Freytags-Frage
Die offizielle Corona-Warn-App zeigt auf einem Smartphone eine Risiko-Ermittlung an. Quelle: dpa

Was passiert mit denen, die die Corona-Warn-App nicht installieren?

Können aus der Nicht-Nutzung der Corona-Warn-App für die Betroffenen Nachteile entstehen, die von der Bundesregierung nicht vorgesehen sind? Etwa, wenn der Zutritt zum Supermarkt oder einem Kino verweigert wird?

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Nach langem Hin und Her ist die Corona-Warn-App der Bundesregierung fertig und steht den potenziellen Nutzern seit Dienstag zur Verfügung. Mit der App ist nur die Möglichkeit verbunden, zu erfahren, ob man sich in der Nähe einer mit dem Coronavirus infizierten Peron aufgehalten hat. Dies ist aber nur möglich, wenn die Infizierten diesen Status in der App vermerken. Die Bundesregierung betont mit Nachdruck, dass die Nutzung freiwillig sei und die persönlichen Daten nicht offengelegt würden.

In dieser Kolumne soll weder die Sinnhaftigkeit der Corona-Warn-App noch der Datenschutz diskutiert werden. Es geht vielmehr um die Frage, ob aus der Nutzung beziehungsweise Nicht-Nutzung der App für die Betroffenen Konsequenzen erwachsen können, die von der Bundesregierung nicht vorgesehen sind. Den Hintergrund dieser Frage bilden Nachrichten darüber, dass es mit Nachteilen im täglichen Leben verbunden sein kann, die App nicht heruntergeladen zu haben.

Zunächst könnten Unternehmen versuchen, die Arbeitnehmer zu verpflichten, die App herunterzuladen und zu nutzen. So könnten Unternehmensleitungen versuchen, das Ansteckungsrisiko in der Belegschaft zu verringern. Rechtlich scheint es allerdings ausgeschlossen, dass Arbeitgeber solch scharfe Eingriffe in individuelle Persönlichkeitsrechte vornehmen dürfen. Von dieser Seite drohen also keine Einschränkungen für diejenigen, die die App nicht herunterladen wollen (oder können). Gibt es also keinen politischen Handlungsbedarf?

Das sehen die Grünen im Deutschen Bundestag etwas anders, denn sie fürchten, dass es durch die Corona-Warn-App zu Diskriminierungen kommen könnte. So hätten bereits einige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Sorge geäußert, ihre Arbeitgeber würden Druck ausüben. Solange die Rechtslage aber auch ohne Begleitgesetz eindeutig ist, braucht man kein neues Gesetz. Potentielle Konflikte zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten können mit dem bestehenden Rechtsrahmen gelöst werden.

Eine andere Sorge besteht darin, dass einzelne Unternehmen ihre Kunden diskriminieren könnten. Und in der Tat ist es nicht ausgeschlossen, dass Restaurantbetreiber; Kinos, Theater oder Geschäfte nur Kunden zulassen, die nachweisen, die App auf dem Handy geladen zu haben. Es ist zwar schwer vorstellbar, dass vor dem Supermarkt oder in der Gaststätte jemand die Kunden oder Gäste bittet, ihr oder sein Telefon zu zeigen, aber möglich ist es natürlich.

Na und, möchte man ausrufen. In der Privatwirtschaft darf sich jeder Betrieb seine Geschäftspartner (und dazu zählen nun mal die Kinogäste und Supermarktkunden) selbst aussuchen. Diese Geschäftspartner diskriminieren täglich, wenn sie irgendwo einkaufen und anderswo nicht; dagegen gibt es auch kein Gesetz. Abgesehen davon werden viele Unternehmen es sich gut überlegen, ihrerseits zu diskriminieren. Denn wie werden Menschen reagieren, wenn nach ihrer Auffassung der Supermarktleiter oder die Wirtin ihnen gegenüber übergriffig auftritt, sie sich also subjektiv falsch behandelt fühlen? Die normale Reaktion besteht darin, den Supermarkt oder die Gaststätte zu wechseln. Unzufriedene Kunden haben in der Regel ein langes Gedächtnis. Deshalb muss man solches Verhalten mit einem neuen App-Begleitgesetz nicht von vornherein ausschließen.

Nicht so eindeutig wird die Antwort ausfallen, wenn es sich um öffentliche Unternehmen handelt. Darf die städtische Verkehrsgesellschaft Menschen ohne Corona-Warn-App den Zugang zur Straßenbahn verweigern? Kann das Freibad die App verlangen? Und wie ist es mit dem Universitätsweingut, in deren Geschäft die Kundin die App nicht vorweisen will oder kann? In diesen Fällen darf offensichtlich nicht diskriminiert werden, weil andernfalls die von der Bundesregierung garantierte Freiwilligkeit hinterfragt werden muss. Ob dieser Fall ein neues Gesetz erfordert, ist also höchst zweifelhaft. Eigentlich dürfen öffentliche Akteure, also auch staatliche Unternehmen ohnehin nicht diskriminieren, so steht es im Grundgesetz.

Diese Problematik regt allerdings zu einem kleinen Exkurs an: Bevor über ein neues Gesetz nachgedacht wird, sollte lieber die Liste öffentlicher Unternehmen durchforstet werden; zahlreiche – nicht sämtliche – kommunale Unternehmen sind sicherlich leicht zu privatisieren, was in der Regel sowohl die Effizienz dieser Unternehmen als auch die Steuereinnahmen steigert (und Subventionen verringert).

Insofern mag die App für die Unterbrechung der Infektionsketten wirken oder nicht, und sie muss sicherlich datenschutzrechtlich sehr genau beobachtet werden. Eine Gefahr für Arbeitnehmerrechte ruft sie genauso hervor wie eine Zunahme an Diskriminierung. Weitere bürokratische Hürden, Verletzungen der Vertragsfreiheit und Quellen von Konflikten am Arbeitsplatz sind absolut unnötig.

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