Am Montagabend saß ich staunend vor dem Fernseher und habe in den USA die erste Präsidentschaftsdebatte verfolgt. Dort standen sich nun also die beiden Kandidaten gegenüber und debattierten miteinander. Wer eine inhaltliche Auseinandersetzung und anschließende Bewertung der Inhalte durch sachkundige Journalisten erwartet hat, wurde schwer enttäuscht.
Nur die demokratische Kandidatin Hillary Clinton war an Inhalten interessiert; sie war gut vorbereitet und hatte auf jede Sachfrage eine Antwort. In Deutschland wäre das ein klares Signal, dass sie die Debatte gewann, zumal ihr Gegenspieler, der republikanische Kandidat Donald Trump gar nicht erst den Anschein erwecken wollte, inhaltliche Aussagen zu machen, die über das intellektuelle Niveau von Stammtischdebatten zu später Stunde hinausgehen.
Er präsentierte sich als weinerliches Großmaul, der mehrfach dazwischen quakte, wenn Frau Clinton etwas sagte, und ansonsten ständig darauf hinwies, dass er “…did a great job“ und “…was endorsed“. Er war stolz darauf, keine Steuern zu zahlen und fand sich großartig darin, dass er aus der Finanzmarktkrise als Gewinner hervorging, indem er die Häuser der Opfer unter Preis erwarb; so zumindest muss man seine Einwürfe verstehen.
Das einzige Feld, in dem er inhaltlich punktete – wenigstens nach Auffassung der Beobachter – war die Handelspolitik. Er nannte die Handelsverträge der USA die schlechtesten jemals beschlossenen Verträge und zeigt damit eher, dass er den Außenhandel fundamental nicht verstanden hat. Dies ist jedoch ein Feld, mit dem die Amerikaner schon lange hadern. Sie mögen Handel einfach nicht, obwohl sie wissen, dass ihr Reichtum darauf basiert. Anstatt politisch verantwortlich zu argumentieren, gießt Trump hier Öl ins Feuer.
Außer zum Außenhandel kam von ihm wenig Inhaltliches am Montag, und wenn, dann nur indirekt. Trumps im Wahlkampf geäußerte Vorstellungen zur Einwanderung, zur Religionsfreiheit, zu Fragen der Beziehungen zwischen Geschlechtern und ethnischen Gruppen in den USA sind allerdings rückwärtsgerichtet und teilweise menschenverachtend. In der Sicherheitspolitik strahlt der Kandidat nur ein geringes Verständnis für die Zusammenhänge aus; seine Ausführungen zur NATO und zum Iran waren inkonsistent und oberflächlich. Zu weiteren wirtschaftspolitisch wichtigen Fragen wie Gesundheit oder Infrastruktur scheint er gar keine Haltung zu haben. Vor allem fällt auf, dass es keine konkreten Pläne gibt: „Make America great again!“ ist keine Agenda.
Trumps Agenda könnte Millionen Jobs vernichten
Und damit wären wir bei der Frage: Was droht den Deutschen von einem US-Präsidenten Trump? Natürlich leiden vor allem die Amerikaner: Nach einer Studie aus dem Peterson Institut for International Economics würde die handelspolitische Agenda von Trump viele Millionen Arbeitsplätze in den USA kosten, wenn sie denn durchgesetzt werden. Sie würden außerdem für geopolitische Verwerfungen sorgen und dabei vor allem dafür sorgen, dass der asiatische Raum in Zukunft stärker von China bestimmt werden würde. Das dürfte dann einige negativen Zweitrundeneffekte ausstrahlen.
Durch Handelskriege verlieren allerdings alle Beteiligten, also auch die Europäer. Deutsche Unternehmen sind stark exportorientiert, so dass eine vom amerikanischen Präsidenten angestoßene Implosion der globalen Handelsbeziehungen für deutsche Arbeitsplätze eine echte Bedrohung darstellen würde. Auch sind die sicherheitspolitischen Aussagen nicht dazu geeignet, Vertrauen zu erwecken. Zwischendurch wirkte der Kandidat so nervös und jähzornig, dass man gar befürchten muss, er könnte bereits eine persönliche Beleidigung zum Anlass nehmen, sein Land in einen bewaffneten Konflikt zu stürzen oder zumindest die diplomatischen Beziehungen drastisch zu verschlechtern.
Dennoch sind die öffentlichen Reaktionen in den USA nicht eindeutig; viele Beobachter halten Trump zwar für den Verlierer, aber vor allem deshalb, weil er sich von der klug agieren Clinton provozieren ließ, weil er die Nase hochzog, wegen seiner wenig kontrollierten Mimik und weil er zu viel Wasser trank; also insgesamt wenig souverän und unseriös daherkam. Da die Amerikaner, egal welcher Berufsgruppe und Bildung, in ihrer Mehrheit Frau Clinton abzulehnen scheinen (so die persönliche Wahrnehmung des Kolumnisten), sind sowohl Inhalte als auch irrlichterndes Auftreten des republikanischen Kandidaten offenbar nicht abschreckend.
