen, weitere sechs Prozent per mit Lastschrifteinzug, Scheck und anderen alternativen Zahlungsmethoden. Quelle: dpa
ItalienZwar ist Bargeld mit 69 Prozent noch immer das beliebteste Zahlungsmittel in Italien, aber auf Platz zwei kommen auch schon alternative Zahlungsmittel mit 17 Prozent. So sind Schecks, Kundenkarten, PayPal und andere Alternativen zusammen genommen bei den Italienern beliebter als die EC-Karte mit neun Prozent und die Kreditkarte mit sechs Prozent. Quelle: dpa
Sagrada Familia Quelle: AP
London Tower Bridge Quelle: dpa

Diese wäre nicht allzu stark spürbar, kann aber die Entschuldung staatlicher Organe unterstützen. Ob es bei einstelligen Inflationsraten bleibt, sobald der Prozess in Gang gesetzt ist, ist eine andere Frage. Vor diesem Hintergrund aber kann man in dem Vorschlag, auf Bargeld zu verzichten, den Versuch vermuten, Inflation zu erleichtern.

Menschen steigen auf Tauschhandel um

Nun hat es in der Vergangenheit zahlreiche Versuche gegeben, die Bevölkerung mit Hilfe von Inflation auszubeuten. Man denke an Lateinamerika in den 1970ern und 1980ern oder an die Zwischenkriegszeit in Europa. In der Regel führten diese Versuche zu Chaos und Verarmung auf breiter Front, ohne die Problem der staatlichen Haushalte zu lösen. Die Kosten der Inflation sind weithin bekannt und müssen hier nicht weiter diskutiert werden.

Eines aber kann Inflation nicht bewirken, nämlich dass die Bevölkerung auf Transaktionen und das dazu benötigte Zahlungsmittel verzichtet. In Lateinamerika lief der US-Dollar um; wer eine Operation brauchte, musste in Dollar zahlen. Dies war allerdings weder gerecht noch mit geringen Transaktionskosten verbunden. Zudem wurde regelmäßig Korruption gefördert. Sollte in der Eurozone das Bargeld abgeschafft werden, ist zu erwarten, dass vermehrt US-Dollar oder Schweizer Franken Verwendung finden - oder gar der russische Rubel, je nachdem, wie schwach der Euro dann würde. Das kann ja nicht das Ziel der Bundesregierung sein.

Daneben steigt in solchen Situation der Tauschhandel. Die Menschen fangen wieder an, Ware gegen Ware zu handeln. Auch dies erhöht die Transaktionskosten und ist damit nicht neutral.

Bargeld abzuschaffen, ist insofern keine besonders überzeugende Idee. Denn ohne Bargeld verliert das Geld seine wichtigsten Funktionen, zumindest teilweise: Es wird nicht länger Wertaufbewahrungsmittel, wenn die Bargeldabschaffung der Erleichterung inflationärer Prozesse gilt. Die Funktionsfähigkeit des Geldes als Zahlungsmittel wird eingeschränkt, da es nun noch mehr Transaktionen gibt, die wenn schon nicht illegal, so doch den Betroffenen eher unangenehm sind. Sie suchen - zumeist teure - Ausweichmöglichkeiten. Geholfen ist damit niemandem. Gleichzeitig drohen mit Inflation und totalitären Strukturen ernsthafte Probleme.

Anders gewendet: Wer die Feinde der offenen Gesellschaft stärken will, schafft das Bargeld ab. Die Bundesregierung sollte sich wieder wichtigen Fragen zuwenden und das Bargeld lassen, wo es hingehört - in den Taschen der Bürger.

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