Die Deutschen bilden sich einiges auf ihr Umweltbewusstsein ein. Sie trennen Müll, und versuchen, Plastikabfälle zu vermeiden. Sie verwenden Ökostrom und versuchen, den Ausstoß von Stickoxiden zu verringern. Und sie tun dies mit Verve und mit moralischem Pathos. Dennoch gehört Deutschland, was das Vermeiden von Umweltverschmutzung anbetrifft, nicht in die internationale Spitzenklasse.
Gerade vor diesem Hintergrund sollte das Pathos zu denken geben. Denn Pathos ersetzt oft Rationalität. Die Umweltdiskussion in Deutschland wird von Beginn an (also seit den 1970er Jahren) als moralische Diskussion geführt. Wer für die Umwelt ist und sich entsprechend äußert, gehört zu den „Guten“, die anderen sind sozusagen die „Bösen“. Dies gilt vor allem für diejenigen Diskussionsteilnehmer, die über den Nutzen und die Kosten von umweltpolitischen Maßnahmen sprechen.
Dabei ist das Umweltproblem ein praktisches. Es dürfte jedem klar sein, dass die Umweltqualität sich nicht mit Worten hochhalten lässt, sondern Taten nötig sind, und zwar vernünftige Taten. Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: Die Verwendung von Papiertüten anstelle von Plastiktüten beim Einkauf macht nur dann Sinn, wenn die gesamte Ökobilanz stimmt.
Man könnte auch die Diskussion um die Dieselfahrzeuge heranziehen. Die Gegner des Diesels als Antriebsmotor im Individualverkehr argumentieren in gewisser Hinsicht mit religiöser Inbrunst; sie führen einen Kreuzzug. Den Fakten schenken sie in der Regel wenig Beachtung, als unrichtig Erwiesenes wird nur dann korrigiert, wenn es der eigenen Position hilft. Dabei sollte es doch ganz einfach sein: Der Ausstoß sämtlicher dieselgetriebenen Motoren sollte gemessen und mit vertretbaren Werten verglichen werden. Dabei dürfte sich herausstellen, dass PKW nur einen Teil der Probleme verursachen – man denke nur an die Schifffahrt auf Binnengewässern oder an die Hafenstädte, die Kreuzfahrtschiffe anlaufen. Hinzu kommt der Straßentransport, der ebenfalls deutlich mehr Stickoxide produzieren dürfte als PKW.
Diese Beispiele sollen keineswegs dazu dienen, den Dieselmotor oder die Plastiktüte vor dem Aus zu bewahren, sondern als Mahnung gelten, die Diskussion sachlich zu führen und die ökologische Effektivität in den Blick zu nehmen. Außerdem sollte angestrebt werden, die jeweils preiswerteste Lösung – in diesen Fällen von verschiedenen Transportproblemen – zu finden.
Vor diesem Hintergrund bekommt das Umweltproblem eine ökonomische Dimension. Denn es geht um zweierlei: erstens um eine nachhaltige Nutzung der Umwelt und zweitens um den besten Weg dahin.
Der Verzicht auf Fakten hilft der Umwelt auf keinen Fall
Auch hierzu bietet die deutsche Umweltpolitik ein anschauliches Beispiel, nämlich die Förderung erneuerbarer Energien seit 2000 durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dabei wurden sehr unterschiedliche Einzelpreise für jede Art von Strom aus erneuerbaren Quellen für seine Einspeisung ins Netz festgelegt, die sich nach festen Plänen änderten. Die Differenz zwischen den Einspeisungstarifen und den vom Kunden zu zahlenden Strompreisen wird mit der EEG-Umlage für Stromverbraucher ausgeglichen.
Dieses System ist insofern planwirtschaftlich und unwirtschaftlich, als der Gesetzgeber vorschreibt, welche Technologie zu welchem Preis verwendet wird. Besser wäre es gewesen, allen Energieunternehmen eine Quote an erneuerbaren Energien vorzuschreiben, es ihnen aber selbst zu überlassen, mit welcher Technologie sie diese Quote erfüllen wollen. Trotz prominenter Fürsprecher dieser preiswerten Lösung (zum Beispiel die Monopolkommission) war es nicht möglich, die Bundesregierung davon zu überzeugen.
Auch hier verläuft die Diskussion nicht entlang sachlicher Argumente. Vielmehr werden Kritiker des EEG nicht angesehen als ernsthafte Gesprächspartner, denen es auch um die Umweltqualität geht. Wer ökonomisch argumentiert, kann dieser Logik zufolge nur kalt sein und kein ökologisches Bewusstsein haben.
Dies ist genauso unlogisch wie grundfalsch. Immer dann, wenn eine Diskussion nur noch mit Glaubenssätzen anstatt mit Argumenten und Fakten (in diesem Falle auch mit den vorliegenden Daten) geführt wird, kann sich Rationalität nicht durchsetzen. Es stellt sich dann die Frage, ob die Beteiligten wirklich so dumm sind, die Folgen eines Glaubenskrieges zu übersehen, oder ob andere Motive dahinterstecken. Vermutlich beides! Denn viele Vertreter der religiösen Position haben nachweislich keinerlei wirtschaftlichen Interessen an der Umweltpolitik – im Gegenteil: Sie sind bereit, höhere Energiekosten zu tragen, als sie zum Beispiel im Quotenmodell zu tragen hätten, und verteidigen diese Selbstschädigung noch vehement.
Andererseits gibt es zahlreiche wirtschaftliche Interessen zum Beispiel an Windrädern oder Solarpanels, die einer alternativen – preiswerteren – Unterstützung von erneuerbaren Energien entgegenstehen. Hinzu kommt, dass Nichtregierungsorganisationen oft gar nicht so selbstlos sind, wie sie vorgeben. Ihr Überleben oder gar ihr Wachstum hängt davon ab, dass viele Menschen ihnen glauben. Da nimmt man es dann mit den Fakten oder Transparenz nicht ganz so genau.
Man sollte von einer modernen Gesellschaft mit immer mehr Hochschulabsolventen wohl fordern, dass sie auch beziehungsweise gerade bei schwerwiegenden und als bedrohlich empfundenen Problemen einen rationalen Diskurs pflegt und sich sowohl bei der Vorgabe von Zielen als auch bei den dazu gewählten Instrumenten von Fakten und Logik leiten lässt. Der Verzicht auf Fakten in der Umweltdebatte hilft der Umwelt auf keinen Fall. Es fördert vermutlich vor allem jene politischen Kräfte, für die Hysterie und Angst der wichtigste Erfolgsfaktor sind.