Die Wirtschaftsberater von Donald Trump
Der Hedgefondsmanager wettete 2007 gegen den überhitzten Immobilienmarkt und machte dadurch Milliarden Dollar Gewinn für sich und seine Investoren. Jüngst waren seine Einschätzungen zu Aktienentwicklungen und Konjunktur jedoch weniger akkurat. In den vergangenen fünf Jahren büßten seine Investments massiv an Wert ein.
Quelle: Reuters
Der Investmentmanager ist Chef der von ihm 1992 mitbegründeten Beteiligungsgesellschaft Cerberus Capital Management. Unter seiner Führung war das Unternehmen auch größter Anteilseigner von Chrysler, bis der Autobauer 2009 mit staatlicher Hilfe saniert wurde.
David Malpass war Vize-Staatssekretär im Finanzministerium unter Präsident Ronald Reagan und Vize-Staatssekretär im Außenministerium unter Präsident George Bush senior sowie Chefvolkswirt der Investmentbank Bear Stearns. Derzeit leitet er die Investmentberatungsfirma Encima Global. Er ist ein scharfer Kritiker der Geldpolitik der US-Notenbank, fordert mehr Investitionen in die Infrastruktur und Steuersenkungen.
Peter Navarro ist der einzige Vertreter auf Trumps Beraterliste, der in Wirtschaftswissenschaften promovierte. Derzeit lehrt er als Wirtschaftsprofessor an der University of California in Irvine. Drei seiner neun Bücher befassen sich kritisch mit Chinas Rolle in der Welt. Er fordert einen Importzoll in Höhe von 45 Prozent auf chinesische Waren. Die USA sollten seiner Meinung nach eine strengere Haltung zu Diebstahl geistigen Eigentums und in Handelsfragen einnehmen.
Howard Lorber ist Chef der Vector Group, die Zigaretten herstellt und im Immobiliengeschäft aktiv ist. Laut Trumps Wahlkampfstab ist Lorber einer der besten Freunde Trumps.
Der Investmentmanager konzentriert sich auf Finanzierungsvorhaben in der Unterhaltungsbranche. Der Ex-Goldman-Sachs-Partner ist Chef der Beteiligungsgesellschaft Dune Capital Management. Er hat in der Vergangenheit häufig Geld an die Demokraten gespendet, einschließlich deren Kandidatin Hillary Clinton. Mit Trump ist er nach eigenen Angaben seit mehr als 15 Jahren privat und beruflich verbunden.
Dan Dimicco ist Ex-Chef der Nucor Corp, einem der größten US-Stahlproduzenten. Er ist ein scharfer China-Kritiker und tritt ein für neue Handelsregeln zugunsten der US-Industrie.
Stephen Moore ist einer der führenden konservativen US-Wirtschaftsexperten, der für das "Wall Street Journal" arbeitete und derzeit der Denkfabrik Heritage Foundation angehört. Er gründete die Anti-Steuern-Lobbygruppe Club of Growth.
Der Immobilienfinancier und Hotelentwickler ist ein langjähriger Freund Trumps. Er ist Gründer und Chef der Beteiligungsgesellschaft Colony Capital.
Das kann zwei Gründe haben: Entweder sind die Amerikaner und vor allem politische Beobachter aus Amerika naiv und wählen bzw. beurteilen ihren Präsidenten nicht danach, ob er oder sie inhaltlich kompetent, nervenstark und verhandlungssicher ist, oder sie denken, dass die gesamte Rhetorik nur Show ist und allein dazu dient, diejenigen zu überzeugen, die sich nur oberflächlich mit den Inhalten befassen und ein wuchtiges Auftreten brauchen. Nach der Wahl würde dieser Interpretation zufolge ohnehin nichts von dem umgesetzt werden, was die Kandidaten ankündigen. Konkret heißt das, dass weder das nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) aufgekündigt noch die NATO verlassen wird. Und die Mauer an der mexikanischen Grenze bleibt auch eine Phantasie. Diese – mehrfach gehörte – Haltung klingt einerseits plausibel, andererseits ist sie nicht ungefährlich.
Denn sie nimmt stillschweigend an, dass die politische Klasse in Washington, deren Unbeliebtheit ja überhaupt erst dazu führte, dass Herr Trump eine Chance hat, ihn anschließend kontrollieren kann. Gelingt dies, ist in der Tat nur wenig zu befürchten. Gelingt dies nicht, muss mit erheblichen Verwerfungen gerechnet werden.
Vor diesem Hintergrund kann man nicht darauf setzen, dass die Beziehungen Deutschlands (und Europas) zu den USA entspannter werden, würde Trump der nächste Präsident der USA. Zumindest die Rhetorik würde schärfer werden. Wie pragmatisch dann die neue Regierung tatsächlich arbeiten würde, kann man jetzt nicht vorhersagen. Mit Frau Clinton im Weißen Haus wäre dies einfacher.