Führungsstreit Die Harakiri-Politik der Piraten

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Politischer Selbstmord

Die originellsten Anträge zum Bundesparteitag
Grundrecht auf öffentliche Nacktheit„Wir müssen die Politik nicht neu erfinden, wir müssen neue Programm-Aspekte schaffen“, schreibt ein Antragssteller. Ein solcher könne Nacktheit im öffentlichen Raum als Grundrecht für Menschen sein. Der Antragssteller fordert die ersatzlose Streichung der Paragraphen 183 (exhibitionistische Handlung) und 183a (Erregung öffentlichen Ärgernisses). Quelle: dpa
Erhöhung der Kapitalertragssteuer„Ich beantrage dass die Kapitalerträge mit 65 Prozent besteuert werden“, schreibt ein Antragssteller schnörkellos. Interessant ist allerdings seine Begründung: „Wer Lektüre von Dirk Müller gelesen hat, weiß wie notwendig eine höhere Besteuerung der Kapitaleinträge ist.“ Quelle: dpa
Beseitigung der StaatsschuldenDie große Staatsverschuldung der Bundesrepublik hat ein Antragssteller als Problem erkannt und liefert gleich eine Lösung dafür mit, wie man den Schuldenberg wieder loswerden kann. Die Vermögenden sollen bezahlen. Mit einer einmaligen Vermögensabgabe von 20 Prozent sollte sich die Staatsverschuldung laut Antrag erledigt haben. Quelle: dpa
Ein Herz für LangschläferDer individuelle Tagesrhythmus eines Menschen gehört laut dem Antrag eines Mitglieds zur persönlichen Freiheit. Dass diese durch  Schul- und Arbeitszeiten, Nachtruheregelungen und Öffnungszeiten stark eingeschränkt wird, will der Pirat nicht hinnehmen. Arbeits- und Unterrichtszeiten müssten generell so gestaltet werden, dass die Menschen nicht gezwungen seien, gegen ihre „innere Uhr“ zu leben. Quelle: ap
Keine Chance für PlagiatorenMit Blick auf die Plagiatsaffäre um den zurückgetretenen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg fordert ein Pirat, dass akademische Grade künftig nicht mehr in Ausweispapiere eingetragen werden dürfen. Ohne das Recht, mit einem Doktortitel angeredet zu werden, gebe es weniger Anreize für Plagiatoren argumentiert der Antragssteller. Quelle: dapd
Kinder an die WahlurnenGleich mehrere Anträge an den Bundesparteitag der Piraten kreisen um das Thema Wahlalter. Ein Antragssteller fordert, das aktive Wahlrecht bei Europa-, Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen auf zwölf Jahre herabzusetzen. Ein anderer fordert sogar das Wahlrecht von Geburt an – das stellvertretend von den Eltern ausgeübt werden soll. „Eine konsequente demokratische Verfassungsstruktur muss prinzipiell erst einmal davon ausgehen, dass jeder Mensch eine Stimme besitzt“, heißt es in einer Begründung. Quelle: dpa
Keine pauschalen Kontrollen von FußballfansAuch die Fußballfans liegen den Piraten am Herzen. Ein Mitglied ärgert sich über pauschale Kontrollen vor Stadien – und fordert deren Verbot. Sport sei ein wichtiger integrativer Bestandteil der Gesellschaft, schreibt das Parteimitglied in seiner Begründung. Die Fans sollten als Gäste behandelt werden und nicht als potenzielle Gewalttäter. Quelle: dpa

Der politische Selbstmord vollzieht sich so nun schon seit Monaten. Schon im Vorfeld des Parteitags im letzten Jahr wurde die Führungsfrage gestellt, zwei Vorstandsmitglieder traten auch wegen der schwierigen Zusammenarbeit mit Ponader zurück.

Der jedoch hat einen Rücktritt daran geknüpft, dass auch Schlömer und sein Stellvertreter Sebastian Nerz ihre Ämter zur Verfügung stellen. „Das Gleichgewicht der Strömungen wäre sonst nicht mehr repräsentiert“, sagte Ponader. Denn während Schlömer und Nerz sich als sozial-liberal verstehen, repräsentiert der frühere Sprecher der Occupy-Bewegung den linken Flügel der Partei. 

Das Dilemma der Piraten

Sogar einen neutralen Vermittler zogen Schlömer und Ponader hinzu, um ihren persönlichen Konflikt zu lösen. Seither kämen sie trotz unterschiedlicher Auffassungen und Persönlichkeiten gut miteinander aus, betonten beide. Und doch blitzte der Konflikt auch in der Diskussion immer wieder auf.

So wünscht sich Ponader regelmäßig einen Mediator, um im Vorstandsstreit zu vermitteln. Wozu solle man Mehrheitsentscheidungen nochmal mit einer neutralen Person diskutieren?, entgegnete Schlömer. Und ließ eine kaum verblümte Rücktrittsforderung folgen: „Wer damit nicht umgehen kann ist überfordert und muss seine Funktion in Frage stellen“.

Ein Ergebnis brachte auch die gestrige Diskussion nicht. Und so stecken Schlömer und seine Truppe in einem Dilemma: Versuchen Sie, die verfahrene Situation mit Neuwahlen auf dem Parteitag im Mai zu lösen, würde die damit verbundene Kandidatenfrage zwangsläufig die kommenden Monate dominieren.

Andererseits erweckt die Partei derzeit nicht den Anschein, die Führungsfrage bis zur Bundestagswahl aufschieben zu können. Ponader brachte die Situation auf den Punkt: „Der Streit ist wahrscheinlich wie Kacke am Schuh, die man nicht mehr los wird“.

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