Freytags-Frage

Wie könnte Merkel die transatlantischen Beziehungen verbessern?

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Wo die USA die deutsche Kooperation brauchen

Auch die USA haben – wenn auch in anderer Hinsicht – ein hohes Interesse an deutscher Kooperation, nämlich in der Verteidigungspolitik. Hier schwelt ebenfalls bereits seit langem ein Konflikt über die deutschen Verteidigungsausgaben, die weit unterhalb des mehr oder weniger offiziellen Ziels von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen. Diese Lücke ist angesichts der desolaten Lage der Bundeswehr auch aus dem Blickwinkel des deutschen Eigeninteresses nicht nachvollziehbar und sollte nun geschlossen werden.

Eine zweite Baustelle im deutsch-amerikanischen Verhältnis ist die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die russisches Gas in Zukunft nach Norddeutschland transportieren soll. Die USA haben zwei Gründe für eine skeptische Haltung. Der erste Grund ist ein ökonomischer: Die US-amerikanischen Anbieter von Gas suchen Absatzmärkte in Europa. Hier sollte die Bundesregierung klarmachen, dass Deutschland sich seine Beschaffungsmärkte selber sucht. Eine Einmischung von außen ist abzulehnen.



Der zweite Beweggrund zur Kritik aus den USA an der deutschen Politik ist hingegen relevant, nämlich die potentielle Abhängigkeit von Russland, in die sich Deutschland und Europa mit dem Ausbau der Transportkapazitäten für russisches Gas nach Deutschland ergeben könnte. Dies ist vor allem deswegen ein Problem, weil das Verhältnis der NATO zu Russland nach wie höchst angespannt ist. Mit der Möglichkeit, die Lieferung zu steuern, könnte Russland versuchen, Keile in die NATO zu treiben. Deshalb ist dieses Argument wirklich ernst zu nehmen. Hinzu kommt, dass viele europäische Partner Deutschlands den Bau der Pipeline mit großen Sorgen betrachten und deswegen ablehnen. Ihre jeweiligen Beweggründe sind unterschiedlich, aber in der Summe nachvollziehbar.

Wenn man nun die Vor- und Nachteile des Baus und Betriebs von Nord Stream 2 gegeneinander abwägt, spricht viel dafür, zumindest den Betrieb auszusetzen. Man könnte den Bau vollenden und damit ein Signal nach Russland aussenden, dass die deutsche Seite an weiteren Gasgeschäften mit Russland generell interessiert ist, allerdings nur dann, wenn Russland sich als verlässlicher Partner zeigt. Das würde mindestens bedeuten, dass der Cyberkrieg gegen die USA und die EU genauso eingestellt wird wie die ständigen Provokationen der Nachbarn an den Grenzen. Die Annexion der Krim wird Gegenstand fairer und offener Verhandlungen mit der Ukraine, und auch die Menschenrechtsverletzungen in Russland unterbleiben. Bislang waren alle Sanktionen erfolglos, der Verzicht auf das Gasgeschäft könnte langfristig zum Erfolg beitragen.


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Diesen Verzicht auf das Gasgeschäft mit Russland könnte die Bundesregierung – zusammen mit der Erhöhung der Verteidigungsausgaben – als ein Angebot in die Verhandlungen mit Präsident Biden über die neu definierte Rolle der USA in der globalen Ordnung (Klima, Gesundheit, Außenhandel, Sicherheit) einbringen. Das garantiert dem neuen US-Präsidenten einen diplomatischen Erfolg, den eine Mehrzahl der Amerikaner gutheißen wird. Und die Deutschen hätten für sich und die Europäer eine Verbesserung der transatlantischen Beziehungen erwirkt, die gerade in der Zeit der europäischen Ratspräsidentschaft als echter Beitrag zur europäischen Integration angesehen werden kann. Das wäre doch eine großartige Hinterlassenschaft der Bundeskanzlerin!

Mehr zum Thema: Handelsdefizit, Verteidigungsausgaben, Nord Stream 2: Warum sich das Verhältnis der USA zu Deutschland nicht entspannen wird – egal, wer im Weißen Haus regiert.

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