Freytags-Frage

Welche Zukunft hat die FDP?

Die Liberalen haben gute Chancen in den nächsten Bundestag einzuziehen. Doch was dann? Womöglich zurück in eine Regierung mit der Union? Wenn die FDP-Spitze klug ist, lässt sie das lieber bleiben.

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Christian-Lindner Quelle: dpa

Vor etwa einer Woche waren im deutschen Fernsehen schon erste Koalitionsgespräche für die Zeit nach der Bundestagswahl im September zu sehen. In der Talkshow von Maybrit Illner saßen etliche Spitzenpolitiker und diskutierten über zukünftige Politik. Dabei schienen die Akteure schon einmal die Positionen abstecken zu wollen. Auffallend waren die klaren Worte des CDU-Politikers Carsten Linnemann, der die FDP für den natürlichen Koalitionspartner der CDU hält. FDP-Chef Christian Lindner reagierte recht zurückhaltend auf diese Schmeicheleien.

Das war auch geboten, denn zum Ersten mögen zwar Linnenmann und die von ihm vertretene Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU glauben, dass eine liberale Partei der natürliche Partner der CDU ist. Ob dies in einer Partei, die von Sozialdemokraten kaum mehr zu unterscheiden ist, tatsächlich überall so gesehen wird, ist offen. Die Partei Konrad Adenauers, als die sich die CDU selber häufig etwas pathetisch rühmt, ist zumindest im Moment nicht mehr die Partei Ludwig Erhards. Allerdings wird ja gerade, wenn auch nicht gewollt, vom neuen US-amerikanischen Präsidenten Druck auf die deutsche Politik aufgebaut, sich wieder grundsätzlicher aufzustellen und Ordnungspolitik wieder ernster zu nehmen. Vor diesem Hintergrund könnte die CDU irgendwann wieder näher an liberale Grundwerte heranrücken.

Zum Zweiten – und das ist für eine Partei mit solch illustrer Vergangenheit wie die FDP zentral – ist die Koalitionsfrage für die FDP im Moment wohl gegenstandslos. Erst einmal muss die Partei sich in einem allgemeinen anti-liberalen gesellschaftlichen Klima behaupten und den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen. Auch hier ist zu erwarten, dass postfaktische Realpolitik des amerikanischen Präsidenten (anders als postfaktische Ankündigungen des Kandidaten) die Chancen seriöser Politikanbieter erhöhen. Wenn man also davon ausgeht, dass die FDP den Wiedereinzug schaffen wird, bleibt die Frage, welche Rolle sie in der Politik nach dem September spielen soll.

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von Marc Etzold

Eine Alternative ist von Herrn Linnemann vorgeschlagen worden, nämlich eine schwarz-gelbe Koalition. Dies ist keine gute Idee. Erfahrungen der letzten Koalition mit der CDU legen nahe, diese Option auszuschlagen. Kein Wahlkampfziel konnte die FDP realisieren – trotz stolzer 15 Prozent Zweitstimmen. Sie wurde durch die kurzatmige und auch heute noch nicht nachhaltige Europapolitik der CDU gespalten und hat dadurch ungewollt zum Erstarken der AfD beigetragen. Im Zuge der Eurokrise hat die FDP somit ihre Glaubwürdigkeit riskiert und verloren, weil sie den nie vollständig ausgeräumten Verdacht, ihr ginge es nur um die Macht und nicht um die liberale Sache, damals sehr nachdrücklich bestätigt hat. Die Wut der eigentlich liberal denkenden Menschen hat sie gespürt, als sie nahezu zwei Jahre aus der Öffentlichkeit einschließlich politischer Berichterstattung verschwunden war.

Inhaltlich starke Opposition

Deshalb ist es so wichtig, den Sirenengesängen der CDU und der Aussicht auf Dienstwagen und Ministergehälter zu widerstehen. Sonst könnte der Wiederaufstieg von sehr kurzer Dauer sein. Wenn die Signale aus der Parteispitze einigermaßen glaubwürdig sind, ist dies auch verstanden worden.

Somit wird auch deutlich, dass eine andere Regierungskonstellation, etwa die Ampel oder Jamaika, ebenfalls aus grundsätzlichen Erwägungen für die FDP ausfällt, zumal die inhaltliche Schnittmenge mit den Sozialdemokraten und den Grünen, die ihren kurzen Flirt mit dem Liberalismus überaus gründlich beendet haben und sich wieder ihrer eigentlichen Leidenschaft, der Bevormundung, widmen, eher klein sind.

Am 12. Februar wählt die Bundesversammlung einen neuen Bundespräsidenten. Kandidat Frank-Walter Steinmeier hat schon jetzt eine Mehrheit sicher. Nun will auch die FDP für den Außenminister stimmen.

Dennoch kann die FDP eine sehr bedeutsame Rolle im zukünftigen Bundestag spielen. Sie kann zu einer echten, inhaltlich starken Opposition werden. Denn im aktuellen Bundestag ist die Opposition kaum spürbar. Zu schwach die Argumente der Grünen, zu platt und populistisch die Behauptungen der Linken. Das zentrale Thema Migration wiederum wird überdies von allen Parteien im Bundestag so schwach und ziellos behandelt (anders als das Thema Asyl), dass sich eine außerparlamentarische Opposition gebildet hat, die vor allem wüst polemisiert. Bei anderen Themen handelt die Opposition ähnlich verantwortungslos wie die AfD: Während die Linke und die Grünen im Parlament Ängste vor Globalisierung schüren, versuchen die Neonazis in hellblau, den Menschen Ängste vor Ausländern einzujagen. Beides ist gefährlich.

Beide Themen werden außerdem an Bedeutung eher noch zunehmen. Wir werden sowohl um eine Positionierung zur Einwanderungspolitik als auch um eine deutliche Haltung zur Offenheit nicht herumkommen – schon deshalb nicht, weil steigender Protektionismus die globalen Wanderungsbewegungen weiter anheizen würde.

Da davon auszugehen ist, dass auch die AfD in den Bundestag einzieht, bedarf es einer inhaltlich starken und mit den Werten einer menschlichen Gesellschaft kompatiblen Opposition. Nur dann kann den Vereinfachern von links und rechts etwas Substantielles entgegengehalten werden. Anders gewendet: Mit der FDP zöge wieder ein lang vermisster intellektueller Standard und eine ebenfalls im Augenblick unterrepräsentierte inhaltliche Sicht, die Offenheit und Freiheit betont, in den Bundestag ein. Das könnte dazu führen, dass die Regierung – in dieser Konstellation entweder eine Große Koalition oder Rot-Rot-Grün (R2G) – inhaltlich stärker gefordert wird. Außerdem könnte es bewirken, dass die Grünen sich wieder darauf besinnen, dass sie als Bürgerrechtspartei begonnen haben.

Insgesamt kann man davon ausgehen, dass die FDP dem 19. Deutschen Bundestag sehr gut tun würde. Dabei scheint sie in der Opposition viel besser aufgehoben zu sein als auf der Regierungsbank. Dort können ihre Abgeordneten die Regierung –welchen Zuschnitts auch immer – vor sich hertreiben und gleichzeitig inhaltlich und moralisch ein Gegenwicht zu den Vereinfachern von links und rechts bilden.

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