
Vor zwei Wochen erst flatterte wieder ein vertraulicher Brief auf ihren Schreibtisch: Der Personalvorstand eines großen Konzerns bat Carlotta Köster-Brons um Hilfe. Er suche eine Top-Frau. Führungsstark, krisenerprobt, auslandserfahren, schrieb der Manager. Ob der Verband deutscher Unternehmerinnen (VDU) ihm vielleicht eine Kandidatin empfehlen könne. Schließlich wolle man dieses Mal einer Dame die Chance geben. Erstmalig. Und allein schon, um ein Zeichen zu setzen.
Köster-Brons ist Geschäftsführerin des VDU. Und wenn es ein Vorurteil gibt, das sie richtig auf die Palme bringt, dann ist es dieses: Man würde ja so schrecklich gern eine Frau in den Vorstand oder Aufsichtsrat berufen. Leider aber gäbe es keine passende Kandidatin.
Und darum schickt sich der Unternehmerinnen-Verband nun an, das Gegenteil zu beweisen - mithilfe der Politik. Für rund 760.000 Euro baut der VDU derzeit eine Datenbank für Top-Frauen auf und plant Seminare für angehende Unternehmens-Aufseherinnen. Ein Großteil der Summe stammt aus dem Etat von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Von August an will Köster-Brons die Profile potenzieller Aufsichtsrätinnen sammeln. Mindestens 150 sollen es werden. „Dann wird es niemand mehr geben, der sagen kann, es gäbe keine qualifizierten Frauen in Deutschland“, sagt sie.
Zwangsanteil von 30 Prozent wird gefordert
Gerade mal 9,8 Prozent aller Aufsichtsratsmandate der 200 größten deutschen Unternehmen sind in weiblicher Hand. Nach Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) werden in den Vorstandsetagen nur 0,5 Prozent der Chefsessel von einer Frau besetzt. Dieses Unverhältnis will die Bundesregierung nicht mehr tolerieren.
Familienministerin Kristina Schröder, CDU, hat einen Stufenplan angekündigt, um mehr Frauen in das Top-Management zu katapultieren. Selbst eine gesetzliche Quote für Aufsichtsräte schließt sie nicht mehr aus. Die Damen der Unions-Bundestagsfraktion – besonderer Renitenz bisher unverdächtig – fordern einen Zwangsanteil von 30 Prozent. Und Bayerns Justizministerin Beate Merk, CSU, poltert, es müssten gar 40 Prozent sein.
Bei Personalberatern häufen sich nun Anfragen nach weiblichen Führungskräften. Denn die Herren haben ein Problem: „Natürlich kennen Dax-Vorstände derzeit mehr männliche als weibliche Kandidaten – in den Vorständen sitzen bislang ja fast nur Männer“, sagt Klaus-Peter Müller, Aufsichtsratschef der Commerzbank.
Frauenorganisationen wollen qualifizierte Kandidatinnen daher sichtbar machen. Im VDU entwickeln die Unternehmerinnen Kriterien, um potenzielle Aufsichtsrätinnen zu identifizieren. Für Unternehmen ist die Anfrage kostenlos. „Wir sind ja ein Wirtschaftsverband und keine Headhunter“, sagt Köster-Brons. Auch die Initiative FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte) fahndet nach Partnern für Akademien und Frauen-Datenbanken.
Für solche Projekte kann Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen bis 2013 rund 100 Millionen Euro verteilen. Denn an ihr Ressort ist eine Bundesinitiative zur Gleichstellung angedockt, die auch durch den Europäischen Sozialfonds finanziert wird. So fördert Vater Staat etwa ein Ingenieurinnen-Netzwerk bei Bombardier oder ein Managerinnen-Training der Gewerkschaft IG BCE.
Als Vorbild gilt die Schweiz. An der Universität St. Gallen hat Professor Martin Hilb vor Jahren eine einzigartige Datenbank für Aufsichtsrätinnen aufgebaut, den „Female Board Pool“. 185 Top-Kräfte zählt Hilb in seiner Damenbank. „Es gibt genug qualifizierte Frauen“, sagt der Wissenschaftler. „Das Problem liegt nicht auf der Angebots-, sondern auf der Nachfrageseite.“ Seine Erfahrungen indes sind ernüchternd. Pro Monat erreicht Martin Hilb oft nur eine einzige Anfrage. „Viele Unternehmen“, sagt der Professor, „denken erst langsam um.“