Freytags-Frage
dpatopbilder - 17.06.2019, Berlin: Die Parteivorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Robert Habeck und Annalena Baerbock, nehmen an der Parteitratssitzung ihrer Partei teil. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Quelle: dpa

Wollen oder können die Grünen die Marktwirtschaft nicht begreifen?

Beim Parteitag der Grünen soll es auch um Wirtschaftspolitik gehen. Immerhin: Das Bekenntnis zur Marktwirtschaft ist drin, allerdings ist der Entwurf des Bundesvorstands auch interventionistisch und kleinteilig.

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An diesem Wochenende findet die 44. Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen statt. Dort werden Wahlen abgehalten und Anträge diskutiert; unter anderem wird auch der Antrag des Bundesvorstandes zur Wirtschaftspolitik besprochen werden. Darin findet sich immerhin ein Bekenntnis zur Marktwirtschaft, dieses Mal (wie vorher auch schon) verpackt als sozial-ökologische Marktwirtschaft. Der Parteivorsitzende Robert Habeck sieht sich mit dem Antrag in direkter Nachfolge von Ludwig Erhard, was etwa genauso verwegen ist wie der Anspruch des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier auf diese Nachfolge.

Was wollen die Grünen? Macht es Sinn? Hilft es gar dem Klima? Im Rahmen dieser Kolumne kann natürlich nicht jede Forderung einzeln diskutiert werden, deshalb liegt die Konzentration auf den klima- und umweltpolitischen Forderungen.

Man erkennt zwei recht konträre Grundzüge des Antrages. Einerseits setzen die Grünen auf die Kreativität von Marktteilnehmern zur Entdeckung der besten Technologien und Lösungen der drängenden Umwelt- und Klimaprobleme. Märkte werden in dem Antrag deshalb als zentrales Instrument gesehen. Das klingt zunächst einmal vernünftig und sachorientiert. Andererseits wird immer wieder betont, dass die Politik vielfach eingreifen soll: durch Investitionen, Preissetzungen, technologische Vorgaben oder Verbote – das nennen die Grünen euphemistisch Regulierungen. Leider ist dieser Katalog so wirr und inkonsistent, dass die Äußerung zur Bedeutung der Marktwirtschaft nur als Lippenbekenntnis gelten kann.

Aber der Reihe nach: Schon in der Präambel zeigen die Autoren ihr Unverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge: So ist die Einordnung der Exportüberschüsse als Vorbedingung für unseren Wohlstand falsch, sie sind eine Konsequenz der Investitionsschwäche. Das aber nur am Rande. Wichtiger ist aber, dass es nicht angemessen ist, den Klimawandel ausschließlich als Marktversagen zu sehen. Richtig ist, dass ein unregulierter Markt den Klimawandel nicht aufhalten kann oder ihn gar beschleunigt. Es ist Aufgabe des Staates, diese Regulierungen einzuziehen. Dass dies nicht passiert, ist Staatsversagen, gleiches gilt für überflüssige Subventionen für fossile Brennstoffe. Regierungen haben es in der Hand, diese abzubauen (was der Bundesvorstand der Grünen auch richtigerweise fordert). Damit kommen wir zur praktischen Klimapolitik.

Es ist theoretisch recht einfach, dieses Versagen zu heilen, indem der Ausstoß klimaschädlicher Gase durch die Politik beschränkt oder bepreist wird – und zwar global. Denn das Klima ist global betrachtet ein Allmendegut. Ein solches Gut zeichnet sich dadurch aus, dass seine Nutzung rivalisierend ist, aber niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden kann. Ein ebenso traditionelles wie aktuelles Beispiel für ein Allmendegut ist der Meeresfisch – hier sieht man die Tragik der Allmende sehr klar. Wie aber auch im Klimaschutz, denn genau diese Eigenschaft führt zum zu überhöhten Ausstoß an klimaschädlichen Gasen, hauptsächlich CO2. Ohne Festlegung von Höchstmengen oder CO2-Steuern wird der Ausstoß nicht reduziert, denn er kostet dann nichts.

Wenn man das einmal begriffen hat, dann weiß man, dass der einzig zielführende Weg zum Klimaschutz eine globale Einschränkung des CO2-Ausstoßes ist. So sehen es das Kyoto-Protokoll und in seiner Nachfolge dass Pariser Klimaschutzabkommen vor .Dabei setzt die Weltgemeinschaft im Prinzip auf den Zertifikatehandel, der ökologisch der CO2-Steuer überlegen ist. Dies hängt damit zusammen, dass niemand weiß, wie hoch die Preiselastizität des CO2-Ausstoßes ist, also wie stark die Menschen diesen Ausstoß wegen der Steuer reduzieren. Möglicherweise muss der Staat die Steuer dann mehrfach ändern, was politisch schwer möglich ist. Eine Höchstmenge an CO2-Ausstoß führt dann automatisch zu einem Preis, und die Politik muss nicht mehr viel tun.

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