Freytags-Frage
Alle Parteien besitzen eine ihnen nahestehende Stiftung. Quelle: imago images

Wie sollen die parteinahen Stiftungen reguliert werden?

Ab der zweiten Legislaturperiode steht parteinahen Stiftungen eine staatliche Finanzierung zu, also möglicherweise auch bald der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Muss das System also überdacht werden?

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In Berlin wird zur Zeit diskutiert, wie zukünftig die Arbeit und die Finanzierung parteinaher Stiftungen gesetzlich geregelt wird. Anlass ist der zu erwartende Wiedereinzug der sogenannten Alternative für Deutschland (AfD) in den Bundestag bei der Bundestagswahl am 26. September und die damit notwendig gewordene Finanzierung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung aus dem Bundeshaushalt. Bislang hat sich diese Stiftung offenbar ausschließlich durch Spenden finanziert. Ab der zweiten Legislaturperiode der AfD im Bundestag ist der Absprache der politischen Parteien und ihrer Stiftungen zufolge die staatliche Finanzierung einer parteinahnahen Stiftung gesichert.

Insgesamt etwas über ein halbe Milliarde Euro erhalten die politischen Stiftungen jedes Jahr aus dem Bundehaushalt, gestaffelt nach Anzahl der Mandate und Dauer der Zugehörigkeit zum Bundestag. Darauf haben sich die Stiftungen im Jahre 1998, wiederum auf Grundlage eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Förderung aller relevanten politischen Strömungen in der Gesellschaft aus dem Jahre 1986, geeinigt. Natürlich hatte 1998 niemand damit gerechnet, das Rechtsextreme irgendwann so stark ins politische Gewicht fallen werden, dass ihre parteinahe Stiftung gefördert werden müsste.

Deshalb regt sich jetzt Widerstand, und zwar mit dem Hinweis auf die verfassungswidrigen Bestrebungen weiter Teile der AfD. Also müsste die Desiderius-Erasmus-Stiftung ein ähnliches Gedankengut vertreten und müsse deshalb von der Förderung aus dem Bundeshaushalt ausgeschlossen werden. Es dürften nur parteinahe Stiftungen gefördert werden, die „…die eindeutig auf rechtsstaatlichem Boden agieren, die uneingeschränkte Geltung der Menschenrechte als handlungsleitend in ihrem Programm verankert haben und aktiv für den Schutz und die Stärkung der Demokratie einstehen.“ So steht es im Manifest für die Zivilgesellschaft und die politische Bildung, das von Vertretern einiger Nichtregierungsorganisationen, religiöser Gruppen und Gewerkschaften verfasst worden ist. Dem kann nur unmissverständlich ohne weiteren Kommentar zugestimmt werden.

Wer die Arbeit der sechs traditionellen parteinahen Stiftungen genau verfolgt, sieht in der Tat viel Sinnstiftendes. Sowohl im Inland als auch im Ausland bieten die Stiftungen eine vielfältige und entsprechend der Färbung der ihnen nahestehenden Parteien bunte Bildungsarbeit und Politikberatung an. Dazu zählen Studien und politikorientierte Aufsätze genauso wie Expertenworkshops, Konferenzen und Vortragsveranstaltungen für eine breite Öffentlichkeit im Inland. Außerdem bilden die Stiftungen natürlich exzellente Netzwerke, die in die Parteien, aber auch in Wissenschaft und Verwaltung wirken. Wer sich interessiert, kann im Grunde mit allen Stiftungen Kontakt halten und so die politische Vielfalt des Landes erfahren.

Im Ausland kann man die politischen Stiftungen zu den effektivsten Akteuren deutscher Entwicklungszusammenarbeit zählen. Sie sind mit Niederlassungen in zahlreichen Ländern oder Regionen vertreten und pflegen dort gute Kontakte zur Politik und Zivilgesellschaft. Gerade in Autokratien und Diktaturen ist letzteres sehr wichtig, wenn auch nicht immer einfach. In Russland zum Beispiel steht die Regierung den deutschen Stiftungen sehr kritisch gegenüber, in manch anderen Ländern mussten die Stiftungen ihre Büros schon schließen. Insgesamt fällt das Urteil über die Arbeit im Ausland sehr positiv aus.

