Freytags-Frage

Wie steht es um die individuelle Freiheit in Deutschland?

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Wer Freiheit nicht verteidigt, hat sie auch nicht verdient

• Schließlich soll hier noch auf die immer häufigeren Versuche aus allen politischen Richtungen hingewiesen werden, die Vertreter anderer als der eigenen Auffassung zum Schweigen zu bringen bzw. gar nicht erst zu Wort kommen zu lassen. Die Begründung dafür ist regelmäßig der Schutz der Minderheiten vor Diskriminierung; es wird hier aber nicht im Nachhinein geprüft, ob Diskriminierung oder Verletzung vorliegt, sondern es wird unterstellt, dass schon die Wortmeldung der anderen Seite unerträglich sei. Freiheit ist dann gerade nicht die Freiheit der Andersdenkenden!
Ganz prominent sind die Beispiele an Universitäten, wenn Vorlesungen gewaltsam gesprengt, Universitätsangehörige attackiert oder öffentliche Vorträge aus Angst vor Gewalt abgesagt werden. Wie Minderheiten geschützt werden, wenn Herr Lucke seine Vorlesung in Makroökonomik nicht hält, wird nicht erläutert und spielt dabei wohl auch keine Rolle. Ein anderes Beispiel: Die sogenannte Alternative für Deutschland (AfD) versucht regelmäßig, mit dem Hinweis auf die Meinungsfreiheit diese einzuschränken beziehungsweise Kritiker einzuschüchtern; dazu dienen ihnen zum Beispiel Plattformen zur Meldung von kritischen Lehrern oder Hochschullehrern. In diesen Fällen geht es nur um Unterdrückung anderer Meinungen!

• Aber auch andere Fälle von Beleidigungen Einzelner wegen deren Auffassungen – zum Beispiel die Beleidigungen gegen Karl Lauterbach im Internet oder die völlig überzogenen Beschimpfungen der Teilnehmer einer Fernsehdiskussion, die dort Unsinn geredet haben – zeigen, dass diese totalitäre Tendenz in allen gesellschaftlichen Sphären Einzug hält. Leider wird oft zu wenig von den zuständigen Autoritäten, zum Beispiel Universitätsleitungen oder Chefredakteuren, dagegen getan. Hier wird das Recht auf freie Meinung gerade nicht verteidigt.

Zum Teil, aber nur zum Teil, beschrieben die Bespiele auf den ersten Blick Kleinigkeiten. Wo ist das Problem, wenn man einmal über Ostern nicht am Strand ist? Das ist natürlich kein Problem, solange man selber die Entscheidung fällt, und zwar vor dem Hintergrund der der allgemeinen Lage in eigener Verantwortung. Wenn es von der Obrigkeit angeordnet wird, muss dies sehr gut begründet werden und unabdingbar sein. Oder wem kann es schaden, einige Woche keine Flyer vom Discounter mit Sonderangeboten im Briefkasten zu finden? Auch hier gilt, dass die Menschen selber entscheiden sollen, ob sie auf Werbung reagieren oder nicht. Es ist auf keinen Fall akzeptabel, eine leichtfertige Entscheidung von oben zu treffen.

Hinter allen hier beschriebenen Fällen steckt somit ein paternalistisches Menschenbild, das sich quer durch die meisten politischen Parteien zieht. Im politischen Berlin gibt es kaum noch Politiker, die Freiheit für wichtig halten. Immer mehr bestimmt der Wunsch nach Fürsorge die Diskussion; Menschen werden wie Kinder behandelt. Dahinter mag ja eine gute Absicht stehen, nämlich, Diskriminierungen zu verhindern oder denjenigen zu helfen, die ihr Leben nicht selber meistern können. Diese Gruppe ist jedoch sehr klein, und auch ihre Mitglieder haben Würde zu verlieren und können höchstwahrscheinlich verantwortlich handeln. Dazu soll die Sozialpolitik sie befähigen, nicht aber abhängig machen.

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Denn es muss doch immer bei der Fürsorge um Hilfe zur Selbsthilfe gehen. Es liegt natürlich an den Menschen selbst, ob sie sich als freie Bürger sehen, die solche Vorgaben nicht brauchen, oder als den Typus Untertan, der Fürsorge braucht und dafür die Verantwortung abgeben will. Die Pandemie bietet den idealen Hintergrund für viele Akteure, die Freiheitsrechte mit oberflächlich überzeugenden Argumenten weiter einzuschränken zu wollen – nur zu unserem Besten natürlich. Noch besteht Hoffnung, dass genügend Menschen sich gegen solch paternalistische Bevormundung verwahren wollen. Wer Freiheit nicht verteidigt, hat sie auch nicht verdient. Es lohnt sich, schon sehr früh damit zu beginnen und sich jedem Versuch, die Menschen unfrei zu machen, schon zu Beginn zu widersetzen.

Mehr zum Thema: Der Lockdown geht weiter. Das wirft eine Reihe von Fragen auf, die vor allem wichtig sind, um die getroffenen Entscheidungen rational zu betrachten.

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