Freytags-Frage
Quelle: REUTERS

Wird der Wahlkampf 2021 spannender werden?

Die SPD hat früh ihren Kanzlerkandidaten präsentiert. Dass es Finanzminister Olaf Scholz wird, ist keine Überraschung, löst aber trotzdem Diskussionen aus. Das bietet Chancen und Risiken – für alle Parteien.

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Die Sozialdemokraten (SPD) haben als erste Partei ihren Kanzlerkandidaten für die kommende Bundestagswahl im Herbst 2021 vorgestellt. Während der Zeitpunkt überrascht, ist die Personalie selber wohl kaum verwunderlich. Finanzminister Olaf Scholz ist nicht nur im Willy-Brandt-Haus der Favorit. Mit seinem ruhigen und sachlichen, vor allem aber sachbezogenen Auftreten wird er vermutlich nicht nur bei Sozialdemokraten überzeugen können. Angesichts der ruhigen Hand, mit der der Finanzmister Politik gegen die Coronakrise betreibt, wirkt er auch gerade selbst in der SPD des Jahres 2020 unantastbar.

Deswegen hätten die beiden SPD-Vorsitzenden nur Kopfschütteln hervorgerufen, wenn sie ihn nicht vorgeschlagen hätten. Ob sie es deswegen gerne tun, darf dennoch bezweifelt werden. Denn anders als Olaf Scholz sind sie nicht für einen sachlichen Umgang mit der Realität oder für ein Mindestmaß an wirtschaftspolitischer Rationalität bekannt. Es geht ihnen um ein neues Linksbündnis mit den Grünen und der Linkspartei. Am Tag vor der Nominierung des Kanzlerkandidaten hat die Co-Vorsitzende Frau Esken sogar verlauten lassen, sie könne sich einen Eintritt der SPD in ein von einer Grünen oder einem Grünen geleiteten Koalition gut vorstellen. Vorschusslorbeeren für ihren eigenen Kandidaten sind das nicht.

Ohnehin hat der SPD-Kandidat jetzt einen langen Weg vor sich. Einmal muss er von nun an gegen die linke Propaganda aus eigenen Reihen angehen. Immerhin hat Kevin Kühnert schon einmal Unterstützung angeboten. Und der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat seine Partei darum gebeten, ihren Kandidaten bis zum Wahltermin nicht vollständig zu demontieren, wie es in der Partei eine gewisse Tradition habe. Das zu verhindern, wird kein leichtes Unterfangen für die Sozialdemokraten.

Aber auch in den anderen Parteien wird die Personalie zu Reaktionen führen. Die Linke wenigstens hat jetzt schon angekündigt, massiv Wahlkampf gegen alte sozialdemokratische Positionen, von denen man durchaus einige mit dem Etikett Soziale Marktwirtschaft versehen könnte, zu betreiben. Nebenbemerkung: Die SPD-Parteivorsitzenden dürften sie dabei eifrig unterstützen. Das dürfte viele eher konservative Sozialdemokraten verschrecken, denen ihr Arbeitsplatz (oder der ihrer Kinder) wichtiger ist als die Mischung aus Demokratieverachtung, Utopien und (regionalem) Pragmatismus der Linken. Scholz selber hat schon angekündigt, keinen Sozialismus zu wollen – immerhin! Und ob Olaf Scholz wirklich ein rot-rot-grünes Linksbündnis der sogenannten Ampel aus SPD, Freien Demokraten (FDP) und Grünen vorzieht, sei dahingestellt.

Die Grünen können selber wohl nicht in einen Lagerwahlkampf eintreten, wenn sie einen eigenen Kandidaten aufstellen wollen, der ein starkes Profil gegenüber sowohl dem Kandidaten der Christdemokraten und Christsozialen, der wohl erst in einigen Monaten aufs Schild gehoben werden wird, als auch Olaf Scholz aufweist. Es scheint auch nicht so zu sein, dass die Grünen um jeden Preis mit der Linkspartei oder alternativ mit der FDP koalieren wollen. Auch für Schwarz-Grün hegen viele grüne Mitglieder Sympathien – vor allem dort, wo viele Arbeitsplätze an der Industrie hängen.

In der Union hat man nun noch weniger Eile. Man kann in Ruhe abwarten, wie sich der Kandidat innerhalb seiner eigenen Partei und mit der Linken aufreibt. Man kann auch sehen, welcher Kandidat am besten auf Olaf Scholz reagiert. Für das Land wäre es am besten, wenn der Kandidat ein klares marktwirtschaftliches Profil aufweist und so die Alternativen zwischen einer CDU-CSU-geführten Regierung und Rot-Rot-Grün herausarbeitet.

Die Freien Demokraten dürften einerseits mit Vergnügen das interne Dilemma des Kanzlerkandidaten Scholz, der gefangen zwischen wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten nach der Krise und politischen Träumen der Linken einen schweren Stand haben wird, hinweisen. Die FDP arbeitet bereits am Image der neuen Aufsteigerpartei, was die SPD unter ihren neuen Vorsitzenden wohl nicht mehr sein will oder darf.



Andererseits ist Scholz einer der wenigen Sozialdemokraten, der genau dieses Bild der alten SPD noch vermittelt und der erfolgreich als Bürgermeister in Hamburg gezeigt hat, wie man einen guten Mix aus Wirtschafts- und Sozialpolitik betreibt. Und als Finanzminister hat er Solidität in Deutschland wiederbelebt, seine schwarze Null hat die entschlossenen Corona-Maßnahmen hierzulande und in der Europäischen Union erst ermöglicht. Seine unsozialen Pläne zur Finanzmarkttransaktionssteuer könnte man immerhin dagegen anführen.

Dies alles sind Spekulationen. Es kann noch viel passieren bis zum Herbst 2021, wenn die Deutschen die Nachfolgerin oder den Nachfolger von Bundeskanzlerin Angela Merkel wählen. Zunächst müssen Sozialdemokraten und Union gemeinsam die Coronakrise überwinden und (hoffentlich) Maßnahmen ergreifen, die seltsam uninspirierte Klimapolitik zu beleben. Es ist aber nicht zu erwarten, dass die sogenannte Große Koalition das nächste Jahr nicht übersteht.

Mit ihrer überraschenden Entscheidung, ihren Kanzlerkandidaten schon über ein Jahr vor der Wahl zu benennen, hat die SPD den Wahlkampf aber bestimmt angeheizt. Alle Parteien haben jetzt die Chance, ihr Profil zu schärfen. Es ist dabei sehr wichtig, dass die Bürger ernsthafte Alternativen haben; das hatten sie länger nicht.

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