Freytags-Frage
Fachkräfte: Wie kann man Lücken auf dem Arbeitsmarkt schließen? Quelle: dpa

Wie kann man die Lücken auf dem Arbeitsmarkt schließen?

Deutschland fehlt es an Handwerkern und Altenpflegern. Woran es nicht mangelt sind Akademiker. Wie sich dieser Missstand beheben lässt.

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Die Bauindustrie boomt in Deutschland. Seitdem die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen auf null gesenkt hat, sind Baukredite sehr günstig zu haben. Dies nutzen viele Bauherren, um ein Eigenheim zu errichten oder um notwendige Sanierungsarbeiten und Reparaturen durchführen zu lassen. Doch es ist nicht immer einfach, die dazu benötigten Gewerke in ausreichender Zahl und Qualität zu finden.

Inzwischen habt vermutlich jede Bundesbürgerin und jeder Bundesbürger mindestens einmal auf den Handwerker warten müssen oder zu hören bekommen, dass Termine auf absehbare Zeit nicht möglich sind. Dabei würde man erwarten, dass die Aussicht auf gutes Geld viele junge Menschen dazu bringt, als Handwerker zu arbeiten und eine Lehre dort zu beginnen.

Leider ist es nicht so. Denn ganz im Gegensatz zur ständig wiederholten Geschichte der zu geringen Akademisierung in Deutschland fehlen vor allem Handwerker und andere Berufsgruppen mit einer dualen Ausbildung wie zum Beispiel Pflegekräfte. Außerdem hat die Landwirtschaft gerade damit zu kämpfen, dass Erntehelfer fehlen.

Die Ursachen für diese Mängel sind nicht überall gleich; dennoch ist ein Muster erkennbar. Es sind mehrere Gründe, die uns in diese Lage gebracht haben.

- Zum ersten hat es in den vergangenen Jahrzehnten einen Trend zur Akademisierung junger Menschen gegeben, der von verschiedenen internationalen Vergleichen und durch massive Beeinflussung seitens internationaler Organisationen, namentlich der OECD, befeuert wurde. In der Tat liegt die deutsche Akademikerquote unter der finnischen.

- Zudem wollen zweitens viele Eltern für ihre Kinder keine Ausbildung, sondern möchten, dass sie studieren. Als Konsequenz dieser Nachfrageausdehnung werden überall in Deutschland Hochschulen gegründet, die dann diese Schulabgänger absorbieren. Zweifel sind angebracht, ob das für alle Studierenden immer die richtige Wahl ist.

- Allerdings wurde dabei drittens systematisch unterschlagen, dass die deutsche duale Ausbildung vielfach einem Studium in anderen Ländern entspricht. Während man in Großbritannien “Nursing“, also die Arbeit einer Krankenschwester studiert, wird die Ausbildung hierzulande traditionell als Lehre organisiert. Diese Art der Ausbildung ist weltweit nahezu einmalig und wurde jahrelang – vor allem von der OECD – systematisch unterschätzt. Inzwischen hat man sich ihrer wieder erinnert. Immer wieder wird sie auch für andere Länder vorgeschlagen.

- Dessen ungeachtet bleiben viertens die Gehälter, die in manchen Ausbildungsberufen nach Ende der Ausbildung gezahlt werden, hinter den kolportierten Gehältern in akademischen Berufen zurück. Dies gilt mit Sicherheit für die Gesundheitsberufe, in denen die Knappheit sehr hoch ist, was sich aber nicht auf die Zahlungsbereitschaft der direkten Nachfrager, also der Krankenhäuser und Pflegeheime, sowie deren Patienten und der dahinterstehenden Krankenkassen auswirkt.

- Hinzu kommt, dass viele Deutsche nicht bereit zu sein scheinen, für Dienstleistungen einen angemessenen Preis zu bezahlen. Handwerkerarbeiten werden häufig selber durchgeführt – ungeachtet der dann zu erwartenden Qualitätsmangel. Nebenbei bemerkt bestärkt die Absage von Handwerkbetrieben wegen voller Kapazitätsauslastung diesen Trend nur.

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