Neun Milliarden Euro. So viel Geld werde jedes Jahr zusätzlich gebraucht, um eine qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung nach OECD-Empfehlungen zu realisieren. So jedenfalls sehen es die Arbeiterwohlfahrt (AWO), Caritas und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Ausgerechnet diese Verbände der Trägerorganisationen der Betreuung waren zum Kita-Gipfel von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig aber nicht eingeladen. Die traf sich lieber nur mit den Familienministern der Länder.
Dass mehr getan werden müsse, darin waren auch die Minister sich einig. „Wir haben einen neuen Bildungskonsens erreicht“, verkündete Schwesig. Bislang war oft über die Verteilung zwischen Ländern und Bund gestritten worden. Bildung - und dazu zählt im weiteren Sinne auch die Kita - ist Ländersache. Einige Länder fürchteten einen Kompetenzverlust, wenn sie dem Bund nun mehr Platz für Investitionen einräumen.
Nun unterzeichneten die Minister ein gemeinsames Communiqué, in dem die Qualitätsziele für die Kita-Betreuung festgehalten sind. Eine neu zu gründende Arbeitsgruppe soll Details ausarbeiten. Es geht um Personalschlüssel, pädagogische Arbeitszeit oder die Qualifizierung der Fachkräfte.
So glücklich wie Schwesig ist Norbert Hocke, GEW-Vorstandsmitglied und Leiter des Vorstandbereiches Jugendhilfe und Sozialarbeit, nicht. Zwar sei das Communiqué ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sind ihm die nächsten Schritte nicht konkret genug. So hätte man festhalten können, dass etwa das Verhältnis Fachkräfte-Kinder jetzt als erstes auf dem Programm steht. „Wichtig ist aber, dass der Bund endlich mehr Verantwortung übernimmt, auch in finanzieller Hinsicht. Es kann nicht sein, dass der Geldbeutel der Kommunen über die Qualität der frühkindlichen Bildung entscheidet“, sagt Hocke.
Dass die Verbände an der ersten Runde von Schwesigs Kita-Gipfel noch nicht teilnehmen durften, kritisiert auch Wolfgang Stadler, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der AWO, scharf: „Ich hoffe, dass wir in den kommenden Gesprächen über die Rolle des Katzentisches hinauskommen“, sagt Hocke. „Wir sind diejenigen, die jeden Tag die Qualität der Betreuung umsetzen und sicherstellen. Deshalb erwarten wir ein Verfahren, an dem alle am Geschehen Beteiligten involviert werden. Sonst steht zu befürchten, dass die Qualitätsdebatte zu einem Geschachere von Bund und Ländern um Finanzen verkommt.“
Nach dem Kita-Ausbau ist vor dem Investitionsstau
Nach dem Kita-Ausbau ist vor dem Investitionsstau. Zwar ermöglicht der Rechtsanspruch für Eltern von unter Dreijährigen nun vielen weiteren Kindern einen Kita-Platz. Doch es fehlt an Personal. Bereits im Sommer errechnete die Bertelsmann-Stiftung einen Mangel von 120.000 Erziehern – aktuell gibt es in diesem Bereich knapp 600.000 Beschäftigte. Allein die Personalaufstockung würde fünf Milliarden Euro Kosten verursachen – pro Jahr. Insgesamt fließen heute jährlich 17 Milliarden Euro in die Kitas, der Großteil von Kommunen und Ländern. Die Bundesregierung investierte zwischen 2008 und 2013 dabei 2,15 Milliarden Euro in den Ausbau. Eine weitere Milliarde wurde in diesem Jahr bewilligt.
Auch bei den freien Trägerorganisationen machen diese öffentlichen Gelder den bei weitem größten Teil der Budgets für die Kitas aus, bei der AWO etwa 90 bis 95 Prozent. Insgesamt stehen 67 Prozent der rund 53000 Kitas in Deutschland unter freier Trägerschaft – vor allem der AWO, der Diakonie, der Caritas oder des Deutschen Roten Kreuz.
Zwar stößt das Communiqué der Minister tendenziell auf Zustimmung bei Gewerkschaften und Trägerverbänden. Doch von ihrem eigentlichen Ziel, einem Gesetz, das bundesweit einheitliche Standards einsetzen sollte, ist darin keine Rede. Das sei schon ein Rückschritt, sagt Anette Stein, Projektleiterin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann-Stiftung.
„Ein solches Gesetz könnte aber frühestens in anderthalb Jahren auf den Weg gebracht werden“, so Stein. Und ohne die Zustimmung des Finanzministers ließe sich das ohnehin kaum realisieren. Der will in den nächsten drei Jahren erst einmal zehn Milliarden Euro zusätzlich investieren – insgesamt in Bildung, Energie und Infrastruktur. Wie genau die Mittel aufgeteilt werden, steht noch nicht fest. Klar ist aber: Die neun Milliarden Euro, die sich Trägerverbände und Gewerkschaft für die Kitas wünschen, sind da unerreichbar.