Diese sinnvolle Arbeit gilt es zu unterstützen, aber auch zu verhindern, dass eine Stiftung den demokratische Rechtsstaat nutzt, um gegen ihn zu wirken. Insofern ist die Wachsamkeit der Initiatoren des oben zitierten Manifests zu begrüßen. Allerdings ist trotzdem auch Skepsis geboten. Eine Gesetzesinitiative, die mithilfe eines rhetorischen Tricks gezielt gegen die parteinahe Stiftung der AfD gerichtet ist, wird zwar die öffentlichen Mittel dieser Stiftung gering halten können, aber nicht ihre Existenz und ihre Aktivitäten verhindern. Im Gegenteil, möglicherweise gesteht ihr eine solche Initiative mehr Gewicht zu, als sie hat. Auf der Website der Stiftung findet man so gut wie keine Information über ihre Arbeit, aber vor allem weinerliche Angriffe auf Kritiker. Auch die AfD selbst wird weiterhin jede Gelegenheit nutzen, sich als Opfer der anderen Parteien zu inszenieren. Eine Lex Desiderius-Erasmus-Stiftung gibt diesen Inszenierungen nur neue Nahrung.

Und schließlich muss die Frage erlaubt sein, ob alle Stiftungen jederzeit den oben zitierten Maßstäben gerecht werden. Steht eine Stiftung, die den Chavismus in Venezuela als erstrebenswert erachtet, wirklich für die uneingeschränkte Geltung der Menschenrechte? Zweifel sind erlaubt, zumindest bei einzelnen Vertretern der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Soll man die Stiftung deswegen aus der öffentlichen Finanzierung werfen? Immerhin geben die Freunde des Präsidenten Maduro indirekt sehr bereitwillig Auskunft über ihre Haltung zur Demokratie. Sie agieren im Licht und können von jedem eingeschätzt werden.

Gleiches kann man bei der Desiderius-Erasmus-Stiftung erwarten. Die vermutlich fälligen knapp 50 Millionen Euro für die nächste Legislaturperiode werden aus einem piefigen Altdamen- und Herrenklub, der die Gründung des Deutschen Reiches 1871 als bahnbrechend für die heutige Demokratie ansieht, noch keine effektive Kaderschmiede machen. Die Stiftung würde durch öffentliche Förderung zudem etwas stärker der öffentlichen Beobachtung ausgesetzt.

Es macht somit möglicherweise genau deshalb Sinn, die Finanzierung der politischen Stiftungen auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. So kann die Transparenz von Arbeit und Finanzierung der Stiftungen noch weiter gesteigert werden. Es ist zwar richtig, dass die Stiftungen heute nicht unkontrolliert agieren und dass der Bundesrechnungshof die Stiftungen regelmäßig prüft, dennoch fordert der Bund der Steuerzahler schon länger eine gesetzliche Grundlage ihrer Arbeit. Schon das Volumen der Förderung gibt dafür einen guten Grund. Das Auftreten und die Verstetigung einer weiteren, damit siebten parteinahen Stiftung bietet eine gute Gelegenheit für eine entsprechende Gesetzesinitiative.

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Natürlich müssten die rechtsstaatliche Verankerung und Akzeptanz der Stiftungen in einem solchen Gesetz niedergelegt werden – das ist selbstverständlich. Dann müssten sich alle Stiftungen gleichermaßen überprüfen und durchleuchten lassen. Bis zum Nachweis ihrer gegen Rechtstaatlichkeit und Demokratie gerichteten Grundhaltung müssten sämtliche Stiftungen der im Bundestag vertretenen Parteien gleich und im Rahmen der geltenden Regeln behandelt werden. Wie lange die AfD und eine ihr nahestehende Stiftung diesen Test bestehen können und wollen, ist offen. Vermutlich arbeitet die Zeit ohnehin für die Demokraten, aber Aufgeregtheit und Aktionismus schaden mehr, als sie nutzen.

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